Ihr Gesicht ist von Narben übersät. Sie werden die sechsfache Mutter zwangsläufig immer an ihren Ex-Mann erinnern, der wegen Mordversuchs vor dem Landgericht Aschaffenburg steht. Mit einem Küchenmesser soll er die 36-Jährige unvermittelt in der Aschaffenburger Innenstadt angegriffen haben. Viele wuchtige Stiche trafen die nahezu wehrlose Frau. „Er wirkte - ohne ein Wort zu sprechen - mit dem Messer weiter wiederholt auf sie ein und fügte ihr mehrere kräftige Stiche und Schnitte insbesondere im Gesicht zu“, sagt Oberstaatsanwalt Jürgen Bundschuh zu Prozessbeginn.
Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass sich der 39-jährige Somalier an seiner Ex rächen wollte. „Der Angeklagte wollte mit dem Übergriff die Geschädigte bestrafen, weil sie sich von ihm getrennt beziehungsweise die Beziehung mit ihm nicht wieder aufgenommen hat“, erklärt Bundschuh. Der Mann habe das Opfer für sein als schlecht empfundenes Leben verantwortlich gemacht. Er sei voller Missgunst und Neid gewesen, dass seine Ex mit den Kindern glücklich gewesen sei, „während er mittellos auf der Straße lebt. Diese Motive stehen nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe und sind besonders verachtenswert“, sagt Bundschuh. Ziel sei es gewesen, die Frau zu verunstalten.
„Dass er der verantwortliche Täter ist, (...) steht außer Zweifel“, sagt der Verteidiger des Mannes. Doch warum kam es überhaupt zu dieser Tat im Januar? Zu den Gründen wolle sich sein Mandant nicht äußern. „Dazu wird er sich schweigend verteidigen“, kündigt Rechtsanwalt Jens Goymann lediglich an.
Der Angeklagte, in blauer Häftlingskleidung, verdeckt sein Gesicht mit einem roten Hefter vor den Fotografen. Als die Bilder seiner verletzten Ex-Frau gezeigt werden, schaut er oft zu Boden.
Tiefe Einschnitte im Gesicht und Oberkörper, überall Blut: Das Opfer sei „übel zugerichtet“ worden, erzählt ein Ermittler vor der 1. Großen Strafkammer. „Das Gesicht war zerschnitten, richtig weit aufklaffende Wunden.“ Mehr als ein Dutzend Zeugen habe die Attacke beobachtet. Ein Mann habe versucht, den Angriff auf die 36-Jährige zu unterbinden. Andere Zeugen hätten später den Täter verfolgt. „Das ist nichts Alltägliches“, beschreibt der Beamte die damalige Lage. „Das waren Szenen, die an den Amoklauf von Würzburg erinnert haben.“
Am 25. Juni 2021 hatte ein psychisch kranker Somalier in der Würzburger Innenstadt ihm unbekannte Menschen mit einem Küchenmesser angegriffen. Drei Frauen starben, neun Menschen wurden verletzt.
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen gab es unmittelbar vor der Attacke in Aschaffenburg keinen Streit zwischen den ehemaligen Partnern. Sie haben drei gemeinsame Kinder, die Frau hat drei weitere aus früheren Beziehungen. „Sie war nach muslimischem Recht mit dem Angeklagten verheiratet“, erzählt der Polizist. Die 36-Jährige habe sich allerdings rund eineinhalb, zwei Jahre vor der Tat von dem Mann wegen seiner Alkohol- und Spielsucht getrennt, er wollte das wohl nicht akzeptieren. Wenige Tage vor dem Angriff soll der Mann die 36-Jährige per Scheidungserklärung aus der Ehe entlassen haben.
„Die Beziehung war im Endeffekt einseitig beendet“, sagt der Hauptkommissar. Der 39-Jährige wollte wohl wieder bei der Frau einziehen. Er habe geglaubt, dass er einen festen Wohnsitz braucht, um seinen Aufenthaltstitel zu verlängern. Das Opfer habe sich darauf aber nicht eingelassen.
Als die Frau vor Gericht aussagt, wirkt sie sehr gefestigt. Die 36-Jährige berichtet von regelmäßigen Beleidigungen und Drohungen ihres Ex nach der Trennung. „Er wollte wieder zurückkehren, damit er eine offizielle Adresse hat“, erzählt sie mithilfe einer Dolmetscherin. „Oder Du wirst sterben“, soll der Angeklagte gesagt haben, falls sie ihm nicht helfe. Dies habe sie aber nicht ernst genommen. Mit der späteren Attacke hat die 36-Jährige nach eigenen Angaben nicht gerechnet: „Ich habe ihn angefleht, dass er aufhören soll. (…) Aber er hat voller Hass immer wieder zugestochen.“ Er habe nicht gewollt, dass sie glücklich ist.
Für den Prozess sind bis zum 24. Juli insgesamt sechs Verhandlungstage geplant.
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