Ökonomen aus Deutschland und Frankreich fordern von der EU, im Zollstreit mit den USA Freihandelsabkommen mit anderen Wirtschaftsräumen voranzutreiben. Die EU müsse „eine Führungsrolle bei der Verteidigung der globalen Handelsordnung übernehmen“, schreiben die Experten in einer Stellungnahme des französischen Conseil d'analyse économique und des Deutsch-Französischen Rates der Wirtschaftsexperten.
Je offener die Weltwirtschaft trotz der US-Zölle bleibe, desto geringer würden die Kosten der Zölle für die europäischen Volkswirtschaften sein. „Die EU muss europäische Unternehmen, deren Zugang zu den US-Märkten beschränkt wird, dabei unterstützen, neue Exportmärkte zu erschließen und neue Handelspartner zu finden“, sagte Monika Schnitzer, Co-Vorsitzende des Deutsch-Französischen Rates der Wirtschaftsexperten.
Die deutsch-französischen Ökonomen halten es für sehr wahrscheinlich, dass der US-Basiszoll von zehn Prozent dauerhaft angelegt sei. Die ökonomischen Folgen seien für die USA aber schwerer als für die EU, heißt es in der Analyse. Der geschätzte Rückgang der realen Produktion für die USA liegt nach Berechnungen der Volkswirte zwischen 1,0 und 1,63 Prozent. Dagegen dürften die Folgen dieser Zollerhöhung auf die EU-Staaten mit rund 0,15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes deutlich geringer sein.
In einem zweiten untersuchten Szenario für die von Trump am „Tag der Befreiung“ im April verkündeten höheren Zölle sei der Rückgang der realen Produktion stärker: Dann betrage er in der EU zwischen 0,22 und 0,33 Prozent.
Die EU solle das Aussetzen von Teilen der US-Zölle für 90 Tage nutzen, um das Handelsabkommen mit den lateinamerikanischen Mercosur-Staaten zu unterzeichnen und Handelsabkommen mit anderen Staaten voranzutreiben, schreiben die Ökonomen.
„Gleichzeitig muss sie entschiedene Gegenmaßnahmen vorbereiten, für den Fall, dass die US-Administration die angedrohten und aktuell ausgesetzten reziproken Zölle wieder in Kraft setzt“, betonte Schnitzer, die dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Wirtschaftsweise“) vorsitzt. Die Ökonomen nennen eine Zugangsbeschränkung zum EU-Markt, regulatorische Maßnahmen bei digitalen Dienstleistungen und Gegenzölle auf US-Produkte.
Mehr Freihandelsabkommen der EU hatte zuletzt auch der Ökonom Gabriel Felbermayr gefordert. Nicht nur das Mercosur-Abkommen sei praktisch unterschriftsreif, sondern auch Verhandlungen mit Indien und Australien seien fortgeschritten, sagte der frühere Leiter des IfW Kiel kürzlich.
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