Mit seinem neuen Ukraine-Friedensplan hat US-Präsident Donald Trump seine europäischen Verbündeten in Alarmstimmung versetzt. Beim G20-Gipfel in Johannesburg haben sich die Europäer am Wochenende sortiert. In den nächsten Tagen wird es für sie nun unter massivem Zeitdruck darum gehen, das Ganze doch noch in eine Bahn zu lenken, die für sie und die von Russland angegriffene Ukraine akzeptabel ist. „Kriege können nicht beendet werden durch Großmächte über die Köpfe der beteiligten Länder hinweg“, gab Bundeskanzler Friedrich Merz als Losung für den Verhandlungsprozess aus.
Trumps Plan hat 28 Punkte, viele davon sind für die Europäer inakzeptabel, weil damit aus ihrer Sicht der Aggressor Russland belohnt würde. Einige meinen, in Teilen komme der Plan einer Kapitulation gleich. Um diese Punkte geht es vor allem:
Dass die USA selbst Profit aus einem Friedensschluss schlagen wollen. Nach den Vorstellungen Trumps sollen in der EU eingefrorene Gelder der russischen Zentralbank so in den Wiederaufbau der Ukraine investiert werden, dass davon maßgeblich auch US-Unternehmen profitieren.
Es gibt einige Ansätze, die als konstruktiv angesehen werden. So soll festgelegt werden, dass die Ukraine ihre von Russland infrage gestellte Souveränität behält und umfangreiche Sicherheitsgarantien und Hilfe beim Wiederaufbau bekommt. Aus europäischer Sicht sind allerdings vor allen die Sicherheitsgarantien bislang nicht so ausformuliert, dass sie Russland dauerhaft und wirksam von einem erneuten Angriff abschrecken würden.
Die EU-Staaten vertreten ziemlich einhellig die Auffassung, dass in der Ukraine auch ihre eigene Sicherheit verteidigt wird. Gibt man den russischen Angreifern in der Ukraine nach, dann könnten andere europäische Staaten als Nächstes angegriffen werden. Vor allem die baltischen Staaten und Polen fühlen sich unmittelbar bedroht. „Wenn die Ukraine diesen Krieg verlieren sollte und möglicherweise kollabiert, dann hat das Auswirkungen auf die gesamte europäische Politik, auf den gesamten europäischen Kontinent“, sagt Merz.
Ihre Forderung nach Einbindung in den Friedensprozess begründen die Europäer unter anderem damit, dass einige Punkte sie ganz unmittelbar betreffen, zum Beispiel das Nein zu einer Nato-Mitgliedschaft, die Verwendung des eingefrorenen russischen Vermögens oder die Rückkehr zu einer G8 mit Russland.
Als Reaktion auf den Friedensplan haben Deutschland, Frankreich und Großbritannien „Änderungsvorschläge“ erarbeitet, die bereits am Samstagmorgen an die USA übermittelt wurden. Öffentlich kommuniziert wurden sie bisher nicht, sie werden aber als sehr weitgehend beschrieben. Nach Angaben aus Verhandlungskreisen soll es unter anderem um weitere Sicherheitsgarantien und den Punkt der Gebietsabtretungen an Russland gehen. Die Europäer wollen ihre Ideen explizit nicht als „Gegenvorschlag“ verstanden wissen, um die Amerikaner nicht von vorneherein zu verprellen. Ziel ist eine gemeinsame Lösung, mit der alle leben können.
Dort haben sich die dort anwesenden Europäer getroffen, um sich abzustimmen - allen voran die G7-Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien. Auch Japan und Kanada wurden eingeladen. Es wurden quasi alle zusammengetrommelt, die die Ukraine in der entscheidenden Phase des Abwehrkampfes gegen Russland nicht im Stich lassen wollen.
Es ist die erste direkte Kontaktaufnahme zwischen den USA, der Ukraine und den Europäern zu dem Friedensplan. Für die USA ist Außenminister Marc Rubio dabei, für die Ukraine Präsidentenberater Andrij Jermak und für Deutschland flog Kanzlerberater Günter Sautter von Johannesburg in die Schweiz. Daneben sind Vertreter von Frankreich, Großbritannien, Italien und der EU dabei. Die Runde soll ausloten, was auf der Grundlage des Friedensplans machbar ist. Die Ergebnisse des Treffens sollen der Ausgangspunkt für weitere Verhandlungen in den nächsten Tagen sein.
Sie haben kaum Druckmittel in der Hand. Die Alternative zu einem schnellen Friedensschluss ist eine Fortsetzung des Krieges, bei dem die Europäer die Ukraine möglicherweise alleine ohne die USA unterstützen müssen. Etliche europäische Spitzenpolitiker geben mehr oder weniger offen zu, dass das mittel- bis langfristig kaum zu leisten ist. So gelten zum Beispiel amerikanische Flugabwehrsysteme vom Typ Patriot auf absehbare Zeit als unverzichtbar, um den ukrainischen Luftraum gegen russische Drohnen und Raketenangriffe zu verteidigen. Ähnliches gilt für die US-Geheimdienstinformationen und weitreichende Raketenwerfer.
Außerdem sind viele Staats- und Regierungschefs zu Hause mit kriegsmüden Wählerinnen und Wählern konfrontiert, die die kostspielige Unterstützung für die Ukraine mehr und mehr infrage stellen. Innerhalb der EU können weitreichende Pläne für mehr Unterstützung für die Ukraine schon heute nicht mehr durchgesetzt werden, weil sie Einstimmigkeit erfordern und von Ländern wie Ungarn und der Slowakei blockiert werden. Aktuell wird darum gerungen, das in der EU eingefrorene Milliarden-Vermögen der russischen Staatsbank für die militärische Hilfe der Ukraine zu nutzen.
Die Erfahrungen mit der letzten Friedensinitiative Trumps. Damals hatte es nach dem persönlichen Treffen von Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin in Alaska schon die Befürchtung gegeben, dass der Ukraine eine Zustimmung zu einem Friedensvertrag aufgezwungen wird. Die Europäer schafften es dann aber, Trump zu einem Umdenken zu bringen. Ein geplantes zweites Treffen mit Putin kam nicht zustande. Stattdessen ließ Trump sogar neue Sanktionen gegen russische Energieunternehmen verhängen.
Es gibt Signale, dass sie für Änderungen offen sind. Am Samstagabend verneinte Trump in Washington die Frage einer Reporterin, ob sein Friedensplan denn nun das letzte Angebot sei.
Er hat eine Frist bis Donnerstag gesetzt. In den USA ist dann Thanksgiving, einer der wichtigsten Festtage des Landes. Es gibt Spekulationen darüber, dass Trump bereits konkrete Pläne für eine Unterzeichnungszeremonie in den USA hat. Allerdings gibt es Zweifel, dass Thanksgiving von den Amerikanern wirklich als unverrückbare Frist angesehen wird. Zu oft haben sich Trumps Fristen in der Vergangenheit als wirkungslos erwiesen.
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