Der russische Angriff auf die Ukraine und die Unsicherheit über den außenpolitischen Kurs von US-Präsident Donald Trump haben die Staaten Europas kräftig aufrüsten lassen. Entgegen dem weltweiten Trend nahmen die europäischen Importe schwerer Rüstungsgüter wie Kampfjets, Panzer und U-Boote im Vergleich der vergangenen beiden Fünfjahreszeiträume um satte 155 Prozent zu, wie aus einem neuen Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri hervorgeht. Das globale Volumen solcher Rüstungseinfuhren sank im Gegensatz dazu minimal um 0,6 Prozent.
„Die neuen Waffentransferzahlen spiegeln deutlich die Aufrüstung wider, die als Reaktion auf die Bedrohung durch Russland unter Staaten in Europa stattfindet“, erklärte der Sipri-Programmdirektor Mathew George. Dass das weltweite Volumen relativ unverändert blieb, hängt demnach damit zusammen, dass manche große Rüstungsimporteure wie Saudi-Arabien, Indien und China aus verschiedenen Gründen deutliche Importrückgänge verzeichneten - trotz auch der in ihren Regionen wahrgenommenen hohen Bedrohungslage.
Die Sipri-Daten beziehen sich auf das Volumen von Rüstungslieferungen, nicht auf deren finanziellen Wert. Da dieses Volumen von Jahr zu Jahr je nach Auftragslage stark schwanken kann und es den Friedensforschern in ihren Berichten um langfristige Trends geht, vergleichen sie Fünfjahreszeiträume statt Einzeljahre, diesmal also die Jahre 2020-2024 mit 2015-2019.
Wie stark der Ukraine-Krieg den Rüstungshandel in den vergangenen Jahren beeinflusst hat, zeigen unter anderem zwei Zahlen mit großer Aussagekraft:
Europas Importsprung hat jedoch nicht nur mit der Ukraine zu tun, sondern auch mit politischen Kurswechseln in den USA: Schon in seiner ersten Amtszeit (2017-2021) hat US-Präsident Trump von den europäischen Nato-Partnern gefordert, ihre Verteidigungsausgaben drastisch zu erhöhen. Viele Europäer haben dem Folge geleistet, wie auch die Sipri-Zahlen untermauern: Die europäischen Nato-Länder haben ihre Rüstungseinfuhren demnach insgesamt mehr als verdoppelt (plus 105 Prozent).
Die transatlantischen Beziehungen haben sich seit Trumps erneutem Wahlsieg Ende 2024 dennoch weiter verschlechtert. Beim Rüstungshandel bleibt Europa zugleich stark von den USA abhängig: 64 Prozent der Einfuhren der europäischen Nato-Länder stammten in den vergangenen fünf Jahren aus den USA - und da kommt noch mehr: Laut Sipri haben die Europäer bis Ende 2024 allein 472 Kampfjets und 150 Kampfhubschrauber aus den Vereinigten Staaten bestellt, deren Lieferung noch aussteht.
Die Friedensforscher sehen aber auch Anzeichen dafür, dass sich Europa aus diesem Abhängigkeitsverhältnis befreien will: „Angesichts eines zunehmend kriegerischen Russlands und belasteter transatlantischer Beziehungen während der ersten Trump-Präsidentschaft haben die europäischen Nato-Staaten Schritte unternommen, um ihre Abhängigkeit von Rüstungsimporten zu verringern und die europäische Rüstungsindustrie zu stärken“, sagte Sipri-Forscher Pieter Wezeman. Einfach wird das nicht: „Das transatlantische Waffenlieferungsverhältnis hat tiefe Wurzeln“, stellte der Experte fest.
Bis auf weiteres bleiben die USA auf dem Rüstungsmarkt allein schon wegen ihrer Führungsrolle bei der Produktion von Kampfflugzeugen der absolute Platzhirsch: Zwischen 2020 und 2024 exportierten sie Rüstungsgüter in 107 Staaten, wobei sie ihre Waffenausfuhren um 21 Prozent weiter erhöhen und ihren weltweiten Exportanteil von 35 auf nunmehr 43 Prozent steigern konnten. Dahinter folgen - weit abgeschlagen - Frankreich (9,6 Prozent), Russland (7,8), China (5,9) und Deutschland (5,6).
Während andere große EU-Staaten wie Frankreich, Italien, Spanien und Polen ihre Anteile an den globalen Exporten teils kräftig steigern konnten, nahm der Anteil Deutschlands im Fünfjahresvergleich um 2,6 Prozent ab. Jeweils etwas mehr als ein Drittel der deutschen Waffenlieferungen ging dabei an Staaten im Nahen Osten - dort vor allem an Ägypten und Israel - sowie an europäische Länder, darunter in erster Linie die Ukraine.
„Schmerzhaft klar wird bei den Zahlen, wie dringend nötig ein restriktives deutsches Rüstungsexportkontrollgesetz ist, das die Ampel-Koalition zwar versprochen, aber nicht geliefert hat“, erklärte der Abrüstungsexperte der Friedensorganisation Greenpeace, Alexander Lurz. Er monierte, dass ein großer Teil der deutschen Waffen in die Krisenregion Nahost geliefert werde. „Deutschland ist weiterhin der fünftgrößte Waffenexporteur weltweit, wobei die Verkäufe eben nicht nur in Demokratien und angegriffene Staaten, sondern auch an Autokratien gehen.“
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