Bei einem israelischen Angriff im Süden des Gazastreifens sind nach Krankenhausangaben 19 Menschen getötet worden, darunter fünf Journalisten. Nach Angaben des Nasser-Krankenhauses wurden sie bei einem Luftangriff tödlich getroffen, als sie sich im vierten Stock der Klinik in der südlichen Stadt Chan Junis aufhielten. Das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium sprach von 20 Toten.
Nach Angaben der Nachrichtenagentur Associated Press war auch eine freie Mitarbeiterin von AP, Mariam Dagga (33), unter den Getöteten. Sie habe einen zwölfjährigen Sohn, der zuvor während des Kriegs aus dem Gazastreifen evakuiert worden sei, hieß es. „Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um unsere Journalisten im Gazastreifen zu schützen, während sie unter schwierigen und gefährlichen Bedingungen weiterhin entscheidende Augenzeugenberichte liefern“, erklärte AP.
Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, ihr freier Mitarbeiter Hussam al-Masri sei bei dem Angriff getötet worden. Ein weiterer Fotograf der Agentur - ebenfalls ein freier Mitarbeiter - wurde demnach verletzt.
Der arabische Fernsehsender Al-Dschasira berichtete, ein Kameramann des Senders sei tödlich getroffen worden. Der vierte getötete Journalist arbeitete als freier Mitarbeiter für verschiedene Medien. Seine Arbeiten wurden nach Angaben von Reuters gelegentlich von der Nachrichtenagentur veröffentlicht. Auch für die israelische Zeitung „Haaretz“ habe er erst kürzlich fotografiert, teilte das Blatt bei X mit. Der Fünfte war nach Angaben aus Gaza freier Mitarbeiter mehrerer arabischer Medien.
Berichten der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa zufolge kamen bei dem Angriff auf die Klinik auch Sanitäter zu Tode.
Die israelische Armee teilte mit, es habe einen Angriff israelischer Truppen im Gebiet des Nasser-Krankenhauses gegeben. Generalstabschef Ejal Zamir habe eine rasche vorläufige Untersuchung des Vorfalls angeordnet. Die Armee bedauere es, wenn unbeteiligte Personen zu Schaden kämen. Die Truppen zielten nicht absichtlich auf Journalisten ab, hieß es.
Militärsprecher Effie Defrin versicherte Transparenz bei der Aufklärung. Generalstabschef Zamir habe eine unverzügliche Untersuchung angeordnet, um die Umstände zu klären, sagte Defrin in einer Presseerklärung. „Wie immer werden wir unsere Ergebnisse so transparent wie möglich präsentieren.“
Defrin betonte, die Armee greife Zivilisten nicht absichtlich an. Die Truppen agierten jedoch in einer „äußerst komplexen Realität“. Terroristen der islamistischen Hamas nutzen nach seinen Worten bewusst zivile Infrastruktur, darunter auch Krankenhäuser, als Schutzschilde. Sie hätten in der Vergangenheit sogar vom Nasser-Krankenhaus aus operiert.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu drückte unterdessen sein Bedauern über den Vorfall aus. „Israel bedauert zutiefst das tragische Unglück, das sich heute im Nasser-Krankenhaus in Gaza ereignet hat“, hieß es am Abend in einer vom Büro von Regierungschef Netanjahu verbreiteten Mitteilung.
Israel schätze die Arbeit von Journalisten, medizinischem Personal und allen Zivilisten, hieß es in der Mitteilung weiter. Das Militär führe nach dem Vorfall eine „gründliche Untersuchung“ durch. Gleichzeitig betonte Netanjahu, dass sich der Krieg Israels gegen die Hamas richte. „Unsere gerechten Ziele sind die Bezwingung der Hamas und die Rückkehr unserer Geiseln nach Hause.“
Augenzeugen berichteten, es habe einen Angriff auf den vierten Stock im Empfangsgebäude des Nasser-Krankenhauses gegeben, in dem sich die Journalisten aufhielten. Als Sanitäter und Mitarbeiter des Zivilschutzes zur Rettung eilten, habe es einen weiteren Angriff gegeben. In sozialen Medien kursierten Videoaufnahmen von dem blutigen Vorfall. Der arabische Sender Al-Ghad zeigte ein Video, in dem zu sehen war, wie eine Gruppe von Menschen bei einem Angriff getroffen wurde. Dabei handelte es sich offenbar um die zweite Attacke.
