Ein großes Blatt Papier, ein dicker roter Filzstift und die einfache Frage: „Was kann ich für Sie tun?“ Viel benötigte Peter Zwegat nicht, um seinen Klienten ihre finanzielle Schieflage aufzuzeigen. Zu hohe Ausgaben, zu wenige Einnahmen - so simpel war es oft. Aber wenn Zwegat es penibel niederschrieb, hatte es ein anderes Gewicht. Zeitweise galt der Berliner als so etwas wie der ultimative Schulden-Guru der TV-Republik. Nun ist Zwegat, bekannt durch die Sendung „Raus aus den Schulden“, im Alter von 74 Jahren gestorben. Das teilte sein früherer Sender RTL der Deutschen Presse-Agentur mit.
„Raus aus den Schulden“, 2007 erstmals ausgestrahlt, galt als Überraschungshit. Niemand hatte das Format so recht auf dem Radar, plötzlich holte es Top-Quoten. Das lag - so ließ es sich schnell analysieren - auch und vor allem an Zwegat. In seine TV-Karriere brachte der ausgebildete Verwaltungsbeamte und Sozialpädagoge damals bereits etliche Jahre als Schuldnerberater auf dem Buckel mit. Und das merkte man. Zwegat war kein Problem fremd, nichts strahlte Dünkel aus. Auch nicht, wenn er in die finanzielle Vorhölle hinabstieg, die ihm manche Klienten zwischen kistenweise ungeöffneten Rechnungen und abstrus unnötigen Anschaffungen präsentierten.
Die Sendung hatte einen recht festen, legendären Ablauf: Es wurden Einzelpersonen oder Familien vorgestellt, die massive Finanzprobleme haben. Dann hörte man treibende Musik und sah Peter Zwegat. „Ein Schuldnerberater mit über 20-jähriger Erfahrung“, verkündete eine Stimme. „Ihm geht es nicht um seinen Gewinn, wenn er hilft. Denn er berät kostenlos.“ Das Intro war derart ikonisch, dass es regelmäßig verwitzelt wurde. Etwa von der TV-Parodie „Switch Reloaded“, die zu ähnlichen bedeutungsschwangeren Bildern textete: „Peter Zwegat geht es nicht um den Profit. Peter Zwegat will einfach nur ins Fernsehen.“
Ob das den Kern traf - nun ja. Zwegat fremdelte in Teilen durchaus mit seiner plötzlichen Bekanntheit. „Ich genieße meine Popularität ja“, erzählte er 2011. „Aber wenn man zum sechsten Mal die Pranke eines Möbelpackers zwischen den Schultern spürt, wird die Bekanntheit zur Last.“ Auch Besuche bei seinem Lieblingsclub, Hertha BSC Berlin, empfand er deswegen zeitweise nicht mehr als reine Freude. Der Vorteil der Popularität indes: Als passionierter Raucher war er neben Altkanzler Helmut Schmidt einer der wenigen Promis, die im Fernsehen qualmen durften, ohne gleich eine Lawine der Entrüstung fürchten zu müssen.
Vorwürfe, seine Show sei zu reißerisch, perlten an Zwegat ab. In einem Interview mit dem „Spiegel“ sagte er 2007, dass er viele Klienten habe, die das Wort Dispositionskredit nicht buchstabieren könnten - aber dennoch einen hätten. Man übertreibe da nichts. „Die Realität ist doppelt so schlimm.“ Er war auch bei seinen Klienten dafür bekannt, notfalls harte Worte finden zu können - und dennoch ein gewisses Verständnis auszustrahlen. Ein Bürokrat mit Herz. So etwas wünschte sich jeder, der Probleme mit dem Amt bekam.
Die Sendung passte überdies in die Zeit. Angela Merkel zeichnete 2008 das Bild der sparsamen schwäbischen Hausfrau, um zu erklären, dass man nicht mit Milliarden Euro um sich werfen könne. Zwegat war quasi diese Hausfrau - nur als Mann und aus Berlin.
Bis 2019 gab es Ausgaben von „Raus aus den Schulden“. RTL zählt fast 140 Folgen und mehrere Specials auf. Selbst Prominente wurden Zwegat zu Hilfszwecken zugeführt, etwa Nadja „Naddel“ Abd el Farrag. Neben der Moderatorin und Sängerin wirkte der Finanzexperte mit der nüchternen Brille und der Verwaltungsbeamten-Krawatte wie ein Taschenrechner neben einer Discokugel.
Erst jetzt wurde bekannt, dass Zwegat bereits am 9. August gestorben ist - plötzlich und unerwartet, wie RTL mitteilte. Die Beisetzung habe im engsten Kreis stattgefunden. „In Gedanken sind wir bei Peter Zwegats Frau und seinen Freunden“, sagte Unterhaltungschef Küttner. 2011 hatte der Schuldnerberater Senderangaben zufolge seine langjährige Partnerin Liane Scholze geheiratet.
RTL würdigte Zwegat für sein „umfangreiches Wissen und seine unvergleichliche Expertise“, die er in die Wohnzimmer zahlreicher Zuschauerinnen und Zuschauer gebracht habe. „Peter Zwegat hat mit seinem außergewöhnlichen Engagement und seiner Herzenswärme zahlreichen Menschen geholfen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen“, sagte Küttner. „Seine Fähigkeit, komplexe finanzielle Probleme verständlich zu erklären und Lösungen anzubieten, war beeindruckend.“
RTL kündigte an, im Gedenken an den Schuldnerberater auch das Programm zu ändern und ausgewählte Folgen von „Raus aus den Schulden“ zu zeigen (Montagabend ab 20.15 Uhr bei RTLup und Samstag ab 14.00 Uhr bei RTL).
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