Florian Wirtz verzichtet in der Nationalmannschaft so lange auf eine Prämienerhöhung, bis DFB-Kollegin Giulia Gwinn die gleiche Bezahlung erhält. Was in Deutschland wie ein illusorisches Gedankenspiel klingt, ist in Dänemark Realität. Die skandinavischen Fußballer setzten sich erfolgreich für eine finanzielle Gleichberechtigung ein und sendeten so ein Zeichen gegen den geschlechterspezifischen Gehaltsunterschied. „Wir dürfen gerne uns was von anderen Nationen abschauen, sowohl in fußballerischer Hinsicht, als eben auch beim Equal Pay“, sagte Frauen-Bundestrainer Christian Wück.
Nirgends klafft so eine millionenschwere Lücke wie im Fußball. Laut DFB-Saisonreport 2023/2024 liegt das monatliche Grundgehalt einer Bundesligaspielerin bei etwa 4.000 Euro. Das Gehalt der Topspielerinnen beim FC Bayern München oder dem VfL Wolfsburg wird auf nicht mehr als 300.000 Euro pro Jahr geschätzt, also 25.000 Euro pro Monat. Zum Vergleich: Die Bayern-Profis Harry Kane und Manuel Neuer sollen über 20 Millionen Euro jährlich verdienen.
Traditionell vor dem Equal-Pay-Day am 7. März und dem Weltfrauentag am 8. März rückt die Debatte um Gleichberechtigung stärker in den Fokus. „Wir müssen nach wie vor feststellen, dass Athletinnen von gleichwertigen Gehältern und Preisgeldern meilenweit entfernt sind“, sagte Karla Borger, Präsidentin von Athleten Deutschland, der Deutschen Presse-Agentur. Abgesehen von ihren Einkommen kämpften viele Frauen immer noch prioritär um die Angleichung ihrer Rahmenbedingungen. Dabei gehe es etwa um Trainingsbedingungen, medizinische Betreuung oder Equipment.
Doch es gibt auch positive Beispiele. Im Biathlon erhalten Frauen und Männer das gleiche Preisgeld. Auch im Rodeln, Bob sowie bei großen Events im Tischtennis, Triathlon oder in der Leichtathletik gibt es kaum finanzielle Unterschiede. Im Handball erhalten Männer und Frauen für ihre Einsätze in den deutschen Nationalteams künftig immerhin das gleiche Tagegeld. „Weitaus wichtiger als der Betrag ist die symbolische Kraft, denn Sport ist wertvoll – egal, ob Frauen oder Männer aktiv sind“, stellte Nationalspielerin Xenia Smits klar.
Die Debatte um Geschlechtergerechtigkeit im deutschen Profisport war zuletzt im Rahmen der Vierschanzentournee wieder hochgekocht. Skispringerin Selina Freitag schilderte, sie habe Duschcreme, Shampoo und vier Handtücher für ihren Sieg in der Qualifikation in Garmisch-Partenkirchen bekommen. Bei den Männern gab es dafür rund 3.200 Euro.
Einer absoluten Angleichung in allen Sportarten sind dadurch Grenzen gesetzt, dass die Produktions- und Produktmärkte geschlechtergetrennt sind. „In dieser Geschlechtertrennung besteht eine zentrale Besonderheit des Arbeitsmarktes Profisport. Wir können nicht eine Giulia Gwinn vom FC Bayern plötzlich in das Münchner Herrenteam integrieren, wo sie am größeren Markterfolg des Herrenteams partizipieren könnte“, erklärte Sportmanagement-Experte Christoph Breuer. Die Vorstellung von gleicher Bezahlung im deutschen Fußball sei „gegenwärtig utopisch“.
Der Markterfolg ist maßgeblich für die Verteilung von Gehältern verantwortlich. Es geht um Medienerlöse und hoch dotierte Sponsoringverträge. „Der Fan ist einer der Hauptfaktoren. Ist der Fan etwa bereit, für ein Frauenfußball-Abo bei Sky genauso viel zu bezahlen wie für ein Abo für Männerfußball? Ich denke nicht. Und solange dieser Markterfolg unterschiedlich ist, sind auch die Gehälter unterschiedlich“, prognostizierte Breuer weiter.
Ein erster Schritt wäre es, die Prämien anzugleichen. „Ich will den Gesprächen über 2025 nicht vorgreifen, aber der Betrag wird sich in diesem Jahr noch einmal signifikant steigern“, sagte DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig mit Blick auf die Frauen-EM in diesem Sommer kürzlich dem „kicker“. 2017 hätte es für den Titelgewinn pro Kopf 37.500 Euro gegeben, 2022 dann 60.000 Euro. Zum Vergleich: Bei der jüngsten EM der Männer lag die DFB-Titelprämie jeweils bei 400.000 Euro.
Deutlich weiter ist man in den USA. Schon 2022 hatte man sich auf eine gleiche Bezahlung von Frauen und Männern im US-Fußball geeinigt. Drei Jahre zuvor, als die Frauen um Megan Rapinoe Weltmeisterinnen wurden, hatte die Auswahl eine Sammelklage wegen Diskriminierung gegen den Verband eingereicht.
Von diesem Meilenstein ist Deutschland noch weit entfernt. Eintracht Frankfurts Nationalspielerin Elisa Senß erkennt dennoch eine Entwicklung. „In den letzten Jahren hat sich viel getan im Frauenfußball und wie man sieht, sind die Vereine ja viel professioneller geworden. Ob es dann irgendwann wirklich gleich sein wird, kann ich jetzt auch nicht sagen“, sagte die 27-Jährige.
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