Kardinal Reinhard Marx hat zu einem differenzierten Umgang mit Migration aufgerufen. „Es ist nicht gut, dass wir das Thema Migration zum Problemthema machen“, sagte der Erzbischof von München und Freising im Presseclub. Es sei gut, dass es Migration gebe - „nicht das ist die große Bedrohung für unser Land. Wir brauchen ja eine Einwanderung, wir brauchen eine Bevölkerungsentwicklung, die vielfältig ist.“
Es sei klar, dass man überlegen müsse, wie man Grenzen sichere und wer bleiben könne. Hier brauche es ein faires Verfahren. Niemand dürfe aber in ein Land zurückgeschickt werden, in dem er bedroht sei. „Ich möchte nicht, dass jemand, der hier schwarzgefahren ist mit der Tram, in seinem Land 20 Jahre ins Gefängnis kommt.“ Wer hier Arbeit habe und arbeiten wolle, solle bleiben.
Zu der Missbrauchsstudie im Bistum Passau sagte Marx, er könne nur für seine Diözese sprechen. Man haben in den vergangenen 15 Jahren intensiv an dem Thema gearbeitet. „Was möglich ist, haben wir auf den Weg gebracht.“ Aber: „Man kann das Thema nie abschließen.“. Es gelte nun, auch andere Bereich anzuschauen, hier müsse die Politik tätig werden.
Dass es absehbar Änderungen beim Zölibat geben könne, sieht Marx nicht. Junge Männer, die Priester werden wollten, müssten wissen: „Unter der Regel treten sie an.“ Diese Lebensform sei machbar. Zwar gebe es weiter Kirchenaustritte, zugleich steige aber leicht die Zahl junger Menschen, die in die Kirche eintreten.
Zu Donald Trump, der oft christliche Narrative aufgreift und sich etwa mit einer Bibel vor einer Kirche präsentierte, sagte Marx: „Was mich sehr, sehr beunruhigt: Dass Religion instrumentalisiert wird.“ Unter anderem hatte Trump nach dem Attentat auf ihn gefolgert, Gott habe ihn geschützt, weil er einen Plan für ihn habe. Es sei gut, „dass wir den Papst haben“, der nicht einem Staatsoberhaupt untertan sei, sondern selbst Staatsoberhaupt sei.
Papst Leo XIV. bekleide sein Amt reflektiert, mit Bedacht. Er sei ruhiger als Franziskus, nicht so impulsiv. „Er ist stärker an den Regeln orientiert, er liebt ein bisschen mehr die Traditionen, was ich begrüße.“ Dennoch sei die Zeit mit Franziskus wichtig gewesen. Er habe gezeigt, dass man auch ganz anders auf die Dinge schauen könne. Den Synodalen Weg wolle Leo XIV. „auf jeden Fall weiterführen“. „Aber es bleibt ein wenig offen, wie das passieren wird.“
Zur Lage in Nahost sagte Marx, der Hass, der sich aufgetürmt habe, sei kaum vorstellbar. Irgendwann aber müssten Israelis und Palästinenser wieder miteinander leben, ebenso wie Russen und Ukrainer. Dafür brauche es Leute, „die den Mut haben zu sagen: „Jetzt gehen wir voran.”“
Marx arbeitet bereits an seiner Weihnachtpredigt, die er weitgehend frei halten wird. Wegen seiner Rückenprobleme sei er etwas wackelig und werde einmal mehr im Sitzen predigen. Das könne dann etwas länger dauern. „Man spricht anders, ein bisschen erzählend wie der Großvater.“
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