Um einen Thomas Müller muss man sich keine Sorgen machen - auch nicht bei dessen erstem Mal in Kanada. „Für mich ging es immer darum, ich selbst zu sein. Das werde ich auch hier sein“, sagte der 35 Jahre alte Ex-Nationalspieler, als er in der kanadischen Metropole offiziell als neuer Fußball-Star der Vancouver Whitecaps vorgestellt wurde. Die Vereinslegende des FC Bayern München ist auch auf Englisch ein Unterhaltungsprofi, Witze reißt der Weltmeister von 2014 bei seiner Pressekonferenz vor zahlreichen Sponsoren und Edel-Fans so selbstverständlich und oft, wie es das deutsche Publikum seit Jahren gewohnt ist. „Ich war gewohnt, Fußball zu spielen. Jetzt spiele ich Soccer“, scherzte er gleich zu Beginn.
Und dennoch steckt in vielen der Sätze Müllers auch die übliche Portion Lebensweisheit und Analyse, für die er eben auch bekannt ist. Er wisse, wie man staubsaugt und eine Wohnung putze, antwortet er auf die Frage nach den größten Herausforderungen, nun, da er erstmals ohne das vertraute Umfeld und im Ausland lebe. „Ich war schon immer in meinem Leben sehr neugierig und habe es immer geliebt, auch mit Menschen nicht nur zu arbeiten, sondern auch Zeit zu verbringen, und deswegen fühle ich da überhaupt nichts Fremdes, sondern ich werde mich sehr schnell hier heimisch fühlen, denke ich“, sagte er.
Zugang zu echtem Leberkäs' habe er ja auch, meinte er mit Blick auf das von einer Deutschen geführte Catering-Unternehmen, das zur Begrüßung und Freude der Kanadier für ein Buffet mit Brezeln und anderen bayerischen Köstlichkeiten sorgte. „Man muss dazu sagen, die bayerische Küche ist jetzt nicht unbedingt für den Leistungssport kreiert worden, zumindest nicht für den modernen“, scherzte Müller. „Und trotzdem kann man es immer mal wieder genießen, und deswegen bin ich froh, dass ich auch hier eine Anlaufstelle habe und nicht extra von Deutschland was schicken lassen muss.“
Am Flughafen wurde Müller von einer Abordnung des Musqueam-Stammes mit einem traditionellen Trommel-Marsch begrüßt - bei der Pressekonferenz bekam er eine Adler-Feder und ein handgefertigtes Stirnband des Squamish-Stammes, und das alles vor etwa 200 Leuten. „Hier ist mehr los als an jedem Wahlabend. Kein kanadischer Politiker ist auch nur annähernd so groß wie er“, sagte ein kanadischer Kameramann.
Müller startet in Kanada also in das Abenteuer, das er gesucht hat - ohne dabei aus den Augen zu verlieren, was ihm die meiste Freude bringt. Ein Abenteuer sei „nur spannend, wenn man um Titel spielen kann“, sagte der Rekordspieler des FC Bayern, der sich von seiner Nummer 25 trennt und in Vancouver zukünftig wie bei der Nationalmannschaft mit der Nummer 13 auf dem Rücken auflaufen wird: „Es gibt eine Chance darauf, nicht nur dieses, sondern auch nächstes Jahr.“
Die Whitecaps sind Tabellenzweiter in der Western Conference der Major League Soccer und voll auf Kurs Playoffs, in der getrennt davon ausgespielten Canadian Championship steht das Team im Halbfinale und „ist auf dem Weg, zum vierten Mal in Serie kanadischer Meister zu werden, das gab es noch nie“, wie Axel Schuster stolz betonte. Der deutsche Manager mit einer Vergangenheit beim FC Schalke 04 und dem FSV Mainz 05 ist seit bald sechs Jahren als Sportdirektor in der Verantwortung und findet Stadt, Team und Fans hätten sich den größten Transfer ihrer Geschichte und die damit verbundene Aufmerksamkeit „verdient“.
Wichtig ist Schuster aber auch: „Wir haben Thomas nicht wegen der Aufmerksamkeit verpflichtet. Sondern weil er dem Team weiterhelfen wird.“ Schon im ersten Videocall zwischen Schuster, Müller und Trainer Jesper Sörensen sei es lange und intensiv um Müllers Rolle im Team gegangen. „Ich habe schnell gemerkt, es geht ihm nicht ums Geld, es geht ihm um Fußball“, sagte Schuster der Deutschen Presse-Agentur. „Es stört ihn nicht, dass wir ein kleiner Club sind. Es stört ihn nicht, dass wir auf Kunstrasen spielen. Ihm geht es wirklich um Fußball und unsere Idee davon.“
Müller mag Sörensen - schon am ersten Tag des Kennenlernens ist der Umgang so vertraut, dass der Deutsche dem Dänen eine kraftvolle Schultermassage auf der Bühne verpasst. Müller fühlt sich wohl in seiner neuen Umgebung. „Meine ganze Karriere lang habe ich es immer gut geschafft, mich auf meine Umfelder relativ schnell einzustellen. Meine Mannschaften, auch wenn ich immer bei Bayern geblieben bin, meine Mitspieler haben sich verändert“, erklärte er. „Der Spielstil des Fußballs hat sich verändert, und ich habe immer wieder meine Nischen gefunden, wichtig für Teams zu sein, und darum geht es eigentlich.“
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