Der erste Schreck war groß bei Lena Oberdorf und den DFB-Frauen von Horst Hrubesch, am Tag danach aber gab der Mittelfeld-Star Entwarnung.
„Hätte mir mein erstes Spiel als Aushilfskapitän durchaus anders vorgestellt aber manchmal gibt es so Tage, alles halb so wild“, schrieb die 22-Jährige auf Instagram, nachdem sie beim 3:1 in Polen mit einer Wadenverletzung und unter Tränen den Platz vorzeitig verlassen hatte. Oberdorf sorgte damit für ein Aufatmen im Umfeld des Nationalteams. Dennoch verabschiedeten sich die deutschen Fußballerinnen nach der vorzeitigen EM-Teilnahme mit gemischten Gefühlen in den Urlaub.
Oberdorf kehrte zu Untersuchungen zum VfL Wolfsburg zurück, wo sie noch bis Ende des Monats unter Vertrag steht. Eine genaue Diagnose steht noch aus. Die Vize-Europameisterin spielt in der neuen Saison für den FC Bayern München.
„Wegen eines schmerzhaften Schlags in die linke Wade“, wie der DFB mitteilte, war Oberdorf in ihrem 50. Länderspiel und ihrer ersten Partie als Kapitänin in der 37. Minute zunächst auf dem Rasen liegen geblieben. Gestützt von zwei Betreuern humpelte sie vom Platz, in die Kabine musste die 22-Jährige kurz darauf gar getragen werden.
Wenige Wochen vor den Olympischen Spielen wäre ein längerer Ausfall Oberdorfs ganz bitter für das deutsche Team gewesen. „Jetzt gucken wir. Ich hoffe, dass da nichts Gravierendes ist“, sagte Bundestrainer Hrubesch nach dem Abpfiff. Klar ist, dass Oberdorf im nächsten Qualifikationsspiel auf Island am 12. Juli aufgrund ihrer zweiten Gelben Karte fehlen wird.
Die Vize-Europameisterin hatte die Verwarnung für eben jene Grätsche erhalten, die das Wadenproblem mit sich brachte. „Unverständlich“, fand Hrubesch die Gelbe, „man konnte selbst von der Bank aus sehen, dass die Polin ihr wirklich oben auf den Fuß gestiefelt ist.“ Oberdorf war im vergangenen Jahr mit einer Oberschenkelverletzung zur WM nach Australien gereist und verpasste dort das erste Gruppenspiel.
Abgesehen von dem Bangen um die Mittelfeld-Abräumerin offenbarte die Partie in Polen wieder einmal Startschwierigkeiten und Abschlussschwächen. Ärgerlich fand Hrubesch auch die mangelhafte Chancenauswertung seiner Elf, die kollektive Schlafmützigkeit beim 0:1 durch Dominika Grabowska nach zwölf Minuten sowieso: „Wir haben wieder mitgeholfen bei dem Tor, was wir gekriegt haben am Anfang“, monierte er. Treffer von Lea Schüller (51. und 69. Minute) sowie Klara Bühl (77.) brachten erst nach der Pause die Wende.
DFB-Sportdirektorin Nia Künzer verband ihre Kritik mit einem Lob: „Das, was wir uns vorgenommen hatten, vielleicht nicht früh in Rückstand zu geraten, hat nicht funktioniert. Aber es ist wirklich eine Qualität, die die Mannschaft auszeichnet, immer wieder zurückzukommen, nicht aufzugeben.“
Zumal nach vier Siegen aus vier Quali-Spielen - darunter drei Erfolge nach Rückständen - das Ticket für das Turnier 2025 in der Schweiz gebucht ist. Das sei „wirklich ein Erfolg“, sagte Künzer: „Jetzt geht's wirklich darum, dass alle mal ein bisschen sich erholen können.“ Mit „einer gewissen Kopffrische“ wolle man in die letzte EM-Quali-Phase gehen, die jetzt voll als Olympia-Vorbereitung genutzt werden kann.
Diese beinhaltet die Spiele am 12. Juli auf Island sowie am 16. Juli in Hannover gegen Österreich. Für Hrubesch beginnt dann die heiße Phase vor dem Olympia-Start am 25. Juli gegen den WM-Vierten Australien. Die weiteren Vorrunden-Gegner sind Rekord-Weltmeister USA (28. Juli) und Sambia (31. Juli). Da lediglich zwei Torhüterinnen und 16 Feldspielerinnen im Kader stehen dürfen, drohen Härtefälle. „Ich darf nur 18 mitnehmen, das ist das große Problem“, erklärte Hrubesch nach dem Polen-Spiel.
Unter anderem die Torhüterinnen-Position scheint umkämpft, neben Merle Frohms - der etatmäßigen Nummer eins - hoffen auch Ann-Katrin Berger und Stina Johannes auf einen Olympia-Platz. Letztere feierte gegen Polen ihr Länderspiel-Debüt, die Frankfurterin war beim Gegentor machtlos und ansonsten unterbeschäftigt.
Hrubeschs Kommentar zu Johannes: „Ich weiß, dass ich gute Torhüter habe.“ Und grundsätzlich gelte: „Wir gehen von Spiel zu Spiel, Olympia ist noch ein bisschen weiter weg.“ Hrubesch empfiehlt zunächst Erholung: „Die Mädels müssen jetzt erst mal in Urlaub, damit sie mal die Beine auch hochlegen können, Fahrrad fahren oder schwimmen gehen oder sonstiges und sich auch erholen“, sagte der 73-Jährige.
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