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Veröffentlicht am 10.09.2025 10:45, aktualisiert am 10.09.2025 13:09

Kein Schreihals: Gentleman Hjulmand legt in Leverkusen los

Souveräner Auftritt: Kasper Hjulmand bei seiner ersten Pressekonferenz als Leverkusen-Trainer. (Foto: Marius Becker/dpa)
Souveräner Auftritt: Kasper Hjulmand bei seiner ersten Pressekonferenz als Leverkusen-Trainer. (Foto: Marius Becker/dpa)
Souveräner Auftritt: Kasper Hjulmand bei seiner ersten Pressekonferenz als Leverkusen-Trainer. (Foto: Marius Becker/dpa)

Seinen ersten Arbeitstag bei Bayer Leverkusen begann Kasper Hjulmand mit einer verbalen Verbeugung vor seinem Vorgänger. „Ich habe großen Respekt vor Erik. Er ist ein guter Kollege. Ich möchte, dass Erik weiß, dass ich viel Respekt vor ihm habe“, sagte der neue Trainer der Werkself im Stile eines Gentleman zu seinem schon nach zwei Monaten und mit unschönen Nebengeräuschen geschassten Vorgänger Erik ten Hag. 

Es blieben nicht die einzigen durchdachten Sätze eines Mannes, der viel erlebt hat und offenbar genau weiß, war er will - im Fußball und auch sonst. „Das Leben ist zu kurz, um eine Rolle zu spielen und jemand zu sein, der man nicht ist“, sagte Hjulmand beispielsweise an diesem Vormittag in grauer Bayer-04-Kluft mit dem Vereinslogo auf der Brust.

Bei seinem neuen Arbeitgeber, dessen Verantwortliche um Sportchef Simon Rolfes er schon lange kennt, müsse er sich nicht verstellen. „Ich habe das Gefühl, dass ich ich selbst sein kann. Ich muss nicht erklären, wie ich Fußball sehe“, sagte der 53-Jährige.

Hjulmand: „Ich schreie Leute nicht an“

Fragen nach seiner Spielphilosophie bekam Hjulmand natürlich trotzdem gestellt. „Ich mag es am meisten, wenn wir den Ball haben und aktiv sind“, sagte der Däne. Hjulmand erklärte allerdings auch: Der moderne Fußball sei so facettenreich, dass es schwierig sei, seinem bevorzugten Spiel ein bestimmtes Label zu geben. Man müsse alles können.

„Ich bin sehr fordernd. Ich sehe Potenzial, überall Dinge zu optimieren“, sagte er. Dafür brauche er keine Lautstärke: „Ich schreie Leute nicht an. Ich muss Leute nicht zerstören, um zu zeigen, dass ich ein starker Anführer bin.“

Erfahrung als Nationaltrainer ein Vorteil?

Zur Optimierung bleibt Hjulmand allerdings nicht viel Zeit. Nur zwei Tage nach seiner ersten Trainingseinheit mit dem neuen Team steht am Freitag das schwere Bundesligaspiel gegen Eintracht Frankfurt an. Es ist der Auftakt in eine intensive Phase mit insgesamt sechs Partien in 23 Tagen - zum Start in die Champions-League-Saison tritt Bayer nächste Woche ausgerechnet in Hjulmands Heimatland beim FC Kopenhagen an.

Dort hat der Coach zuletzt für den Verband am Aufbau eines neuen Fußball-Campus gearbeitet. Zuvor war er Nationalcoach - aus Hjulmands Sicht ein Vorteil in der aktuellen Situation. „Ich habe bei der Nationalmannschaft viel gelernt. Dort hatte ich auch nicht viele Trainingseinheiten“, sagte er.

Mit dem dänischen Nationalteam sorgte er bei der Europameisterschaft 2021 für Furore und kam bis ins Halbfinale. Zudem bewies Hjulmand mit souveränem und empathischem Verhalten rund um den dramatischen Herzstillstand von Dänemarks Superstar Christian Eriksen im Spiel gegen Finnland eindrucksvoll, dass sich seine Spieler auf ihn verlassen können. Auch Rolfes erinnerte an das Turnier und die „Führungsstärke“, die Hjulmand dort gezeigt habe.

In Mainz war für Hjulmand schnell wieder Schluss

Die Bundesliga kennt Hjulmand ebenfalls bereits. Als Trainer des FSV Mainz 05 in der Saison 2014/15 musste er allerdings nach nur gut einem halben Jahr wieder gehen. Ob er nun zeigen wolle, dass er auch in Deutschlands höchster Spielklasse Erfolg haben kann, wurde Hjulmand gefragt. Er hatte eine eindeutige Antwort parat: „Ich gehe nicht in diesen Job, um irgendwas zu beweisen.“

Ein besonderes Augenmerk wird trotzdem auf ihm liegen. Schließlich übernimmt er einen Club, der in kurzer Zeit eine enorme Entwicklung vollzogen hat. Der Double-Coup unter Coach Xabi Alonso 2023/24 und mitreißender Offensivfußball mit Zauberfuß Florian Wirtz machten aus Bayer 04 einen der aufregendsten Clubs der vergangenen Jahre. Nun erlebt Leverkusen einen beispiellosen Umbruch.

Dass daraus ein Absturz wird, muss Hjulmand verhindern. Nach dem missglückten Engagement von ten Hag wächst auch auf die sportlichen Entscheider der Druck.

Hjulmand zum Team: „Das Potenzial ist groß“

Wirtz, Granit Xhaka, Jonathan Tah und weitere Stars sind weg. Zahlreiche neue Spieler kamen. Schafft es Hjulmand, die zweistellige Anzahl an Neuzugängen zu integrieren und sie zu einer starken Mannschaft zu formen? Das ist die Anforderung.

„Ich denke, es wird harte Arbeit. Aber das Potenzial ist groß. Es gibt so viel Talent, so viel Qualität“, sagte er zu seiner Aufgabe. „Jetzt liegt es an uns, zusammenzukommen und ein fantastisches Team zu werden – auf und neben dem Platz.“

© dpa-infocom, dpa:250910-930-19028/2


Von dpa
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