Für diesen besonderen Karriere-Moment musste Cristiano Ronaldo 40 Jahre alt werden. Fünfmal verließ der mehrmalige Weltfußballer in seiner großartigen Laufbahn in Länderspielen gegen Deutschland den Rasen in der von ihm so verhassten Rolle des Verlierers. Bis ihm auf dem Weg mit Portugal ins Endspiel der Nations League am Sonntag (21.00 Uhr) in München nun der so sehnsüchtig erwartete Premierenerfolg glückte.
Und das, ganz Ronaldo-like, mit einem Rekord. Der frühere Superstar von Real Madrid ist nach dem 2:1 im Halbfinale der älteste Spieler, der je ein Tor gegen die deutsche Nationalmannschaft erzielt hat. Bislang war der damals 38-jährige Bosnier Edin Dzeko ältester Gegentorschütze.
Beim Siegtor stand Ronaldo im 220. Länderspiel perfekt und erzielte seinen 137. Treffer. „Sein Ehrgeiz, immer weiterzumachen, ist unglaublich“, sagte Manchester-City-Profi Bernardo Silva. Trainer Roberto Martínez lobte Ronaldo als absolutes Vorbild. „Cristiano verliert nie seinen Hunger, seinen Antrieb. Er spielt nicht, um Rekorde zu erreichen, sondern um besser zu werden.“
Über die „krassen Zahlen“ von Ronaldo staunte auch schon vor dem Spiel Jubilar und DFB-Kapitän Joshua Kimmich, der gegen die Portugiesen sein 100. Länderspiel absolvierte. Als Ronaldo erstmals gegen Deutschland verlor, trug der heute 55-jährige Oliver Kahn im DFB-Team noch die Kapitänsbinde.
Wer den Ehrgeiz von Musterprofi Ronaldo kennt, ahnt, wie die Länderspiel-Misere gegen deutsche Mannschaften an diesem genagt haben muss. Das Spiel um Platz drei bei der WM 2006 verlor er gegen Kahn & Co. mit 1:3. Bei der WM 2014 gingen er und seine Portugiesen im Gruppenspiel mit 0:4 gegen den späteren Weltmeister unter.
Bei Europameisterschaften lief es ähnlich schlecht: 2008 hieß es 2:3 im Viertelfinale, 2012 verlor er in der Gruppenphase 0:1 - und 2021 gewann die DFB-Elf mit 4:2. Damals - übrigens auch in München - glückte ihm wenigstens mal ein Tor gegen Deutschland. Aber das war's auch schon an Freude für Ronaldo. Den ersten Sieg kostete der im Stadion mit den meisten Emotionen bedachte Superstar ohne große Worte aus. Fast unbemerkt eilte CR7 durch die Münchner Fußballarena zum Mannschaftsbus.
25 Jahre hatte Deutschland bis zum Mittwochabend kein Länderspiel gegen Portugal verloren - bis vor Ronaldos finalem Treffer wieder ein Conceição als Schreckgespenst auftauchte. Bei der EM 2000 in den Niederlanden und Belgien sorgte Sérgio Conceição als dreifacher Torschütze beim 3:0 einer portugiesischen B-Elf für das blamable Vorrunden-Aus der deutschen Nationalmannschaft. Nun war es dessen 22 Jahre alter Sohn Francisco, der nach seiner Einwechslung für die Wende zugunsten seines Landes sorgte.
Nur fünf Minuten nach seiner Einwechslung traf der Flügelflitzer von Juventus Turin nach einem Turbo-Antritt zum 1:1. Lohn für den agilen Auftritt war neben dem Endspiel-Einzug die Kür zum Spieler des Spiels.
„Ich spreche jeden Tag mit meinem Vater, vor jedem Spiel. Das ist ein Ritual von uns. Er hat mir Glück gewünscht und gesagt, ich soll das Beste tun, was ich kann“, erzählte Conceição voller Stolz. Der 50 Jahre alte Papa dürfte sehr zufrieden gewesen sein.
Die Conceição-Familientradition dokumentiert eindrucksvoll die Langlebigkeit der glorreichen Ronaldo-Ära. Die Länderspielkarriere von Papa Conceição endete damals, als die von Ronaldo begann. Und jetzt spielt der ewige Cristiano mit dem Sohn. „Er hat mit 40 noch einen sehr guten Körper und investiert dafür alles“, sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann. „Ich glaube, er ist sich aber auch bewusst, dass nicht mehr alles so geht wie mit 30.“
Aber das war Ronaldo, dessen Vertrag bei Al-Nassr FC in Saudi-Arabien am 30. Juni ausläuft, im Moment des Premierensieges ziemlich egal. Der Europameister von 2016 und Nations-League-Sieger von 2019 könnte nun auf der Zielgeraden seiner einzigartigen Laufbahn noch einmal einen internationalen Titel gewinnen. Karriereende? Eigentlich nicht vorstellbar.
Zumal FIFA-Präsident Gianni Infantino zuletzt Spekulationen angeheizt hatte, dass der Superstar mittels Vereinswechsel bei der Club-WM in den USA auflaufen könnte. Überraschen würde das ebenso wenig, wie ein weiteres Duell von Ronaldo mit Deutschland bei der WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko.
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