Sie können nicht von Altschauerberg lassen: Auch drei Jahre, nachdem der umstrittene Youtuber „Drachenlord” aus dem Ort im Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim ausgezogen ist, bleibt das Dorf eine Pilgerstätte für diejenigen, die ihn „hassen”. Nun hatten sie erneut zum „Schanzenfest” aufgerufen. Die Ereignisse im Protokoll.
Was da am Samstag auf Emskirchen zukam, das hatte die Polizei offenbar deutlich unterschätzt: 4000 „Hater”, die zum Sturm auf die „Drachenschanze” bliesen. In und um Altschauerberg spielten sich skurrile und heikle Szenen ab. Die FLZ war vor Ort – die ganze Geschichte eines Tages, den die Beteiligten so schnell nicht vergessen dürften:
Der 16-Jährige, der von Polizisten am Samstag vorläufig festgenommen wurde, blieb nicht über Nacht in Gewahrsam. Es sei organisiert worden, ihn seinen Erziehungsberechtigten zu übergeben, erläutert Polizeisprecher Marc Siegl.
Der 20-Jährige, der sich beim Einbruch in eine Jagdhütte verletzte, kam in ein Krankenhaus. Auch ihn erwartet Post von der Staatsanwaltschaft.
Wie Marc Siegl auf FLZ-Nachfrage berichtet, blieb über Nacht ein befürchteter erneuter Ansturm auf Altschauerberg aus. Gegen 23 Uhr hätten sich noch einmal rund 200 Personen im Raum um den Ort aufgehalten, diese seien jedoch von der Polizei weggeschickt worden. Zu weiteren Straftaten kam es laut Siegl nicht.
Allerdings schraubt die Polizei nun die Anzahl der Personen nach oben, deren Identität festgestellt wurde, und auf die nun ein Ordnungswidrigkeitsverfahren zukommt: Statt zunächst von 100 Menschen spricht Siegl jetzt von 160.
Mittlerweile liegt die offizielle Bilanz des Polizeipräsidiums Mittelfranken vor. Im Verlauf des Einsatzes kam es demnach unter anderem zu einer Beleidigung von Einsatzkräften, einer Sachbeschädigung sowie zu einem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Ein 16-jähriger Tatverdächtiger wurde in diesem Zusammenhang vorläufig festgenommen. Des Weiteren zündeten unbekannte Täter mehrfach Böller im angrenzenden Wald.
Dort oben im Forst hatte sich nach der heißen Phase am Rande Altschauerbergs ein 20-jähriger Mann verletzt, berichtet die Polizei. „Er zog sich beim Einsteigen in eine in dem Wald befindliche Jagdhütte eine stark blutende Schnittwunde am von ihm eingeschlagenen Fensterglas zu”, heißt es im Bericht. Der junge Mann musste zunächst von Einsatzkräften der Polizei und im weiteren Verlauf vom Rettungsdienst versorgt werden. Zudem musste die Feuerwehr anrücken, um den Hater aus dem unwegsamen Gelände zu bergen.
Gegen 16.30 Uhr strömte die Mehrzahl der Anwesenden – der überwiegende Teil in Richtung Emskirchen – wieder ab. Bei rund 100 vor Ort befindlichen Personen stellten die Einsatzkräfte nach eigenen Angaben noch die Identität fest und leiteten entsprechende Ordnungswidrigkeitenverfahren ein.
Die Polizei zeigt sich in einer Zwischenbilanz vom Ansturm überrascht: 4000 „Haider” schätzt Marc Siegl, Sprecher des Polizeipräsidiums Mittelfranken, seien vor Ort gewesen – „die meisten jung, männlich, erlebnisorientiert”. Mit so vielen hatte die Einsatzleitung zuvor nicht gerechnet. Angesichts dessen ziehen die Beamten – im Einsatz waren neben der Polizeiinspektion Neustadt/Aisch laut Siegl auch „geschlossene Einheiten” wie die Reiterstaffel und das USK – eine insgesamt positive Bilanz. Es sei „weitestgehend friedlich” gelaufen, trotz des geplanten Schanzensturms.
