Er hätte das nie öffentlich gesagt, aber in den vergangenen Monaten ging es Christoph Daum alles andere als gut. Es gab Nächte, in denen er kaum einschlafen konnte. Tage, an denen ihm die Kraft für die einfachsten Dinge fehlte. Die Chemotherapien saugten dem früheren Meistertrainer Stück für Stück die - doch nur scheinbar grenzenlose - Energie aus dem Körper.
Trotzdem stellte er sich immer wieder vor jedes Mikrofon und sagte sinngemäß: „Ich kämpfe weiter.“ Bis zuletzt. Am Samstag starb der einstige Lautsprecher der Fußball-Bundesliga „infolge seiner schweren Krebserkrankung friedlich im Kreise seiner Familie“, wie diese der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Daum wurde 70 Jahre alt.
„Der Verlust meines Freundes Christoph Daum hinterlässt mich tieftraurig“, sagte sein langjähriger Wegbegleiter, der frühere Leverkusen-Manager Reiner Calmund, der dpa. Ergriffen erzählte Calmund von einer letzten gemeinsamen Kreuzfahrt im Sommer. „Ach, Calli“, habe Daum irgendwann geseufzt, „wir würden besser bis zum Schluss auf dem Schiff bleiben, bis es zu Ende geht“. Daum lebe „in den Erinnerungen der Menschen weiter“, sagte Calmund.
Seit dem Herbst 2022 hatte Daum gegen den Lungenkrebs gekämpft. Erst zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück, kurz darauf kam der alte Daum wieder ans Licht: Er gab Interview um Interview, setzte sich in Talkshows oder tauchte in Podcasts auf. „Der Krebs hat sich den falschen Körper ausgesucht“, lautete seine Kernbotschaft. Mit seinem Kampfgeist wollte Daum anderen Menschen Mut machen.
Die Auseinandersetzung mit dem Krebs stand sinnbildlich für sein ganzes Leben. Schon als Kind legte er sich mit Mitschülern an, die eigentlich viel größer und kräftiger waren. Als junger und noch unbekannter Trainer des 1. FC Köln richtete er völlig überraschend eine Kampfansage an den großen FC Bayern und dessen Manager Uli Hoeneß - und stürzte den Bundesliga-Dominator fast sogar. Auch in seinem späteren Leben war Daum keine Herausforderung zu groß.
Doch je höher er strebte, desto tiefer stürzte er auch ab. Kurz nach seiner ersten Bundesliga-Meisterschaft mit dem VfB Stuttgart 1992 verspielte er durch einen Wechselfehler die Qualifikation für die Champions League. Als bis heute einer der besten Trainer der Vereinsgeschichte von Bayer Leverkusen verhinderte die legendäre Kokain-Affäre 2000 sein eigentlich schon sicheres Engagement als Bundestrainer.
Aber Daum kam zurück. Immer wieder. Er gewann weitere Titel in Österreich und der Türkei, führte den 1. FC Köln zurück in die Bundesliga und hielt ihn dort. Und immer wieder sagte er während seines bewegten Lebens diese Sätze: „Du kannst hinfallen. Es ist auch nicht entscheidend, wie oft du hinfällst. Du musst nur immer wieder aufstehen.“ Erst der Krebs hinderte ihn daran, stehenzubleiben.
Dabei hatten sich bis zuletzt seine Weggefährten beeindruckt von Daums Kampfgeist gezeigt. Noch im Oktober 2023 hatte er mit vielen von ihnen auf der Feier zu seinem 70. Geburtstag in einem Kölner Restaurant zur Musik der „Höhner“ geschunkelt. Mit dabei waren unter anderem der ehemalige Weltklassespieler Michael Ballack oder DFB-Sportdirektor Rudi Völler. Schon damals war Daums Körper vom Krebs gezeichnet. Gejammert hat er deswegen nie.
Es sei „unglaublich, wie Christoph seine Popularität nutzt, um auf seine schwere Krankheit hinzuweisen und versucht, Menschen mit dem gleichen Schicksal ein bisschen Hoffnung zu geben“, sagte etwa Völler, der einst als Sportdirektor in Leverkusen mit dem Trainer Daum zusammengearbeitet hatte. Sein ehemaliger Spieler Ballack betonte, Daum sei „auch in dieser schweren Zeit ein Vorbild für viele Menschen“.
Der Krebs veränderte in den Augen vieler Menschen auch das Bild, das sie bis dahin von Daum hatten. Aufgrund seiner Biografie wurde Daum davor entweder verehrt oder verachtet, etwas dazwischen gab es kaum. Sein Umgang mit der Krankheit brachte ihm Sympathien über die Grenzen des Sports hinaus ein. Selbst sein einstiger Dauerfeind Hoeneß versöhnte sich öffentlich mit Daum und zeigte sich im Rahmen einer TV-Dokumentation gemeinsam mit ihm vor der Kamera.
Und egal, wie man Daum nun in Erinnerung behält: Als Sprücheklopfer, Provokateur, Motivationskünstler, Messias, Fast-Bundestrainer oder Dauer-Vizemeister mit Leverkusen - langweilig wurde es mit ihm nie. „Andere erziehen ihre Kinder zweisprachig, ich beidfüßig“, sagte er mal. Oder: „Der Unterschied zwischen gut und spitze ist oft nur eine Fußspitze.“ Es sind nicht nur solche Sätze, die dem deutschen Fußball in Zukunft fehlen werden.
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