Alexander Zverev hob den Schläger in die Höhe und lächelte zufrieden. Der deutsche Tennisstar hat seinen Halbfinal-Fluch bei den French Open besiegt und im vierten Anlauf zum ersten Mal das Finale in Paris erreicht. Der 27-Jährige setzte sich gegen den Norweger Casper Ruud mit 2:6, 6:2, 6:4, 6:2 durch und ist damit nur noch einen Sieg von seinem ersehnten ersten Grand-Slam-Titel entfernt.
„Wenn nicht jetzt, wann denn?“, sagte der Olympiasieger im Interview auf dem Court Philippe Chatrier lächelnd: „Ich bin extrem glücklich, endlich im Finale zu sein. Ich werde am Sonntag alles geben.“ Statt der Hand gab er Ruud, der offenbar von Magenproblemen geplagt war, am Netz nur die Faust.
Im Finale am Sonntag fordert der Hamburger den Spanier Carlos Alcaraz (21) heraus, der zuvor im Duell der Jungstars mit Jannik Sinner (22) mit 2:6, 6:3, 3:6, 6:4, 6:3 gewonnen hatte und ebenfalls erstmals im Endspiel von Roland Garros steht. Zverev nutzte nach 2:35 Stunden seinen ersten Matchball. Vor der Partie war in Berlin der Prozess gegen ihn wegen des Vorwurfs der Körperverletzung ohne Urteil beendet worden.
Für den Olympiasieger ist es das insgesamt zweite Grand-Slam-Finale, 2020 hatte er bei den US Open den großen Coup gegen den Österreicher Dominic Thiem knapp verpasst. Bei den French Open ist er der erst zweite deutsche Spieler nach Michael Stich vor 28 Jahren, der im finalen Duell um den Coupe des Mousquetaires kämpft.
Ruud, der im Viertelfinale von der verletzungsbedingten Absage des Titelverteidigers Novak Djokovic profitiert hatte, wirkte zunächst ausgeruhter und konzentrierter. Zverev gab gleich sein erstes Aufschlagspiel zu Null ab und fand anfangs kein Mittel gegen das variantenreiche Spiel seines Gegners.
Ab dem zweiten Satz fand Zverev aber zu seinem Rhythmus, seine Schläge wurden druckvoller und auch sein erster Aufschlag kam konstanter. Ruud geriet verstärkt unter Druck und machte Fehler. Körperlich schien der Weltranglisten-Siebte zudem angeschlagen, mehrmals krümmte er sich nach den Ballwechseln.
Eine für ihn positive Nachricht hatte Zverev schon vor dem ersten Aufschlag aus der Heimat erhalten: Der Prozess gegen ihn wurde ohne Urteil beendet worden. Das Berliner Amtsgericht Tiergarten stellte das Verfahren gegen eine Geldauflage von 200.000 Euro ein. Eine Verurteilung gab es nicht. Mit der Zustimmung zur Zahlung einer Geldauflage ist kein Schuldeingeständnis verbunden. Zverev gilt weiterhin als unschuldig.
Alcaraz stellte mit seinem Prestigesieg gegen die künftige Nummer 1 der Weltrangliste auch einen Altersrekord auf: Er ist der jüngste Spieler der Profi-Ära, der auf allen drei Belägen Sand, Rasen und Hartplatz ein Grand-Slam-Finale erreicht hat. Bei seinen bisherigen Endspielen bei den US Open 2022 und in Wimbledon 2023 hat er jeweils gewonnen.
„Es war eines der härtesten Matches, das ich je gespielt habe“, sagte Alcaraz, der ebenso wie sein Gegner von Krämpfen geplagt war: „Man muss die Freude am Leiden finden. Ich denke, das ist der Schlüssel, vor allem hier auf Sand in Roland Garros.“
Bei den Frauen bestreiten am Samstag die polnische Weltranglistenerste Iga Swiatek und Außenseiterin Jasmine Paolini aus Italien das Finale. Paolini kann in Paris auch noch einen Zweifach-Triumph feiern, nachdem sie am Freitag im Doppel mit Sara Errani durch ein 1:6, 6:4, 6:1 gegen Marta Kostjuk aus der Ukraine und Elena-Gabriela Ruse aus Rumänien ins Finale einzog. Dort warten Coco Gauff aus den USA und Katerina Siniakova aus Tschechien als Gegnerinnen.
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