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Veröffentlicht am 11.06.2023 05:20

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Ein ukrainischer Panzer fährt in der Nähe von Tschassiw Jar. (Foto: ryna Rybakova/AP/dpa/Archiv)
Ein ukrainischer Panzer fährt in der Nähe von Tschassiw Jar. (Foto: ryna Rybakova/AP/dpa/Archiv)
Ein ukrainischer Panzer fährt in der Nähe von Tschassiw Jar. (Foto: ryna Rybakova/AP/dpa/Archiv)

Die ukrainischen Streitkräfte haben nach Einschätzung westlicher Experten bei ihrer Offensive gegen die russische Armee im Süden des Landes lokale Erfolge erzielt. Dies teilte das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) in Washington mit.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigte Gegenangriffe, hielt sich am Wochenende aber weiter bedeckt, ob es sich bei den Vorstößen um die seit Monaten erwartete Gegenoffensive der Ukraine handelt. Das russische Militär erklärte, Offensiven der Ukrainer im Süden der Ukraine abgewehrt zu haben. Dabei seien auch vier weitere Leopard-Kampfpanzer zerstört worden. Deutschland und 24 weitere Staaten üben von Montag an die Verteidigung des Nato-Gebietes.

Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als 15 Monaten gegen einen russischen Angriffskrieg. Das mit westlichen Waffen ausgestattete Land will sich im Zuge einer Gegenoffensive die von Russland besetzten Gebiete zurückholen.

Experten sehen lokale Erfolge für Ukraine

Nach ISW-Angaben erzielte die Ukraine Gewinne im Westen des Gebiets Saporischschja und dort im Südwesten und Südosten der Stadt Orichiw. Insgesamt gibt es demnach ukrainische Offensivhandlungen an vier Stellen. Selenskyj bestätigte ukrainische Gegenangriffe entlang der Front. Im Rahmen der Verteidigung liefen solche Angriffe, sagte der Präsident am Samstag bei einer Pressekonferenz in Kiew. „In welchem Stadium sie sind, werde ich im Detail nicht sagen.“

Zugleich widersprach Selenskyj dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, der zuvor erklärt hatte, die ukrainische Gegenoffensive habe begonnen, jedoch ihre Ziele nicht erreicht. Er würde weder Telegram-Kanälen noch Putin glauben, die das Scheitern der Offensive erklärten, sagte Selenskyj. Er sei täglich im Gespräch mit seinen Generälen und die seien „in guter Stimmung“. „Das können Sie Putin so mitteilen.“

Beobachter gehen davon aus, dass die ersten Angriffe einer Gegenoffensive Schwachstellen in der russischen Verteidigung aufspüren und Moskaus mögliche Verteidigungstaktik offenlegen sollen, bevor von Kiew größere Teile seiner im Westen ausgebildeten Soldaten und vom Westen erhaltene Waffen in den Kampf geschickt werden.

Russische Regionen meldeten erneut Beschuss von ukrainischer Seite. In der Region Kaluga schlugen nach offiziellen Angaben zwei Drohnen ein. Über Verletzte oder größere Schäden war zunächst nichts bekannt.

Ukrainer verkünden Befreiung von Dorf im Gebiet Donezk

Ukrainische Soldaten befreiten am Sonntag nach Militärangaben aus Kiew im größtenteils von Russland besetzten Gebiet Donezk den Ort Blahodatne. Die Truppen veröffentlichten ein Video, auf dem das Hissen der ukrainischen Flagge auf einem halbzerstörten Gebäude zu sehen ist. Es seien auch Gefangene genommen worden, hieß es. Von russischer offizieller Seite gab es dazu zunächst keine Stellungnahme. Die russische Armee behauptet seit Tagen, sie wehre die ukrainische Offensive ab.

Allerdings meldeten auch kremlnahe russische Militärblogger, dass Blahodatne aufgegeben worden sei, weil Moskaus Kämpfer dort eine Einkesselung befürchtet hätten. Demnach wurde zudem das Dorf Neskutschne eingenommen. Auch das Dorf Lobkowe im Gebiet Saporischschja soll von russischer Besatzung befreit sein.

