Das tödliche Standseilbahnunglück in Lissabon könnte Experten zufolge möglicherweise mit dem Austausch eines Seils vor sechs Jahren zu tun gehabt haben. Laut dem portugiesischen staatlichen TV-Sender RTP erklärten von der Zeitung „Expresso“ befragte Ingenieure, damals sei ein reines Stahlseil durch ein Seil mit sechs Stahlsträngen und einem Kern aus Fasern ersetzt worden.
Dieses Faser-Innere habe sich beim Ziehen des Seils im Laufe der Monate verformt und an Volumen verloren. Schließlich habe sich das Zugseil mit seinen zwei Bestandteilen mit unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften sowie mit durch Vibration und Reibung erhöhten Temperaturen vom Unfallwagen gelöst.
Dieser raste am 3. September auf der steilen Straße Calçada da Glória bergab, entgleiste in einer Kurve, prallte gegen Eisenmasten und gegen ein Gebäude. 16 Menschen starben, 21 wurden teils schwer verletzt. Die Standseilbahn funktioniert mit zwei durch das Zugseil verbundene Wagen auf Schienen.
Die befragten Ingenieure des portugiesischen Instituto Superior Técnico verwiesen zudem auf übermäßig viel Öl in den Schienen, das das Bremssystem beeinträchtigt haben könnte. Dem Bremser war es als Fahrzeugführer an Bord bei der Unglücksfahrt nicht mehr gelungen, den bergab rasenden Wagen zu stoppen - er gehörte zu den Todesopfern.
Die Erklärungen der Experten basierten auf dem ersten Bericht der Untersuchungskommission in Portugal. Ein ausführlicherer Bericht des Amtes für die Verhütung und Untersuchung von Flug- und Eisenbahnunfällen wird erst in mehr als einem Monat erwartet.
Nach früheren Angaben bestand das Zugseil aus sechs Strängen mit je 36 Stahldrähten und einem Faserkern mit einem Gesamtdurchmesser von 32 Millimetern. Die Bruchlast sollte etwa 68 Tonnen betragen.
Der historische „Elevador da Glória“ ist eine der berühmtesten Touristen-Attraktionen Lissabons, aber auch Einheimische nutzen die Bahn täglich. Jährlich befördert die im 19. Jahrhundert in Deutschland gebaute Bahn rund drei Millionen Passagiere. Einen solchen Unfall mit einer der drei Standseilbahnen hatte es in Lissabon zuvor nie gegeben.
© dpa-infocom, dpa:250912-930-30830/1