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Veröffentlicht am 15.01.2025 00:07

Gestresst! Wie können mir Entspannungsverfahren helfen?

Ich nehm' mir Zeit für mich! Autogenes Training kann helfen, Stress abzubauen und Körper und Geist zu entspannen. (Foto: Rafael Fernandez Torres/Westend61/dpa-tmn)
Ich nehm' mir Zeit für mich! Autogenes Training kann helfen, Stress abzubauen und Körper und Geist zu entspannen. (Foto: Rafael Fernandez Torres/Westend61/dpa-tmn)
Ich nehm' mir Zeit für mich! Autogenes Training kann helfen, Stress abzubauen und Körper und Geist zu entspannen. (Foto: Rafael Fernandez Torres/Westend61/dpa-tmn)

Hektik, Anspannung, Stress: Sie gehören für viele zum Alltag - auf Dauer eine Gefahr für die Gesundheit. Grund genug, immer wieder Phasen der Entspannung ins Leben einzuplanen. 

Ein Rat, den man in diesem Zusammenhang häufig liest: Entspannungsverfahren wie Autogenes Training (AT) oder Progressive Muskelentspannung (PR oder PMR) einbauen. Doch was genau verbirgt sich dahinter und wie kann man es lernen? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Warum überhaupt sollte man bei Stress gegensteuern?

Weil der Körper unter Stress Botenstoffe wie Adrenalin und Cortisol ausschüttet. So wappnet er sich gegen Gefahren: Das Herz schlägt dann schneller, der Blutdruck steigt und die Muskeln sind angespannt. 

Früher half diese Stressreaktion, vor gefährlichen Tieren zu flüchten. Heute reagieren wir so auch auf endlos lange To-do-Listen, ungemütliche Mails oder unzufriedene Vorgesetzte. Weglaufen zwecklos, aber immerhin besteht keine Lebensgefahr.

Ab und an ist Stress kein Problem. Aber auf Dauer kann er körperlich und seelisch schaden: Verspannungen, Schlafstörungen oder psychische Erkrankungen sind mögliche Folgen. Dem entgegenzuwirken ist deshalb mehr als ratsam.

Was sind Autogenes Training und Progressive Muskelentspannung?

Beide Verfahren wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Medizinern entwickelt. Es handelt sich sowohl beim Autogenen Training als auch bei der Progressiven Muskelentspannung um systematische Entspannungsverfahren. Ihre Wirksamkeit wurde sowohl für Erwachsene als auch für Kinder international häufig untersucht, wie der Diplom-Psychologe Björn Husmann von der Deutschen Gesellschaft für Entspannungsverfahren (DG-E) sagt. 

„In vielen Studien wurde das große Gesundheitspotenzial beider Verfahren im Bereich Prävention, als effektiver Baustein bei der Therapie vieler psychischer und körperlicher Erkrankungen sowie innerhalb der Rehabilitation wissenschaftlich gut belegt“, sagt der Experte. Beide Verfahren haben dabei gemeinsam, dass sie die natürlichen Entspannungsreaktionen von Körper und Psyche anregen.

Wie funktioniert Autogenes Training?

Autogenes Training basiert auf dem Prinzip der Selbstbeeinflussung: „Man suggeriert dem Körper durch die Vorstellung eine Empfindung“, erklärt Simone Sachenbacher. Sie ist leitende Psychologin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der LMU München. 

Wer sich intensiv vorstelle, in eine Zitrone zu beißen, der spüre die Säure meist auf der Zunge, verziehe vielleicht das Gesicht oder bekomme eine Gänsehaut. „So funktioniert auch das Autogene Training.“ 

Nur stellt man sich keine saure Zitrone vor, sondern dass man ganz ruhig ist. So wandert man - sitzend oder liegend - mit der Aufmerksamkeit durch den Körper und stellt sich vor, dass Bereiche wie die Arme, Beine und der Rumpf schwer und warm werden. „So tritt beim Autogenen Training Entspannung ein“, sagt Sachenbacher. 

Wie funktioniert Progressive Muskelentspannung?

Bei der Progressiven Muskelentspannung entsteht die Entspannung durch Anspannung oder „Entspannung durch aktives Tun“, wie Simone Sachenbacher sagt. 

Auch hier geht man einzelne Regionen des Körpers nacheinander durch: Linker Arm, rechter Arm, linkes Bein, rechtes Bein, Nacken und so weiter werden für jeweils 10 Sekunden stark angespannt und dann etwa 30 Sekunden bewusst entspannt. Es gilt, den Unterschied bewusst wahrzunehmen und so zu entspannen.

Wer kann die Entspannungsverfahren lernen?

Grundsätzlich jede und jeder. „Beide Verfahren werden schrittweise am besten in einem Kurs erlernt“, rät Björn Husmann. Ist die Kursleiterin oder der Kursleiter entsprechend qualifiziert und zugelassen, beteiligt sich die Krankenkasse an den Kosten dafür oder übernimmt sie sogar komplett. 

Neben dem Kurs ist es wichtig, zu Hause zu üben. Dafür braucht man nicht viel: einen bequemen Platz, etwas Ruhe und regelmäßig ein bisschen Zeit. Husmann empfiehlt zu Beginn zwei- bis dreimal täglich jeweils drei bis fünf Minuten zu üben. Der Experte findet dabei: Weder Autogenes Training noch die Progressive Muskelentspannung sind Raketenwissenschaften und für Menschen ohne größere körperliche oder psychische Symptome problemlos zu lernen. 

Wie schaffe ich es, am Ball zu bleiben?

Da gibt es ein paar Tricks: sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, warum man das Ganze macht. Und: Verbindlichkeit schaffen, rät Simone Sachenbacher. Entweder man stellt sich einen Handywecker als Erinnerung oder holt die Partnerin oder einen Freund ins Boot. Feste Verabredungen helfen beim Durchhalten. 

Ebenfalls sinnvoll sei es, das Üben als festen Termin mit Tag und Uhrzeit zu blocken. „Es dauert ungefähr drei Wochen, bis es eine Routine ist“, sagt Sachenbacher. Zu guter Letzt hilft es auch, es sich beim Üben schön und angenehm zu machen - etwa mit entspannter Musik oder einem ätherischen Öl, das man gerne riecht. 

Wann sind die Entspannungsverfahren nicht geeignet?

Wirklich viele Ausschlussfaktoren gibt es nicht. Aber: Progressive Muskelentspannung ist nichts für Schwangere oder Menschen mit akuten Schmerzen – das gilt für einen Hexenschuss ebenso wie während einer Migräneattacke, so Simone Sachenbacher. Autogenes Training sei zudem nicht geeignet bei akuten Manien oder Psychosen sowie bei Epilepsie. 

Wichtig ist auch: Bei psychischen Erkrankungen sind diese Entspannungsverfahren kein alleiniges Behandlungsmittel, sondern sollten immer eingebettet sein in einen umfassenden Gesamtbehandlungsplan. 

Zudem seien die Techniken keine „Wunderpillen“, wie Husmann betont. Man werde dadurch weder trotz Überlastung unkaputtbar noch sei man in der Lage, dauerhaft ohne echte Pausen übermäßige Leistung zu erbringen. „Auch sollten AT und PR nicht dazu missbraucht werden, andere notwendige medizinische oder psychotherapeutische Behandlungen hinauszuzögern oder zu verhindern.“

© dpa-infocom, dpa:250114-930-344505/1


Von dpa
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