Das bedeutet aber keinesfalls, dass das „Schanzenfest” ohne Zwischenfälle abgelaufen ist. Der Polizeisprecher nennt eine Beleidigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und im Wald gezündete Böller, vor allem durch Einzelpersonen. Mehrere Besucher wurden durch Polizisten abgeführt, ein Mensch sei vorläufig festgenommen worden.
Auch Rettungseinsätze hatte es am Rande gegeben, die Marc Siegl aber vor allem auf die Hitze und damit verbundene Kreislaufbeschwerden zurückführt. Von Verletzten sei ihm bislang nichts bekannt.
In Altschauerberg ist es derweil ruhiger geworden. Die Scharen sind nach ihrem Marsch zurück in Emskirchen eingetroffen und feiern dort am und auf dem Areal des Rewe-Markts ihre „Aftershowparty”. Siegl: „Da haben wir natürlich weiterhin ein Auge drauf.”
Es gibt einen neuen Aufruf der „Haider”, sich im Rewe-Markt in Emskirchen zu treffen. Dort wurde daher eine Einlasssperre verhängt. Auch der normale Samstagseinkauf ist daher nicht mehr möglich. Im Laden befinden sich zur Absicherung Polizeikräfte.
Altschauerberg hat sich geleert. Viele „Haider” sind zurück in Emskirchen, steigen in ihre Autos. Es bildet sich wieder ein vergleichbarer Stau wie gegen Mittag. Allerdings ist zu erwarten, dass eine größere Gruppe noch eine Weile vor Ort bleiben und dort den Rest des Tages verbringen wird. Das eigentliche „Schanzenfest” jedoch ist nach derzeitigen Erkenntnissen vorbei.
Die Polizei hat den Sturm abgewehrt. Die Masse löst sich gerade auf, einige „Haider” rennen zwar in den Wald, offenbar, um aus der anderen Richtung doch noch an die Schanze zu kommen. Aber die Mehrzahl macht sich auf den Weg zurück nach Emskirchen. Die Polizei ist mittlerweile in der Überzahl. Das liegt auch daran, dass zusätzliche USK-Kräfte aus Nürnberg von der dort zeitgleich stattfindenden CSD Demo abgezogen und nach Altschauerberg geschickt worden waren.
Eine gute halbe Stunde allerdings gab es vorher eine Patt-Situation zwischen Polizei und „Haidern”. Sie standen sich an der Polizeisperre auf dem Weg zur Schanze direkt gegenüber. Die Polizei wich nicht zurück, sondern hielt Schlagstöcke und Pfefferspray bereit. Zu gegenseitigen Angriffen kam es dabei allerdings nach derzeitigen Informationen nicht.
Die Menge setzt zum Sturm auf die Schanze an, also auf das Gelände, auf dem früher das Wohnhaus des Drachenlords stand. Ihre Parole in Richtung der Polizei: „Wir sind mehr. Wir zermalmen euch.” Es herrscht Ausnahmezustand in Altschauerberg. Aktuelle Fotos der Situation in dem kleinen Ort gibt es derzeit nicht: Die Internetverbindung vor Ort ist so schlecht, dass keine Übertragung möglich ist.
Die Polizei will offenbar verhindern, dass der Tross Altschauerberg überhaupt erreicht. Sie hat den kleinen Ort abgeriegelt. Doch einzelne „Haider” versuchen, durchzukommen und sind im Wald verschwunden. Polizisten haben die Verfolgung aufgenommen. Es sind explodierende Böller zu hören. Es beginnt eine Art Katz-und-Maus-Spiel von Polizei und einem Teil der „Haider”. Deren größter Teil allerdings versammelt sich vor dem Feuerwehrhaus unterhalb des Orts. Landrat Dr. Christian von Dobschütz ist vor Ort angekommen, um die Geschehnisse selbst direkt zu beobachten.
