Handelskonflikte und ein schwacher Konsum setzen der deutschen Wirtschaft deutlich stärker zu als bisher angenommen. Sowohl das Ifo-Institut als auch der Industrieländer-Zusammenschluss OECD senkten ihre Prognosen deutlich und wiesen auf eine Vielzahl von Unsicherheiten hin. Die deutsche Konjunktur folgt damit dem Trend der Weltwirtschaft - allerdings von einem Niveau, das so niedrig ist wie in kaum einer anderen Industrienation. Auch Verbraucherinnen und Verbraucher dürften das bald zu spüren bekommen.
Das Ifo-Institut senkte seine Prognose für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft im laufenden Jahr auf ein Wachstum von 0,2 Prozent. Im Winter waren die Münchner Wirtschaftsforscher noch von 0,4 Prozent ausgegangen.
Der Rückzug der USA aus Europa und ihr Protektionismus bedeuteten, dass Deutschland „erheblich ärmer“ sei, als es das sonst wäre, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. „Das bedeutet, dass uns nichts davor bewahren kann, entweder den Gürtel enger zu schnallen oder mehr zu leisten.“ Nur mit Schulden lasse sich das Problem jedenfalls nicht aus der Welt schaffen.
Erst 2026 sehen die Ifo-Experten mit 0,8 Prozent wieder etwas mehr Wachstumspotenzial. Alle Ifo-Werte beziehen sich auf das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt.
Im Tableau der OECD-Nationen steht Deutschland derweil auf dem vorletzten Platz. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) dampfte Deutschlands Prognose für 2025 wie bereits im Dezember deutlich ein: Statt um 0,7 Prozent dürfte die Wirtschaftsleistung lediglich um 0,4 Prozent zulegen. Schwächer steht lediglich Mexiko da, das von US-Präsident Donald Trumps Zollstreit in voller Härte getroffen wird.
Die OECD sehen aber nicht nur Deutschland unter Druck, sondern die gesamte Weltwirtschaft. Durch Handelskriege und geopolitischen Konflikte ergebe sich ein Klima, in dem Unternehmen weniger investieren und Verbraucherinnen und Verbraucher ihr Geld zusammenhalten. Somit kommt der Konsum nicht in Gang, obwohl die Kaufkraft in vielen Ländern wieder gestiegen ist.
Unter diesem Eindruck senkten die Fachleute der OECD ihre Erwartungen für die weltweite Wirtschaftsleistung in diesem und im kommenden Jahr. Besonders hart dürfte es 2025 Mexiko und Kanada treffen. Im kommenden Jahr gehören auch die USA zu den Ländern mit den stärksten Verlusten. In Deutschland hingegen zeigt der Pfeil im kommenden Jahr nach oben: Die OECD erwartet ein Wachstum von 1,1 Prozent.
Die Zölle drücken nicht nur das Wachstum, sie treiben auch die Preise an. Zwar dürfte die Inflation in den meisten Ländern erneut etwas nachlassen. Für Deutschland rechnen die Fachleute im laufenden Jahr aber mit einer Teuerung von 2,4 Prozent - fast auf dem Niveau des Vorjahres. Im Dezember waren sie noch von 2,0 Prozent ausgegangen.
Hierzulande deuteten Indikatoren auf eine Aufwärtsdynamik besonders bei den Dienstleistungen hin, dazu zählen etwa das Friseurhandwerk und Kfz-Werkstätten. In diesem Bereich können vor allem Lohnabschlüsse die Inflation befeuern.
Die Zahlen der OECD preisen von den USA angekündigte Zölle gegen Kanada und Mexiko sowie mögliche Gegenmaßnahmen ein. Folglich könnten die Prognosen deutlich besser ausfallen, sollte im Zollstreit eine Einigung gelingen. In einer Modellrechnung der OECD mit leichteren Handelsbeschränkungen zeigte sich, dass vor allem Kanada, Mexiko und die USA profitieren würden, allerdings auch die G20-Nationen.
Zur Situation in Deutschland forderte Fuest etwa, den Trend zu immer mehr Teilzeitarbeit zu stoppen - auch durch bessere Kinderbetreuung. Zudem müsse es sich lohnen, mehr zu arbeiten.
Wie Ifo-Experte Timo Wollmershäuser erklärte, klammern die Zahlen des Ifo derzeit noch die Pläne der voraussichtlich künftigen Bundesregierung aus. Sie will hunderte Milliarden in Rüstung und Infrastruktur investieren. Sollte das gut umgesetzt werden, gebe es deutliches Potenzial nach oben, sagte Wollmershäuser.
DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov sagte, das Milliardenpaket könne nur fruchten, wenn gleichzeitig strukturelle Reformen angegangen würden. „Verfahren vereinfachen und beschleunigen, Steuern und Kosten für wirtschaftliches Handeln in unserem Land reduzieren und die Verwaltungen effizienter machen.“ Derlei Impulse müsse eine neue Regierung setzen. „Wieder oben mitzuspielen, auch im OECD-Ranking, das sollte unser Anspruch sein.“
© dpa-infocom, dpa:250317-930-405968/3