Damit wurden laut Informationen des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) seit Beginn des Gaza-Kriegs vor knapp zwei Jahren fast 200 Journalisten getötet, die meisten davon Palästinenser.
Der Auslandspresseverband in Israel (FPA) verurteilte die Tötung der Journalisten. Der Verband sei „empört und schockiert“ über den tödlichen Vorfall, hieß es in einem Post auf X. Es handele sich um einen der Vorfälle mit den meisten getöteten Journalisten, die für internationale Medien arbeiteten, seit Beginn des Kriegs vor fast zwei Jahren, schrieb der Verband weiter.
Zu viele Journalisten seien bereits grundlos getötet worden. Israel blockiere zudem weiterhin den Zugang ausländischer Journalisten nach Gaza. „Dies muss ein Wendepunkt sein“, forderte der Verband. „Wir appellieren an internationale Führungspersönlichkeiten: Tut alles, was ihr könnt, um unsere Kollegen zu schützen. Wir schaffen das nicht allein.“
Erst am Samstag war nach Angaben von Wafa ein palästinensischer Kameramann im nördlichen Gazastreifen von israelischen Soldaten getötet worden. Der palästinensische Journalistenverband sprach von einer „fortwährenden israelischen Kampagne gegen Journalisten, deren Ziel es ist, die palästinensischen Schilderungen zum Schweigen zu bringen“.
Mitte des Monats waren vier Mitarbeiter des arabischen TV-Senders Al-Dschasira in der Stadt Gaza getötet worden. Israels Militär hatte die Tötung des Korrespondenten Anas al-Scharif bestätigt. Der 28-Jährige habe sich zwar als Al-Dschasira-Journalist ausgegeben, er habe aber eine Terrorzelle der islamistischen Hamas angeführt, erklärte die Armee damals - ohne dafür eindeutige Beweise vorzulegen.
Das Auswärtige Amt verurteilte den israelischen Angriff auf ein Krankenhaus im Gazastreifen. „Wir sind schockiert über die Tötung mehrerer Journalisten, Rettungskräfte und weiterer Zivilisten bei einem israelischen Luftangriff auf das Nasser-Krankenhaus in Gaza“, schrieb das Ministerium auf X. Der Angriff müsse untersucht werden.
Die Arbeit von Journalisten sei unverzichtbar, um die verheerende Realität des Kriegs in Gaza abzubilden, hieß es weiter. „Wir haben die israelische Regierung immer wieder aufgefordert, Medienschaffenden Zugang zu gewähren und Journalisten, die in Gaza tätig sind, Schutz zu bieten.“
Der französische Präsident Emmanuel Macron kritisierte Israels Vorgehen scharf. „Das ist untragbar“, schrieb er in einem Post auf X. Zivilisten und Journalisten müssten unter allen Umständen geschützt werden. „Wir fordern Israel auf, das internationale Recht zu achten“, so Macron.
Unterdessen warnte Generalstabschef Zamir laut einem Medienbericht eindringlich vor Gefahren der geplanten Einnahme der Stadt Gaza. Der israelische TV-Sender Channel 13 berichtet, Zamir habe dazu gedrängt, einen Vermittlungsvorschlag über eine Gaza-Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge anzunehmen. Die Armee habe die Bedingungen für einen Geisel-Deal geschaffen, jetzt liege es in den Händen von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Eine Einnahme der Stadt Gaza würde das Leben der Geiseln gefährden.
Außenminister Johann Wadephul kritisierte die israelische Regierung wegen ihrer Pläne zum Vorrücken in die Stadt Gaza. Die deutsche Glaubwürdigkeit als globaler europäischer Akteur hänge von der Konsistenz der deutschen Politik ab - bei der Verteidigung des Völkerrechts, der Ablehnung des Terrors und beim Schutz des zivilen Lebens, sagte er bei einem Besuch in der kroatischen Hauptstadt Zagreb. „Unserer Ansicht nach fördert die Entscheidung des israelischen Kabinetts, Gaza-Stadt zu übernehmen und die Bodenoperationen zu intensivieren, keines dieser Ziele“, kritisierte er.
Nach Schätzungen drängen sich etwa eine Million Menschen in der Küstenstadt Gaza. Israel plant eine Räumung der Stadt vor der neuen Offensive. Auch Geiseln der Hamas werden in der Stadt vermutet.
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