Der langjährige Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hat einen großen Wunsch für das Champions-League-Endspiel zwischen Inter Mailand und Paris Saint-Germain. „Ich hoffe vor allem, dass das Finale die hohe Qualität der Halbfinals fortsetzt – das war möglicherweise das Beste, was ich je auf diesem Niveau in der Champions League gesehen habe“, sagte Rummenigge im Interview der Deutschen Presse-Agentur.
„Es wird definitiv ein enges Spiel. Fehler darf man sich keine erlauben, und das Quäntchen Glück gehört auch dazu. Ich gönne es beiden Teams, aber wünsche es Inter natürlich ein Stück weit mehr aufgrund meiner Vergangenheit. Es wäre schön, wenn Inter nach 15 Jahren Wartezeit ihren Tifosi endlich wieder einmal diese prestigeträchtige Trophäe präsentieren dürfte“, sagte Rummenigge.
Von 1984 bis 1987 spielte der heute 69-Jährige für Inter. Im Interview spricht er über einen Grund für die deutsche Tradition bei Inter, was die Finalisten auszeichnet und warum er nicht mit dem Aus des FC Bayern hadert.
Frage: Herr Rummenigge, mit welchen Erwartungen blicken Sie dem Champions-League-Finale entgegen?
Antwort: Aus zwei Gründen blicke ich sehr interessiert auf das Finale: Zum einen, weil es in München stattfindet – zum ersten Mal wieder seit 13 Jahren. Auch wenn wir es damals leider nicht gewinnen konnten, ist dieses Spiel doch zum anderen das, das die Fußballwelt in Europa am meisten elektrisiert.
Frage: Wie sehr schlägt Ihr Herz noch für Inter Mailand?
Antwort: Ich hatte drei außergewöhnliche Jahre in Mailand, die mich sehr geprägt haben – sportlich wie menschlich. Ich habe bis heute große Sympathien für den Club. Der CEO, Giuseppe ‚Beppe‘ Marotta, ist ein sehr guter Freund von mir und ich habe viele Kontakte auch zu anderen handelnden Personen im Management. Beruflich hat mir die italienische Sprache und vieles, was ich dort lernen durfte, später als Verantwortlicher des FC Bayern sehr geholfen – in einer Zeit, in der die Serie A das Maß aller Dinge war, hat es mir viele Türen geöffnet.
Frage: Warum hat Inter Mailand eine so große deutsche Tradition?
Antwort: Das liegt sicher an den guten Erfahrungen, die der Club mit deutschen Spielern gemacht hat – unter anderem mit Lothar Matthäus, Andreas Brehme oder Jürgen Klinsmann - und auch mit mir. Ich habe immer gesagt: München ist die nördlichste Stadt Italiens – und Mailand vielleicht die südlichste Deutschlands. Da gibt es viele Verbindungen, die Lombardei mag Bayern.
Frage: Wie bewerten Sie die Rolle der beiden Ex-Bayern Benjamin Pavard und Yann Sommer bei Inter?
Antwort: Beide haben sich hervorragend eingefügt und spielen eine wichtige Rolle. Pavard hat uns mit seinem Kopfballtor im Viertelfinale ja gewissermaßen die Tür zum Halbfinale zugeschlagen. Und Yann Sommer hat gegen den FC Barcelona wirklich überragend gehalten – die Glanztaten gegen Lamine Yamal waren außergewöhnlich. Ich freue mich sehr für ihn. Er hat in München oberhalb von uns gewohnt, wir haben uns oft gesehen. Er ist damals ein Stück weit vor unserem damaligen Trainer geflüchtet – umso bemerkenswerter ist, wie stark und konstant er jetzt bei Inter Mailand performt. Das zeigt seine Qualität, gerade im fortgeschrittenen Fußballeralter.
Frage: Wie sehen Sie Paris Saint-Germain, das sich nach der Ära der Superstars neu aufgestellt hat und jetzt eine große Titelchance hat?