Russland will weitere vier Leopard-Panzer zerstört haben

Das russische Militär wehrte nach eigenen Angaben weitere Vorstöße der Ukrainer im Gebiet Saporischschja und im südlichen Donezk abgewehrt und den Angreifern dabei hohe Verluste zugefügt. „Die Gesamtverluste der ukrainischen Streitkräfte in den genannten Gebieten innerhalb eines Tages beliefen sich auf bis zu 300 Soldaten, 9 Panzer, darunter 4 Leoparden, und 11 Schützenpanzer, darunter 5 amerikanische Bradley“, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Samstag. Auch eine französische Haubitze vom Typ Cesar sei zerstört worden. Angaben des russischen Verteidigungsministeriums zu Verlusten der ukrainischen Seite können - wie generell die Angaben aus dem Kriegsgebiet - kaum unabhängig überprüft werden, stellten sich aber in der Vergangenheit oft als übertrieben heraus.

Übung „Air Defender 2023“ soll auch Signal der Stärke senden

Deutschland ist ab Montag Schauplatz für die größte Verlegeübung von Luftstreitkräften seit dem Bestehen der Nato: Geübt wird von 25 Staaten vor allen in drei Lufträumen über Teilen Norddeutschlands und der Nordsee die Verteidigung des Bündnisgebietes gegen einen Angreifer sowie die Rückeroberung umkämpfter Gebiete. Geplant wurde die Übung seit 2018, also nach der russischen Annexion der Krim, aber deutlich vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. In dem Szenario ist das fiktive östliche Bündnis OCCASUS der Gegner.

Keine Zweifel gibt es daran, dass vor allem Russland den Ablauf sehr genau verfolgt. Dass die Übung auch ein Signal der Stärke an Putin sendet, machte US-Botschafterin Amy Gutmann zuletzt bei einer Pressekonferenz deutlich: „Es würde mich sehr wundern, wenn irgendein Staatsoberhaupt der Welt nicht zur Kenntnis nehmen würde, was dies (das Manöver) in Bezug auf den Geist dieses Bündnisses, das heißt die Stärke dieses Bündnisses, zeigt. Und das schließt Herrn Putin ein.“

Der Premierminister des Nato-Landes Kanada, Justin Trudeau, kündigte derweil bei einem Überraschungsbesuch in Kiew neue Militärhilfe im Umfang von etwa 500 Millionen kanadischen Dollar (knapp 350 Millionen Euro) zu. Außerdem wird sich Kanada dem multinationalen Ausbildungsprogramm für ukrainische Kampfpiloten und der Wartung von Kampfpanzern des Typs Leopard anschließen.

Knapp 30 Vermisste auf ukrainischer Dnipro-Seite

Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Gebiet Cherson geht die Suche nach Vermissten weiter. Das ukrainische Innenministerium teilte am Sonntag mit, dass auf der von Kiew kontrollierten rechten Seite des Ufers noch 32 Ortschaften mit 3784 Häusern überschwemmt seien. 29 Menschen würden vermisst, hatte die Behörde am Vorabend mitgeteilt. Auch auf der von Russland besetzten Seite des Ufers dauerte die Evakuierung von Ortschaften an. Tausende wurden auf beiden Seiten des Flusses in dem umkämpften Gebiet in Sicherheit gebracht.

Der Staudamm war in der Nacht zum Dienstag gebrochen. Die Ukraine wirft russischen Truppen vor, den Damm und das Kraftwerk vermint und gesprengt zu haben. Dagegen behauptet Russland, ukrainische Truppen hätten den Damm mit Raketenwerfern beschossen. Experten sprechen von einer schweren Umweltkatastrophe. Bislang ist von insgesamt 13 Toten die Rede auf beiden Seiten des Gebiets.

© dpa-infocom, dpa:230611-99-13119/5


Von dpa
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