Als Tiger Woods vielleicht zum letzten Mal auf dem altehrwürdigen Old Course in St. Andrews zum 18. Grün lief und die Fans auf den Tribünen sich erhoben und tosenden Beifall spendeten, versteckte der sichtlich ergriffene Golf-Superstar sein Gesicht hinter den Händen.
„Ich hatte ein paar Tränen in den Augen und ich bin nicht jemand, der sehr oft wegen irgendetwas in Tränen ausbricht“, sagte Woods. „Es war sehr emotional für mich, weil ich einfach nicht weiß, wie es mit meiner Gesundheit weitergeht.“
Auf seinem Lieblingsplatz an der schottischen Ostküste wollte der 46-jährige Kalifornier nach seinem Comeback weiter angreifen. Doch schon nach zwei Tagen scheiterte der Publikumsliebling am Cut und schied bei der 150. British Open vorzeitig aus, während der Australier Cameron Smith mit insgesamt 13 Schlägen unter Par die Führung vor dem Amerikaner Cameron Young (-11) und den schlaggleichen Rory McIlroy aus Nordirland und Viktor Hovland aus Norwegen (-10) übernahm.
Im Gegensatz zur schwachen 78er-Auftaktrunde konnte sich der US-Star zwar leicht steigern, doch auch am Freitag reichte es nur zu einer mäßigen 75er-Runde beim vierten und letzten Majorturnier des Jahres. Der 15-malige Majorsieger spielte am zweiten Tag der Jubiläumsausgabe des Turniers nur ein Birdie, leistete sich aber zwei einfache Schlagverluste und ein Doppel-Bogey. Damit lag Woods neun Schläge über Par und vorerst auf dem 150. Rang. Mit dem Kampf um den 2,5 Millionen US-Dollar wertvollen Siegerscheck hatte er auf dem Par-72-Platz absolut nichts zu tun.
„Ich bin ein bisschen genervt, dass ich am Wochenende nicht spielen werde. Ich wünschte, ich hätte besser gespielt. Ich habe hart gekämpft“, meinte Woods, für den der Weg zurück in die Weltspitze deutlich beschwerlicher ist als von ihm erhofft.
Für den dreimaligen British-Open-Sieger war die mit 14 Millionen Dollar dotierte Veranstaltung im selbst ernannten „Home of Golf“ erst das dritte PGA-Turnier seit seinem schweren Autounfall im Februar 2021, bei dem er sich sein rechtes Bein mehrfach gebrochen hatte. Nach seinem Comeback beim Masters im April musste er bei der PGA Championship im Mai in Tulsa zum ersten Mal in seiner Profi-Karriere bei einem Majorturnier aufgeben. Die Schmerzen im Bein waren zu stark. Die US Open im Juni ließ er anschließend aus.
Doch auch in der rauen Dünenlandschaft des ältesten Golfplatzes der Welt waren die Folgen des schweren Unfalls noch zu sehen: Das leichte Hinken wurde bei Woods im Laufe der zweiten Runde immer auffälliger. Gelegentlich kniff er die Augen zusammen.
Möglicherweise war es der letzte Auftritt auf seinem Lieblingskurs - die Spielorte der British Open rotieren jährlich. „Ich fühle mich fit genug, weitere British Open zu spielen. Aber ich weiß nicht, ob ich so lange spiele, dass ich hierhin noch mal zurückkomme“, sagte Woods, der 1995 als Amateur zum ersten Mal die Open in St. Andrews spielte. Später holte er dort zwei (2000, 2005) seiner insgesamt drei British-Open-Titel (auch 2006).
Trotz aller Widrigkeiten: An ein Karriereende denkt der ehemalige Weltranglistenerste noch nicht. „Ich werde nicht mit dem Spiel aufhören“, erklärte Woods, kündigte aber zugleich eine Pause an: „Ich habe nichts, nichts geplant. Null. Vielleicht etwas im nächsten Jahr. Ich weiß es nicht. Aber nichts in naher Zukunft.“
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