Antwort: Paris hat eine beeindruckende Entwicklung durchgemacht. Die Club-DNA hat sich komplett verändert. Früher, nach dem Investoren-Einstieg, setzte man stark auf große Namen – heute auf ein homogeneres Team. Zwei Dinge waren dabei entscheidend: Erstens haben sie ihre Payroll deutlich reduziert – viele der Größtverdiener, die auch für Unruhe in der Kabine sorgten, sind nicht mehr da. Zweitens haben sie mit Luis Enrique endlich den passenden Trainer gefunden. PSG ist für mich die große Überraschung dieser Saison. Sie sind die einzige Mannschaft in Europa, die noch das Triple gewinnen kann – und der Champions-League-Titel fehlt ihnen ja noch. Ich habe Nasser Al-Khelaifi, mit dem ich befreundet bin, schon 2020 gesagt: Man braucht Geduld, um diesen Titel zu holen. Damals, in Lissabon, war er sehr enttäuscht – vielleicht ist jetzt der Moment gekommen.
Frage: Welche Bedeutung hat das Endspiel für München?
Antwort: München ist in diesem Sommer die Hauptstadt des europäischen Fußballs – zuerst das Champions-League-Finale, dann das Finale der Nations League. Die Stadt darf sich wirklich glücklich schätzen, Gastgeber für diese beiden Großereignisse zu sein. Die Allianz Arena ist auch nach 20 Jahren eines der modernsten Stadien Europas. Und mit der bayerischen Gastfreundschaft werden sich München und der Freistaat als großartiger Gastgeber präsentieren.
Frage: Ist das Finale für Sie als Inter-Fan zumindest ein kleines bisschen ein „Finale dahoam“?
Antwort: Dann wäre das Finale ja in Mailand (schmunzelt). Aber ich stelle fest, dass ich aktuell extrem viele Ticketanfragen bekomme von meinen italienischen Freunden – nur leider kann ich nicht alle erfüllen, denn das Spiel ist restlos ausverkauft.
Frage: Wie sehr hadern Sie damit, dass der FC Bayern es nicht ins Finale geschafft hat?
Antwort: Ich hadere überhaupt nicht. Wir haben eine durchwachsene Champions-League-Saison gespielt, vor allem in der Gruppenphase nicht überzeugt. Unser Ziel war es, direkt unter die besten acht Teams zu kommen – aber mit drei Niederlagen ist das nicht gelungen. Gegen Leverkusen haben wir sehr gute Spiele gemacht, gegen Inter haben wir uns angesichts unserer Verletzungssituation ordentlich verkauft. Aber um ins Finale zu kommen, muss wirklich alles passen – das war diesmal leider nicht der Fall.
Frage: Und was ist Ihr Tipp fürs Endspiel?
Antwort: Ich hoffe vor allem, dass das Finale die hohe Qualität der Halbfinals fortsetzt – das war möglicherweise das Beste, was ich je auf diesem Niveau in der Champions League gesehen habe. Es wird definitiv ein enges Spiel. Fehler darf man sich keine erlauben, und das Quäntchen Glück gehört auch dazu. Ich gönne es beiden Teams, aber wünsche es Inter natürlich ein Stück weit mehr aufgrund meiner Vergangenheit. Es wäre schön, wenn Inter nach 15 Jahren Wartezeit ihren Tifosi endlich wieder einmal diese prestigeträchtige Trophäe präsentieren dürfte.
Zur Person: Karl-Heinz Rummenigge feierte als früherer Weltklassestürmer mit dem FC Bayern München große Erfolge. Mit der Nationalmannschaft wurde er zweimal Vize-Weltmeister. Nach seiner aktiven Karriere kehrte er 1991 zunächst als Vizepräsident zum FC Bayern zurück und setzte als Vorstandsvorsitzender von 2002 bis 2021 Maßstäbe. Bis heute ist er Aufsichtsratsmitglied des deutschen Rekordmeisters.
© dpa-infocom, dpa:250529-930-605443/1