Noch ganz aufgewühlt von seinem emotionalen Last-Minute-Siegtor zum 1:0 zeigte BVB-Stürmer Maximilian Beier offen seine Gefühle, als nur wenige Meter entfernt ein Krankenwagen mit Blaulicht hielt. Kurz darauf wurde Kölns Abwehrchef Timo Hübers aus den Katakomben des Signal Iduna Parks getragen, auf eine Trage gelegt und abtransportiert.
Beier hielt für einen Moment inne, blickte hinüber - und unterbrach seine Analyse des Spiels. „Das tut mir auf jeden Fall total leid, ich wünsche ihm alles, alles Gute und eine schnelle Genesung“, sagte der BVB-Joker am Samstagabend. „Das wünscht man keinem.“
Am Tag darauf steht fest: Der Abwehrchef hat sich in der Schlussphase nach einem Zweikampf mit Dortmunds Stürmer Serhou Guirassy eine schwere Knieverletzung zugezogen und wird bereits am Montag operiert. Dies teilte der 1. FC Köln nach einer MRT-Untersuchung mit. „Es hat ziemlich übel ausgeschaut. Ich glaube, da ist ein bisschen mehr kaputtgegangen“, sagte Kölns Eric Martel schon im Stadion, der sich nach eigenen Angaben nach dem Vorfall direkt weggedreht hat. „Ja, man hat etwas gesehen. Deswegen schaut man da auch nicht so gern hin.“
Auch FC-Sportdirektor Thomas Kessler war geschockt. „Schon in der Situation selbst war zu sehen, dass es für Timo nichts Gutes bedeutet. Die Diagnose trifft uns alle hart, vor allem ihn selbst“, sagte der 39-Jährige. „Er hat sich in jungen Jahren schon zweimal nach schweren Verletzungen zurück auf den Platz gekämpft - und wir sind sicher, dass er auch dieses Mal seinen Weg gehen wird. Timo verfügt über eine große innere Stärke und eine bemerkenswerte Mentalität, die ihn durch diese Phasen bringen wird.“ Es wird befürchtet, dass Hübers lange Zeit ausfällt.
Für die Kölner ist die erste Diagnose der zweite Tiefschlag, nachdem auch das Spiel selbst trotz des aufopferungsvollen Auftritts der gesamten Mannschaft eine bittere Pointe erhalten hatte. Erst spät in der Nachspielzeit, als Hübers schon nicht mehr mit verteidigen konnte und die Kölner aufgrund des ausgeschöpften Wechselkontingents in Unterzahl agieren mussten, war der FC um den starken Torhüter Marvin Schwäbe geschlagen (90.+6).
„Es gibt Tage im Leben, die würde man ganz gern streichen - und dieser gehört bei mir dazu. Das hängt damit zusammen, dass wir uns für einen leidenschaftlichen Kampf nicht belohnen konnten“, sagte Kölns Trainer Lukas Kwasniok. „Und was noch fataler und schlimmer ist: die schwere Verletzung von Timo Hübers. Wenn du dann so eine doppelte Niederlage mit nach Hause nehmen musst, dann tut das weh.“
Der Coach muss nun schnell eine Lösung finden, wie er den Ausfall seines 29 Jahre alten Abwehrchefs kompensiert. Schon am Mittwoch (20.45 Uhr/Sky und ARD) kommt der deutsche Rekordmeister aus München zum Zweitrunden-Duell im DFB-Pokal in die Domstadt. „Wir schauen, dass wir irgendwie bestehen können gegen die Bayern“, sagte Kwasniok und schob mit einem süffisanten Lächeln hinterher: „Klar, was kommt nach Dortmund? Die Bayern. Das wird noch viel leichter.“
Während sich der Aufsteiger also binnen weniger Tage berappeln muss, reisen die Dortmunder mit Selbstvertrauen zu ihrer Pokal-Aufgabe zu Eintracht Frankfurt. Dennoch sieht BVB-Coach Niko Kovac seinen früheren Arbeitgeber leicht im Vorteil. „Das wird ein hartes Stück Arbeit. 51:49 für Frankfurt, da sie zu Hause spielen“, sagte er vor dem Aufeinandertreffen am Dienstag (18.30 Uhr/Sky und ZDF) bei Sky. „Wir wollen eine Runde weiterkommen, das ist unser Anspruch.“
In der Liga liegt die Borussia eine Woche nach dem Rückschlag im deutschen Klassiker gegen die Bayern (1:2) nun auch wieder in Schlagdistanz zu den Münchnern sowie RB Leipzig und damit auch wieder auf Champions-League-Kurs - dank Beier. Der Stürmer, der von seinen Mitspielern schon fast etwas rabiat beglückwünscht wurde, nahm in der Jubeltraube die Schläge der Teamkollegen laut eigener Aussage gern in Kauf - besonders dann, „wenn es so ein Moment“ ist. Mit gedämpfter Miene blickte er dann aber in Richtung des Rettungswagens, der wenig später Hübers abtransportieren sollte.
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