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Veröffentlicht am 02.12.2021 08:47

Corona-Impfung für Kinder: Notwendig oder überflüssig?

Die EMA hat sich für die Zulassung des Biontech/Pfizer-Impfstoffes für Kinder ausgesprochen. Offiziell muss die EU-Kommission nun noch zustimmen. (Foto: David Young/dpa/dpa-tmn)
Die EMA hat sich für die Zulassung des Biontech/Pfizer-Impfstoffes für Kinder ausgesprochen. Offiziell muss die EU-Kommission nun noch zustimmen. (Foto: David Young/dpa/dpa-tmn)
Die EMA hat sich für die Zulassung des Biontech/Pfizer-Impfstoffes für Kinder ausgesprochen. Offiziell muss die EU-Kommission nun noch zustimmen. (Foto: David Young/dpa/dpa-tmn)

Bei weiter steigender Corona-Inzidenz in Deutschland rücken Impfungen für Kinder zwischen fünf und elf Jahren in greifbare Nähe. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hat grünes Licht für die Zulassung des Präparats von Biontech/Pfizer (Comirnaty) auch in der Altersgruppe gegeben. Offiziell muss die EU-Kommission noch zustimmen. Dazu Fragen und Antworten:

Ja, kleinere Kinder bekommen im Vergleich zur Altersgruppe ab 12 nur ein Drittel der Dosis gespritzt, also 10 statt 30 Mikrogramm. Ansonsten ist der Ablauf wie bei den Großen: Gegeben werden zwei Spritzen in den Oberarm und dies im Abstand von drei Wochen.

Eine im «New England Journal of Medicine» veröffentlichte Evaluation beurteilt die Studie von Biontech/Pfizer. Die Impfung sei sicher und effektiv, lautet das Fazit. Die Impfeffektivität wurde auf 90,7 Prozent beziffert: Drei der für die Studie geimpften Kinder erkrankten in der Beobachtungszeit an Covid-19 - in der Kontrollgruppe, die nur ein Placebo erhalten hatte, waren es 16. Insgesamt erhielten rund 1300 Kinder den Impfstoff.

Die Studienautoren sahen «ein günstiges Sicherheitsprofil» und «keine schweren impfbedingten Nebenwirkungen». Erfasst worden seien nur «milde und vorübergehende Reaktionen» wie Fieber, Schmerzen am Einstich, Müdigkeit oder Kopfschmerzen. Das Bild ist damit ähnlich wie bei älteren Geimpften. Die einzigen drei schwereren Schäden im Beobachtungszeitraum, wie etwa ein gebrochener Arm, standen nach Ansicht der Autoren nicht im Zusammenhang mit der Impfung. Herzmuskelentzündungen, wie sie nach Impfung einer großen Zahl von Kindern ab 12 Jahren vereinzelt vorkamen, wurden in dieser - recht kleinen - Probandengruppe nicht festgestellt.

Sie schließt aus den Daten, dass der Nutzen des Impfstoffs die Risiken überwiege, insbesondere bei Kindern mit Vorerkrankungen, die das Risiko für schwere Covid-19-Verläufe steigern. Die Entscheidung heißt nicht, dass nun auch die Impfung von Kindern empfohlen wird. Das sei Sache nationaler Regierungen beziehungsweise Gesundheitsbehörden, betont die EMA.

Viele Kinderärzte orientieren sich am Votum der Ständigen Impfkommission (Stiko), das zu dem Kinder-Impfstoff noch aussteht. «Wir plädieren dafür, zunächst abzuwarten, was die Stiko sagt», sagte der Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Jakob Maske. Er und auch andere Experten rechnen damit, dass es zunächst eine Stiko-Empfehlung für Kinder mit Vorerkrankungen und schwer kranken Angehörigen geben dürfte - und keine generelle Empfehlung. Dies bedeute aber ausdrücklich nicht, dass die Impfung nach ärztlicher Aufklärung und bei individuellem Wunsch und Risikoakzeptanz des Kindes oder der Sorgeberechtigten nicht möglich sei, betonte die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin am Donnerstag.