Der Tross zieht durch Emskirchen, da die kürzeste Route von der Polizei versperrt ist. Die feiernden und grölenden Menschen hinterlassen eine Spur von Müll und Glasscherben auf der Straße, doch ansonsten ist bisher alles friedlich. Etwa 50 Minuten haben sie für den Weg bis Altschauerberg angesetzt.
„Auf zur Schanze”: Die lautstarke Karawane setzt sich in Bewegung. Die Stimmung heizt sich auf, Bier und Sommerhitze tun einiges dazu. Die Polizei beginnt, einzelne Personen aus der Menge herauszuziehen.
An die tausend „Haider” haben sich vor dem Rewe-Markt in Emskirchen versammelt. Sie schreien durcheinander, stimmen auch immer wieder Sprechchöre an, in denen sie den Namen des Drachenlords skandieren. Auch ein großes Transparent mit einem Foto von ihm haben sie dabei. Ihre Forderung: „Baut die Schanze wieder auf!” Rund um die Versammlung herrscht Verkehrschaos.
Nach und nach treffen immer mehr Menschen vor dem Rewe-Markt in Emskirchen ein. Er ist der vereinbarte Treffpunkt, um dann gemeinsam nach Altschauerberg zu ziehen. Es herrscht eine Art Volksfeststimmung. Noch ist aber alles entspannt.
Schon am Vorabend vor dem angekündigten „Schanzenfest” treffen „Haider” in Emskirchen ein. Eine zunächst berichtete Verwüstung eines Nettomarkts kann die Polizei nicht bestätigen. Im ganzen Gemeindegebiet gab es mehrere spontane Feuerwerke.
Die Gemeinde Emskirchen hat für 2025 eine strenge Allgemeinverfügung erlassen, unter anderem mit Versammlungsverboten. Die Polizei wird mit mehreren Hundertschaften im Einsatz sein, auch berittene Polizisten sind vor Ort. Ziel ist der Schutz der Bewohner von Altschauerberg.
Hunderte Drachenlord-Hasser erwartet die Polizei in dem Ortsteil von Emskirchen. Die Gemeinde hatte das Wohnhaus des Youtubers zwar inzwischen abreißen lassen. Doch Teile des Anwesens stehen noch. Sie sind nach wie vor Anziehungspunkt für „Haider”, wie sich die Zehntausenden-Menschen bezeichnen, die ihre Abneigung gegen den „Drachenlord” vorwiegend im Internet kundtun. 2018 hatten sich im Rahmen eines angekündigten „Schanzenfests” 600 bis 800 Menschen versammelt. Böller flogen, es kam zu Schmierereien und einem Feuer.
Dass Altschauerberg zum Schauplatz für „Haider” wurde, liegt bereits Jahre zurück. Rainer W., der unter dem Pseudonym „Drachenlord” mit Clips auf Youtube bekannt wurde, eckte seit Anfang der 2010er Jahre im Internet immer wieder mit teils extremen Ansichten an. Schnell wurde er von Kritikern im Internet beschimpft, gemobbt, gestalkt.
2013 brüllte Rainer W., zornig über die Gegenprovokateure, seine Wohnadresse in die Weiten des Internets: „Kommt zu mir und legt euch mit mir an”, das war die Botschaft. Seitdem pilgern immer wieder „Hater”, (oder „Haider” in Anlehnung an den fränkischen Dialekt von Rainer W.) nach Altschauerberg. Zur schweren Belastung für Rainer W. – aber eben auch für die vielen Anwohner, Geschäftsinhaber und sogar die Neustädter Polizei, die allesamt unfreiwillig Teil des hasserfüllten Netzphänomens rund um den „Drachenlord” wurden.
Auch die Justiz bekam die Auswirkungen zu spüren. Es gab zahlreiche Prozesse gegen „Haider”, aber auch gegen den Drachenlord. Er wurde nach gegenseitigen Beschimpfungen gewalttätig und musste sich wegen mehrerer Fälle vor Gericht verantworten. 2022 wurde er vom Landgericht Nürnberg-Fürth einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt und erhielt strenge Bewährungsauflagen.