So trist und steril wie bei der Corona-WM vor zwei Jahren in Oberstdorf wird es im wintersportverrückten Slowenien gewiss nicht mehr. Zehntausende Fans werden im malerischen Tal von Planica an den Schanzen und Loipen bei teilweise frühlingshaften Temperaturen und reichlich Sonnenschein erwartet.
Für das deutsche Team geht es nach glorreichen Weltmeisterschaften voller Erfolge und Medaillen im Skispringen und in der Nordischen Kombination um die große Frage: Sind die goldenen Jahre vorerst vorbei? Oder können die Titelkämpfe von Falun 2015 (fünfmal Gold), Lahti 2017 und Seefeld 2019 (jeweils sechs Titel) wiederholt werden?
Trugen in der jüngeren Vergangenheit hauptsächlich die Männer um das Skisprung-Zimmer Karl Geiger und Markus Eisenbichler sowie Kombinierer Eric Frenzel einen Großteil der Medaillen bei, könnte sich dieses Bild in Slowenien drehen. Denn: Als aussichtsreichste Kandidatinnen auf Gold, Silber und Bronze gelten Springerin Katharina Althaus und die Kombiniererinnen-Entdeckung Nathalie Armbruster, die mit 17 Jahren nach den höchsten Zielen bei dem Großereignis greift. „Ich hätte niemals gedacht, dass die Saison so laufen könnte. Damit hätte ich in keinster Weise gerechnet“, sagte Armbruster über ihre Saison mit acht Podestplätzen.
Vor zwei Jahren in Oberstdorf bewahrten die Skispringer das deutsche Team vor einer WM ohne Titel. Das Männer-Quartett sowie das Mixed wurden Weltmeister, jeweils angeführt von Geiger und Eisenbichler. In diesem Jahr dürfte eher der wiedererstarkte Olympiasieger Andreas Wellinger die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wellinger beendete zuletzt eine mehr als fünfjährige Siegflaute, als er in Lake Placid und Rasnov die Einzelspringen für sich entschied. „Ich habe das Gefühl, dass er die Führung in der Mannschaft übernommen hat. Er ist momentan unser aussichtsreichster Sportler“, sagte Bundestrainer Stefan Horngacher.
Bei zwei Einzeln, dem Team und dem Mixed ist Wellinger somit ein Anwärter für vier Medaillen, wie sie Teamkollege Geiger im Frühjahr 2021 in seiner Allgäuer Heimat bravourös einfuhr. Wellinger hat seit seinem Olympiasieg in Pyeongchang Großereignis um Großereignis verpatzt. Mal stimmte die Form nicht, mal war er verletzt, mal wurde er zum falschen Zeitpunkt krank.
„Die letzten Jahre ist es unglücklich gelaufen, das kann man so sagen. Die Ausgangssituation ist diesmal deutlich besser“, sagte Wellinger der Deutschen Presse-Agentur vor den Titelkämpfen von Planica, die am 5. März mit dem 50-Kilometer-Langlauf der Männer beendet werden. Zwar sei er als Person gereift, doch im Team hat sich nicht viel verändert. „Ich würde aber sagen, dass ich in meiner Rolle der gleiche Hampelmann bin, der ich immer war.“
Die größten Widersacher kommen im Prinzip in jeder Sportart aus Norwegen. Johannes Hoesflot Klaebo (Langlauf), Dauersiegerin Gyda Westvold Hansen, Jarl Magnus Riiber (beide Kombination) sowie der Skispringer Halvor Egner Granerud könnten mit multiplen Chancen auf Gold zu den Stars der WM 2023 werden. Für das deutsche Team werden Medaillen oft der Maßstab sein. Kombinierer-Bundestrainer Hermann Weinbuch hofft vor seiner wohl letzten WM auf dreimal Edelmetall in vier Wettbewerben. Auch im Skispringen soll - wie bei den vergangenen Weltmeisterschaften - trotz des schwachen Saisonverlaufs mit miserabler Vierschanzentournee etwas drin sein.
Mit Spannung erwartet wird das Abschneiden des deutschen Langlauf-Teams. Bei Olympia in Peking gab es sensationell Teamsprint-Gold und Staffel-Silber für die Frauen um Katharina Hennig und Victoria Carl. Teamchef Peter Schlickenrieder rechnet nicht damit, dass sich dieser Coup in Planica erneut ereignet. „So etwas passiert in einem Leben einmal oder vielleicht zweimal, dann ist das Glück auf dieser Welt verbraucht“, sagte Schlickenrieder. Schon bei einer Medaille wäre es für ihn „eine sehr gute WM“. Der Fokus liege wie immer auf den Staffeln, fügte der Olympia-Silbergewinner von 2002 an.
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