Nach scharfer Kritik am Umgang mit möglicher NS-Raubkunst in ihrem Besitz wehren sich die bayerischen Staatsgemäldesammlungen gegen die Vorwürfe. Währenddessen fordern Abgeordnete im Fachausschuss des Landtags mehr Tempo bei der Prüfung der Rückgabe von geraubten Werken an die Nachfahren der jüdischen Besitzer.
Im Zentrum der Kritik steht der Umgang der Staatsgemäldesammlungen mit Werken, bei denen Anhaltspunkte für einen Raubkunstverdacht bestehen. Es sei zwar richtig, „dass aktuell 97 Werke im Bestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen eine rote Markierung haben“, teilte einer Sprecherin der Sammlungen mit. Diese Kennzeichnung werde aber „bereits vergeben, wenn potenziell Betroffene Restitutionsansprüche erheben oder Raubkunstverdacht besteht, mithin Recherchebedarf gegeben ist“. Das bedeute nicht, dass eine interne Prüfung schon ergeben habe, dass es sich eindeutig um NS-Raubkunst handle oder eine Restitution erfolgen müsse.
Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste (DZK) habe am Mittwoch bestätigt, „dass die Kategorisierung der Ampelfarben bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen der üblichen Museumspraxis entspricht“, heißt es in der Mitteilung. Bei der „Detailausgestaltung“ könne es aber Unterschiede geben.
Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte zuvor über eine interne Liste der Staatsgemäldesammlungen berichtet, auf der rund 200 Kunstwerke als rot markiert worden seien - allerdings mit Stand aus dem Jahr 2020. Nach internationalen Gepflogenheiten bedeute das, dass es sich hier um Raubkunst handle. Die Staatsgemäldesammlungen bezeichneten diese Darstellung am Mittwoch als falsch. Man habe deshalb einen Rechtsanwalt beauftragt, presserechtliche Schritte gegen die Berichterstattung zu prüfen.
Zudem betonten die Staatsgemäldesammlungen, 53 der rot markierten Werke seien bereits in der Datenbank „Lost Art“ aufgeführt. 82 Bilder seien in der Online-Sammlung mit ihren bekannten Herkunftsangaben der Öffentlichkeit zugänglich. Die von Bayerns Kunstminister Markus Blume (CSU) erhobene Forderung, alle als rot oder orange zu markierenden Fälle auf der Datenbank „Lost Art“ einzustellen, werde man aber „unmittelbar umsetzen“.
Ebenso soll es demnach bei allen als höchstwahrscheinlich Raubkunst eingestuften Werken schnellstmöglich eine Tiefenrecherche geben, zudem sollen Ergebnisse veröffentlicht werden. Für die systematische Einschätzung aller bisher nicht geprüften Kunstwerke soll bis Ende 2026 ein verbindlicher Zeitplan stehen. Kunstminister Blume hatte dafür zusätzliches Geld und Stellen für die Arbeit angekündigt.
Der Landtagsausschuss für Wissenschaft und Kunst in Bayern machte am Mittwoch Druck mit Blick auf eine Neustrukturierung der Provenienzforschung und die Rückgabe von NS-Kulturgut aus staatlichen Beständen.
Die wenigen noch lebenden Opfer des NS-Terrors müssten es noch erleben, dass ihr Eigentum wieder ihnen gehöre und zu ihnen zurückgeführt werde, sagte der Ausschussvorsitzende Michael Piazolo (Freie Wähler). Und er kritisierte die schleppende Aufklärung, in Bayern und ganz Deutschland: „Ein Ruhmesblatt ist das nicht.“
Sanne Kurz, kulturpolitische Sprecherin der Grünen, mahnte: „Was heute hier passiert, darf wirklich erst der Anfang sein“. Es gebe deutliche Hinweise, dass nicht nur die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen verantwortlich seien. Es habe auch in der Politik zahlreiche Versäumnisse gegeben. Am Donnerstag soll sich das Plenum im Landtag mit einem Dringlichkeitsantrag der Grünen zum Thema befassen.
Fraktionsübergreifend einigte sich der Ausschuss auf zwei Anträge, in denen der Landtag zum Handeln aufgefordert wird. Die Grünen forderten in ihrem von CSU, Freien Wählern und SPD unterstützten Papier, die staatliche Förderung der Provenienzforschung an Bedingungen zu knüpfen.
So müssten Ergebnisse und Zwischenstände dieser Forschung regelmäßig veröffentlicht werden und die Kunstwerke auch in die Datenbank „Lost Art“ eingestellt werden. Soweit möglich sollen auch Aufzeichnungen von Kunsthändlern veröffentlicht werden, sogenannte Dealer Records.
Der einstimmig beschlossene Antrag von CSU und Freien Wählern fordert einen verbindlichen Zeitplan für die Neuausrichtung der Provenienzforschung. Diese versucht, die Herkunft von Kunstwerken zu ermitteln, vor allem mit Blick auf die kritische Zeit zwischen 1933 und 1945, als Jüdinnen und Juden Kunstwerke und anderes Kulturgut von den Nationalsozialisten geraubt oder abgepresst wurde.
Verantwortlich sein soll eine „schlagkräftige Taskforce Provenienz“ außerhalb der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Spätestens bis zur Sommerpause müsse der Landtag über den aktuellen Stand berichten.
Die Staatsgemäldesammlungen, aber auch das Kunstministerium unter Minister Blume waren in den vergangenen Tagen heftig für den Umgang mit NS-Raubkunst kritisiert worden. Es war von Verschleppung und fehlender Transparenz die Rede. Erben jüdischer Eigentümer, die Werke zurückforderten, seien zu Bittstellern degradiert und jahrelang hingehalten worden.
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