Nach den Beschlüssen des Koalitionsausschusses zum Neubau von Gaskraftwerken hat die Energiewirtschaft ihren Willen zur schnellen Umsetzung betont. Beschlossen wurde der Neubau vor allem von Kraftwerken mit insgesamt zwölf Gigawatt Leistung. Sie sollen flexibel einspringen, wenn während und nach dem Kohleausstieg nicht genügend Wind- und Sonnenstrom vorhanden ist.
Man stehe bereit, sich mit rund zwei Gigawatt hocheffizienten und wasserstofffähigen Kraftwerken einzubringen, sagte etwa ein Sprecher des Energiekonzerns Uniper in Düsseldorf. Projekte an zwei Standorten seien im fortgeschrittenen Planungsstadium. Weitere Standorte würden geprüft. „Wichtig sind jetzt ein schneller Abschluss der Gespräche mit Brüssel sowie ein baldiger Beginn des Gesetzgebungsprozesses möglichst vor der Weihnachtspause für mehr Planungssicherheit“, sagte Uniper-Chef Michael Lewis.
Bei der Steag Iqony Group (Essen) sind die Planungen für ein Gaskraftwerk mit einer Leistung von knapp einem Gigawatt nach Angaben eines Sprechers ebenfalls „weit fortgeschritten“. Man stehe „in den Startlöchern“. Deutschland brauche diese Kraftwerke, so der Sprecher. „Gaskraftwerke sind die Brücke in eine klimaneutrale Zukunft.“
Ein Sprecher von Deutschlands größtem Verteilnetzbetreiber Eon begrüßte, dass der Koalitionsausschuss zusätzlich zu Gaskraftwerken bei den Ausschreibungen auch auf andere Flexibilitätslösungen setze. „Voraussetzung hierfür muss aber sein, dass Batteriespeicher das Energiesystem entlasten und sich netzdienlich verhalten.“ Auf die Frage, ob Eon sich mit Speicher-Projekten an den Ausschreibungen beteiligen werde, antwortete der Sprecher: „Da uns die Ausschreibungsbedingungen noch nicht vorliegen, können wir heute auch noch keine Aussage darüber treffen, ob wir uns daran beteiligen werden.“
Bereits am Mittwoch hatte RWE-Finanzvorstand Michael Müller drei Standorte benannt, „an denen wir schnell mit dem Bau loslegen könnten“. Insgesamt drei Gigawatt an neuer flexibler Kraftwerkskapazität in Deutschland könne man sich vorstellen. Ein Konzernsprecher sagte nach den Beschlüssen: „Jetzt warten wir auf die Details der Ausschreibungen, die dann frühzeitig im kommenden Jahr stattfinden müssen. Dann könnten erste Anlagen 2030 den Betrieb aufnehmen.“
Der Koalitionsausschuss der schwarz-roten Bundesregierung hatte am Donnerstagabend unter anderem neue Eckpunkte für die Kraftwerksstrategie beschlossen. Damit sich die Investitionen für Energieunternehmen rechnen, soll es eine staatliche Förderung geben. Dieser muss die EU-Kommission zustimmen. Eine Einigung mit der EU wird laut Beschlusspapier „schnellstmöglich“ angestrebt.
2026 will die Bundesregierung dem Papier zufolge Kraftwerke mit einer Leistung von insgesamt zehn Gigawatt (GW) ausschreiben, die bis 2031 in Betrieb gehen. Zum Vergleich: Das große Steinkohlekraftwerk Datteln 4 hat eine Leistung von gut einem Gigawatt. Zwei der zehn Gigawatt sollen technologieoffen ausgeschrieben werden: Auch Speicher können dabei den Zuschlag bekommen. Wichtig: Alle Gaskraftwerke müssen auch mit Wasserstoff betrieben werden können.
Noch zwei weitere Gigawatt sollen 2026/27 ausgeschrieben werden. Diese Kraftwerke sollen bis 2032 in Betrieb gehen, aber schon früher verpflichtend mit Wasserstoff betrieben werden. Dafür soll es eine Zeitlang eine Betriebskostenförderung geben.
Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) betonte, dass die „in begrenztem Umfang nötigen“ neuen Gaskraftwerke so gebaut würden, dass sie in Zukunft auf grünen Wasserstoff umgestellt werden könnten. „Das sind wichtige Fortschritte für ein Energiesystem, das klimafreundlich, sicher und bezahlbar ist“, hieß es in einem Statement.
Bundeswirtschaftsminister Katherina Reiche nannte die Einigung bei der Kraftwerkstrategie einen „dringenden Schritt, um Versorgungsfähigkeit zu gewährleisten“. Die kurzfristige Ausschreibung von insgesamt zwölf Gigawatt seien Grundlage für eine gesicherte Stromversorgung Deutschlands und damit für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, hieß es in einer Stellungnahme.
Kritik kam von der Umweltschutzorganisation Deutsche Umwelthilfe (DUH). „Der größte Teil der Kapazitäten 2026 wird nicht technologieoffen ausgeschrieben“, sagte DUH-Leiter Energie und Klimaschutz, Constantin Zerger, laut einer Mitteilung. „Batteriespeicher bekommen bei diesen acht Gigawatt also keine Chance.“ Zerger sprach von einer „planwirtschaftlichen Fixierung“ der Regierung auf Gaskraftwerke. Sie sei nicht begründbar und müsse aufgegeben werden. Neben der Umstellung auf Wasserstoff bleibe zudem die CCS-Technologie zur Abscheidung und Speicherung von CO2 bei den Gaskraftwerken im Rennen. „Dies droht den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft weiter auszubremsen.“
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