Das renommierte Grimme-Institut vermisst im deutschen Fernsehen freche, mutige und ungewöhnlich besetzte Spielfilme. Bei der Nominierung von Beiträgen für den diesjährigen Grimme-Preis sei deshalb im Bereich Fiktion das mögliche Kontingent erneut nicht ausgeschöpft worden. „Die Zahl der in dieser Kategorie nominierten Fernsehfilme hat damit einen historischen Tiefstand erreicht“, erklärte die Leiterin des Grimme-Preises, Lucia Eskes, am Donnerstag.
Aus mehr als 700 Einreichungen wurden laut einer Mitteilung 64 Produktionen und Einzelleistungen für die Preise nominiert. Dabei gibt es die vier Kategorien Information & Kultur, Fiktion, Unterhaltung sowie Kinder & Jugend. Nächste Woche starten die Jurys mit der endgültigen Auswahl. Am 6. März sollen die Träger der bis zu 16 Grimme-Preise sowie von zwei Zusatzpreisen bekanntgegeben werden.
Das Institut im nordrhein-westfälischen Marl beobachtet nach den Worten eines Sprechers seit einiger Zeit Probleme beim klassischen 90-Minuten-Spielfilm - anders als bei den oft aufwendig produzierten Serien. Der Mut, Geschichten anders und neu zu erzählen, die visuelle Experimentierfreude und ungewöhnliche und überraschende Besetzungen fänden sich dagegen in vielen seriellen Formaten, sagte Eskes.
Als Beispiel für eine gelungene Serienproduktion wurde „Angemessen Angry“ (RTL/RTL+) für einen Grimmepreis nominiert. In der Serie bekämpft das Zimmermädchen Amelie mit Superkräften Sexualstraftäter. Nominiert sind auch die ARD-Degeto-Serie „Schwarze Früchte“ zur Lebensrealität von Schwarzen und queeren Menschen in Hamburg und die ZDFneo-Original-Serie „Push“ zum gelegentlich dramatischen Alltag in der Geburtshilfe.
Viele der nominierten Beiträge spiegelten umstrittene Themen wie Flucht und Migration, das Erstarken des Rechtsextremismus, Klimawandel und sexualisierte Gewalt, lobte die seit Jahresbeginn tätige neue Instituts-Chefin Çiğdem Uzunoğlu.
Nominierte Beispiele sind auch Produktionen wie „Gefangen im Zorn – Aufwachsen im Westjordanland“ (ZDF/ARTE) über das Leben im Flüchtlingslager und einer Siedlung bei Nablus oder „Ausgesetzt in der Wüste: Europas tödliche Flüchtlingspolitik“ (BR/DW/NDR) zur Flüchtlingskrise im Mittelmeer. Nominiert wurden auch die Reporterinnen Isabell Beer und Isabel Ströh für ihre Digital-Recherchen zu Filmen über Pädokriminelle und Vergewaltiger (NDR/funk).
„Über insgesamt 58 Nominierungen können sich in diesem Jahr die öffentlich-rechtlichen Sender freuen, sechs Nominierungen gehen an private beziehungsweise Streaminganbieter“, erklärte die Grimme-Chefin.
Für besondere journalistische Leistungen wurden die Nahost-Korrespondentin Golineh Atai, der Meteorologe Özden Terli für seine eindringliche Vermittlung des Ausmaßes der Klimakatastrophe und die Redaktion des ZDF-Magazins „Frontal“ für die ausdauernde investigative Berichterstattung zu energie- und klimapolitischen Themen nominiert.
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