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Veröffentlicht am 30.05.2022 17:06

Länder wollen Pflichtversicherung: Was Eigentümer erwartet

Nach einer Naturkatastrophe steigt das Bedürfnis nach mehr Absicherung. Viele Hausbesitzer schließen dennoch keine Elementarversicherung ab. (Foto: Philipp von Ditfurth/dpa/dpa-tmn)
Nach einer Naturkatastrophe steigt das Bedürfnis nach mehr Absicherung. Viele Hausbesitzer schließen dennoch keine Elementarversicherung ab. (Foto: Philipp von Ditfurth/dpa/dpa-tmn)
Nach einer Naturkatastrophe steigt das Bedürfnis nach mehr Absicherung. Viele Hausbesitzer schließen dennoch keine Elementarversicherung ab. (Foto: Philipp von Ditfurth/dpa/dpa-tmn)

Die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hat im vergangenen Sommer gezeigt, dass auch Deutschland von den Auswirkungen der Klimakrise nicht gefeit ist. Zahlreiche Menschen verloren ihr Leben, die Schäden gingen in die Milliarden.

Um zumindest die finanziellen Folgen solcher Naturereignisse künftig besser zu bewältigen, haben sich die Bundesländer nun für die Wiedereinführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden für alle Gebäudebesitzer ausgesprochen. Nun soll nach Angaben aus Teilnehmerkreisen der Bund bis Jahresende einen Vorschlag für eine Regelung erarbeiten. Welche Folgen hätte eine solche Pflicht für die Hauseigentümer?

Mit einer Elementarschadenversicherung können sich Hausbesitzer vor den finanziellen Folgen extremer Naturgefahren wie Starkregen, Überschwemmung oder Hochwasser schützen. Doch selbst im von der Flutkatastrophe besonders betroffenen Rheinland-Pfalz tut das nur ein Teil. Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sind dort auch ein Jahr nach der Katastrophe lediglich 42 Prozent der Gebäude gegen Naturgefahren versichert. In NRW liegt die Quote mit 53 Prozent nur wenig höher. Aus Sicht vieler Fachleute ist Deutschland somit nur unzureichend für solche Katastrophen gewappnet.

Im Februar hat der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen deshalb seinen Vorschlag aus dem Jahr 2019 erneuert und eine verpflichtende Basisversicherung gegen Elementarschäden für alle Eigentümer von Wohngebäuden ins Spiel gebracht. Eine solche Pflicht sei „verfassungskonform“, hieß es. Die Länder sind dieser Einschätzung nun gefolgt.

Im Prinzip in allen Bundesländern außer einem: In Baden-Württemberg sind laut GDV 94 Prozent der Gebäude gegen Elementarschäden versichert. In allen übrigen Ländern liegt die Quote zwischen 28 Prozent (Bremen) und 53 Prozent (NRW).

Aus Sicht von Verbraucherschützern stellt eine Pflichtversicherung mitunter einen zu großen Eingriff in die Grundrechte dar. Die Versicherungswirtschaft betont zudem, dass eine Pflichtversicherung „bei verfassungskonformer Umsetzung“ enge Grenzen habe, wie GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen zuletzt mitteilte. „Sie wird am Ende nur mit deutlich eingeschränktem Versicherungsschutz umsetzbar sein, zum Beispiel nur für hochgefährdete Gebäude oder nur für Neubauten.“ Bestandsbauten oder Gebäude in Gebieten, die nicht als hochrisikogefährdet gelten, seien dann nicht versichert.

Auch die Prämienhöhen und die Frage, ob Versicherte in einer besonders gefährdeten Region mehr zahlen müssten als andere, muss erst noch geklärt werden. Der GDV und der Verbraucherzentrale Bundesverband schlagen andere Modelle vor - ohne Pflicht für alle.

Das ist noch nicht abzusehen und hängt vor allem von der konkreten Ausgestaltung eines entsprechenden Gesetzes ab. Die derzeitigen Prämien für Elementarschadenversicherungen orientieren sich an der sogenannten Gefährdungsklasse des jeweiligen Hauses. In der niedrigsten Stufe gibt es die Versicherung bereits für unter 100 Euro, wie aus Daten der Stiftung Warentest sowie von Internet-Vergleichsportalen hervorgeht. In der höchsten Klasse übernehmen Versicherer demnach oft nicht das vollständige Risiko. Es können also hohe Selbstbehalte und Prämien von mehreren hundert Euro pro Jahr anfallen.

Auch das hängt von der Ausgestaltung der Pflicht ab. Der GDV unterscheidet beim Risiko, von Hochwasser oder Starkregen betroffen zu sein, nach sogenannten Gefährdungsklassen. Beim Hochwasser sind das je nach Häufigkeit vier Stufen. In der höchsten Klasse landen Häuser in Gegenden, in denen es mindestens einmal in zehn Jahren zu Hochwasser kommt. In der geringsten Gefahrenklasse hat es hingegen „nach bisheriger Datenlage“ noch nie Hochwasser gegeben. Bei Starkregen wiederum gibt es drei Gefährdungsklassen, die vor allem von der Lage des Hauses abhängen: Ein Gebäude im Tal in der Nähe eines Baches gehört in die teuerste Klasse. Häuser auf Erhöhungen kommen in die günstigste.

Mehrere Monate nach der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands geht das Gefahrenbewusstsein bei Deutschlands Hausbesitzern nach Darstellung der Versicherungsbranche wieder zurück.

Von Anfang Januar bis Ende März verkauften die Versicherer deutschlandweit lediglich 125.000 Elementarpolicen gegen Extremwetter und Überschwemmung, wie der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft mitteilte.

Unmittelbar nach der Flut hatte es im dritten Quartal einen sprunghaften Anstieg der Nachfrage mit 400.000 neuen Verträgen gegeben.

„Wir haben schon häufiger beobachtet, dass sehr viele Menschen direkt nach einer Naturkatastrophe das Bedürfnis haben, sich abzusichern“, sagte Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. „Leider nimmt das Interesse, wie auch in diesem Fall, mit wachsendem zeitlichem Abstand zum Ereignis wieder ab.“

Die Standard-Gebäudeversicherung deckt zwar Schäden durch Sturm und Hagel ab, nicht aber Hochwasser. Laut GDV hat lediglich die Hälfte der Hausbesitzer die zusätzlichen Elementarpolicen abgeschlossen. „Das ist viel zu wenig“, sagte Asmussen.

Vor der Juliflut verzeichneten die Versicherer laut GDV zwischen 50.000 und 100.000 neuen Elementarverträge je Vierteljahr. Der Versicherungsverband plädiert unter anderem für Bauverbote in hochwassergefährdeten Gebieten und eine verpflichtende Elementar-Absicherung in neuen Wohngebäudeverträgen.

© dpa-infocom, dpa:220530-99-484559/5

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