«Eine Zulassung ist etwas völlig anderes als eine Impf-Empfehlung», betonte Stiko-Mitglied Fred Zepp. Für die Zulassung müsse nachgewiesen werden, dass die Impfung eine schützende Antikörperantwort auslöst und dass sie bei den Probanden keine akuten unerwünschten Nebeneffekte hatte. «Was Sie in der Zulassungsstudie nicht sehen, sind Risiken, die seltener auftreten als es statistisch in einer so kleinen Gruppe zu erwarten ist.» Werden nur wenige Kinder geimpft, sind sehr seltene Nebenwirkungen nicht zu erkennen, die zum Beispiel nur in 10 von 100.000 Fällen auftreten. Der Stiko geht es auch darum, Daten zu seltenen Impfkomplikationen aus anderen Ländern zu bekommen. Das könnten etwa die USA, Kanada und Israel sein, wo die Kampagnen bereits gestartet sind.

Für gesunde Kinder ist es vergleichsweise gering. Sie infizierten sich zwar, aber dass sie schwer erkranken, sei die absolute Ausnahme, betonte Kinderärzte-Sprecher Maske. Die Nutzen-Risiken-Abwägung beim Impfstoff müsse bei Kindern daher eine andere sein als bei Erwachsenen: «Weil das Risiko sehr klein ist, muss der Nutzen sehr groß sein.» Daher müssten für mögliche Nebenwirkungen noch viel strengere Kriterien gelten. «Wenn die Krankheitslast sehr gering ist, muss die Impfung noch viel sicherer sein.»

Das Gremium will ihre Empfehlung vor Jahresende abgeben, «möglichst bis zum Start der Auslieferung des Kinder-Impfstoffs an die Länder», wie der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens kürzlich sagte. Diese hatte der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für den 20. Dezember angekündigt. In einer ersten Lieferung sollen dann 2,4 Millionen Dosen des Vakzins zur Verfügung gestellt werden.

Ja, das ist möglich und passiert auch bereits, aber vermutlich eher selten. «Das ist eine freie ärztliche Entscheidung», sagte Maske. Der Fachbegriff dafür lautet Off-Label-Use. Der schon verfügbare Impfstoff wird dafür vom Arzt so portioniert wie in der Zulassungsstudie vorgesehen. Die EMA-Entscheidung ändere an dem Off-Label-Status nichts, sagte Maske. Er erwartet daher nicht, dass Ärzte dies nun breit anbieten - vielmehr werde man abwarten, bis der spezielle Kinder-Impfstoff vor Weihnachten ausgeliefert wird. «Wir rechnen auch nicht damit, dass es jetzt einen riesigen Run auf die Praxen geben wird.»

Es gibt eine Reihe von Eltern, die ihre Kinder dringend impfen lassen wollen. Dafür gibt es mehrere Gründe: etwa eigene Vorerkrankungen oder Vorerkrankungen des Kindes, Sorge vor den möglichen Folgen einer Corona-Infektion oder der Wunsch, den Kindern ein weitgehend normales Schul- und Sozialleben zu ermöglichen. Manche Eltern suchen im privaten Umfeld nach Ärzten, die zur Off-Label-Impfung bereit sind. Im Internet bietet eine ehrenamtliche Initiative Eltern die Vermittlung impfwilliger Ärzte an.

Daneben gibt es auch Eltern, die eine Impfung für ihre Kinder grundsätzlich ablehnen. Etwa, weil sie mögliche Risiken der Impfung scheuen oder eine Covid-Erkrankung bei Kindern als harmlos erachten. Gibt es zwischen Eltern Uneinigkeit hinsichtlich der Impfung, können sie sich etwa beim Jugendamt beraten lassen. Grundsätzlich ist es auch möglich, eine gerichtliche Entscheidung zu erwirken

Das ist fraglich - auch wenn die Impfquote in Deutschland damit weiter steigen dürfte. Man dürfe nicht vergessen, dass ein großer Teil des Problems ungeimpfte Erwachsene seien, sagte Stiko-Mitglied Zepp. «Wir müssen aufpassen, dass wir nicht wieder eine Stellvertreter-Diskussion zum Nachteil von Kindern haben. Die wichtigste Maßnahme zur Überwindung der Pandemie bleibt unverändert, möglichst viele, am besten alle Erwachsenen durch Impfung zu schützen.» Denn gerade ältere ungeimpfte Menschen haben im Fall einer Infektion ein höheres Risiko, ein Intensivbett zu brauchen - allein in der Gruppe ab 60 Jahren sind das noch über drei Millionen.

StudieWebsite der U12-ImpfinitiativeEMA-Mitteilung

© dpa-infocom, dpa:211125-99-140470/4

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