Das Fußball-Märchen von Abidjan rührte Sébastien Haller zu Tränen. Überwältigt von der ekstatischen Atmosphäre im weiten Rund des Stadions ließ der neue Held der Elfenbeinküste seinen Gefühlen freien Lauf. Als ihn ein TV-Reporter nach dem 2:1 (0:1)-Erfolg im Finale des Afrika-Cups gegen Nigeria schluchzend umarmte, begann auch der Dortmunder Profi zu weinen. „Von diesem Moment haben wir so oft geträumt. Wir haben alles gegeben, um diese Bevölkerung stolz zu machen. Sie hat es verdient“, schwärmte der Matchwinner, der noch auf dem Rasen von Präsident Alassane Ouattara beglückwünscht wurde.
Hallers umjubelter Siegtreffer in der 81. Minute bescherte seiner Nationalmannschaft den krönenden Abschluss des Heimturniers und den dritten kontinentalen Titel nach 1992 und 2015. „Haller-lujah!“, kommentierte Englands Fußball-Legende Gary Lineker bei X (früher Twitter) das nächste Kapitel des wundersamen sportlichen Comebacks.
Im Rausch des Sieges erklärte Präsident Ouattara den Montag nach dem Triumph zum Feiertag. „Es ist ein unbeschreibbares Glück“, sagte der freudestrahlende 82-Jährige dem Sender RTI. Mit Ausnahme von Gesundheitszentren und Notdiensten blieben alle öffentlichen Dienste geschlossen - genau wie mehrere private Unternehmen. Bereits in der Nacht waren die Fans zu Tausenden auf den Straßen, schwenkten Fahnen, sangen und tanzten vor Freude - begleitet von Trompeten, Vuvuzela-Lauten und Autohupen.
Viele Beobachter erinnerten an die besondere Geschichte Hallers, bei dem im Sommer 2022 kurz nach seinem Wechsel von Ajax Amsterdam zum BVB Hodenkrebs diagnostiziert worden war. Nur wenige Monate nach der Behandlung stand er wieder auf dem Platz. Mit neun Toren und fünf Vorlagen trug er in der Rückrunde der vergangenen Saison zu einer fulminanten Aufholjagd der Dortmunder bei.
Doch als die Meisterschaft schon fast perfekt schien, versagten dem Stürmer die Nerven. Sein verschossener Elfmeter am 34. Spieltag gegen Mainz (2:2) trug zum verpassten Titel bei - und leitete zugleich Hallers sportlichen Abstieg in Dortmund ein. In dieser Saison gehörte er bislang in nur vier Bundesliga-Partien zur Startelf, ein Tor gelang ihm in insgesamt elf Einsätzen nicht.
Der verspielte Meistertitel habe ihm mehr Schmerzen bereitet als die Krebs-Diagnose, sagte Haller im Herbst der „Sport Bild“. „Nicht gelungene Situationen oder vergebene Chancen zehren an dir. Man überlegt, was man hätte besser machen können. Ich habe aber vor allem während meiner Krankheit auch gelernt, negative Dinge nicht mehr so sehr an mich ranzulassen.“
Der Wunsch von BVB-Trainer Edin Terzic, dass Haller beim Turnier in Afrika wieder in seinen Rhythmus findet und neuen Mut schöpft, ging in Erfüllung. Trotz seiner Reservistenrolle in Dortmund beeindruckte der 29-Jährige beim Afrika-Cup in den entscheidenden Momenten. Erst im Halbfinale gegen die Demokratische Republik Kongo (1:0) und im Finale durfte er von Beginn an ran, zweimal gelang ihm das entscheidende Tor.
Seine Geschichte passt zum verrückten Turnierverlauf des Gastgebers, der nach einem desaströsen 0:4 in der Vorrunde gegen Äquatorialguinea fast schon ausgeschieden war. Als Gruppendritter schlichen die Ivorer doch noch in die K.o.-Phase - allerdings ohne ihren Trainer Jean-Louis Gasset, von dem sie sich mit viel Getöse getrennt hatten.
Assistent Emerse Faé übernahm - vor allem, weil Wunschkandidat und Ex-Nationalcoach Hervé Renard auf die Schnelle nicht zu haben war. „Ich hätte es geliebt, aber das Schicksal hat es anders entschieden“, sagte Renard, der inzwischen die französischen Fußballerinnen trainiert, in einem Interview des TV-Senders Canal Plus.
So trieb das Schicksal Faé nach vorn, der nach dem verdienten Finalsieg gegen Nigeria feststellte: „Es war ein außergewöhnliches Turnier und mehr als ein Märchen.“ Für ihn, für die Elfenbeinküste - und ganz besonders für Haller.
Neben dem BVB-Profi startete auch Odilon Kossounou als zweiter Bundesliga-Profi aus der Startelf in den Partymarathon der „Elefanten“. Der Leverkusener Abwehrspieler sorgte auch in seiner derzeitigen Wahlheimat für große Freude. „Wir haben alle mitgefiebert mit Odi und sind sehr stolz auf ihn. Er hat mit seiner Mannschaft allen Widrigkeiten und Schwierigkeiten getrotzt und völlig verdient diesen Titel geholt“, kommentierte Bayer-Sportchef Simon Rolfes.
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