In Spezialanzügen, mit Taucherbrille und Schnorchel suchen Polizeitaucher den Grund des Eisbachs in München ab. Mit einem Schauglas prüfen sie den Boden - und immer wieder tauchen sie in die eisigen Fluten ein, mehr als zwei Stunden lang. Schaulustige werden bei der Aktion von blauem Sichtschutz ferngehalten. Doch die Suche nach der Ursache des tödlichen Surf-Unfalls vor zwei Wochen bleibt ohne greifbares Ergebnis.
Vor allem ging es darum, Gegenstände ausfindig zu machen, an denen sich das Brett der 33-jährigen Surferin oder die daran befestigte Leine verfangen haben könnte.
Es seien aber keine Dinge entdeckt worden, die direkt in Zusammenhang mit dem Unfallhergang gebracht werden könnten, sagte ein Polizeisprecher. Die Taucher hätten kleinere metallische Gegenstände aus dem Wasser gefischt. Hier werde noch überprüft, ob sie eventuell einen Bezug zum Unfall haben könnten.
Die Untersuchung des Bachbetts hatte die Staatsanwaltschaft München I angeordnet. Sie prüft derzeit, ob es eine strafrechtliche Verantwortung für den Unfall geben könnte - in dem Fall ginge es um fahrlässige Tötung.
Für die Suchaktion wurde das Wasser des sonst reißenden Baches abgesenkt. Insgesamt waren rund 50 Polizeibeamte im Einsatz. Die Absenkung ist ökologisch sensibel, unter anderem wegen der Fische. In bestimmten Abständen wird das Wasser in Münchner Bächen abgesenkt, um das Bachbett zu reinigen, am Eisbach zuletzt im Herbst 2022. Dabei wurden laut Baureferat im Bereich der Eisbachwelle keine Gegenstände gefunden.
Die erfahrene Surferin war dort vor zwei Wochen verunglückt. Soweit bisher bekannt, hatte sich die am Knöchel der Surferin befestigte Sicherheitsleine oder das Brett aus unbekannten Gründen am Grund des Eisbachs verhakt.
Die Frau konnte sich wegen der starken Strömung nicht selbst befreien. Auch andere Surfer scheiterten. Erst Feuerwehrleute konnten die Leine mit einem Tauchermesser durchtrennen und die Frau aus den eisigen Fluten holen. Eine Woche später starb sie im Krankenhaus.
Der Fall bewegte weit über Münchens Grenzen hinaus. Für die Szene war es ein schwerer Schlag - tödliche Unfälle beim Flusssurfen sind eher selten.
„Es war erst mal ein Schock“, sagte Franz Fasel, Vorstand der Interessengemeinschaft Surfen in München, die eine Welle an der Floßlände betreibt und betreut.
An der Eisbachwelle haben Menschen Blumen niedergelegt und Kerzen angezündet. An einem extra aufgestellten Surfboard stehen Trauerbekundungen. Es habe ein Gedenken gegeben, langsam kehre etwas Ruhe ein, sagte Fasel. „Natürlich wollen die Leute auch jetzt weitersurfen.“
Das Spektakel der Surfer, die am Eisbach zu jeder Jahreszeit und teils bis tief in die Nacht auf der stehenden Welle ritten, lockte stets auch zahlreiche Touristen an. Zwei Tage nach dem Unglück war die Stelle mit Gittern abgeriegelt worden.
Bisher war das Surfen dort auf eigene Gefahr erlaubt. Die Stadt hat dies nun per neuer Allgemeinverfügung „bis auf Weiteres verboten“. Die Entscheidung, ob und unter welchen Bedingungen wieder gesurft werden kann, liegt bei der Stadt.
Vermutet wird, dass zuerst die Ermittlungsergebnisse abgewartet werden. „Wir sind alle in Warteposition“, sagt Fasel. „Wir bereiten uns natürlich im Hintergrund schon auf entsprechende Gespräche vor, wenn es darum geht, irgendwelche Maßnahmen zur Sicherheit umzusetzen.“
Sollten bauliche Veränderungen nötig sein, könnte das dazu führen, dass Surfen nicht mehr für jeden jederzeit auf eigene Gefahr möglich ist. Derzeit gilt die Eisbachwelle - anders als eigens fürs Surfen gebaute oder optimierte Wellen wie an der Floßlände - als freies Gewässer und nicht als Sportstätte.
Viele Surfer am Eisbach nutzen nach Informationen aus Sportlerkreisen wie die Verunglückte eine normale „Leash“ - Sicherheitsleine - für die Verbindung zum Brett. Diese Leine sei im Wassersport - auch beim Kanusport - immer ein gewisses Risiko, sagt Fasel.
Ein Flusssurfer ertrank etwa 2016 in Österreich, als er in der Leine hängenblieb. Es gibt inzwischen Leinen, die sich bei einer bestimmten Zugkraft von selbst lösen. Allerdings werde das „nicht in der Breite verwendet“, erläuterte Fasel. „Es ist einfach so, dass es sehr selten vorkommt, dass die Leine sich verhängt. So selten, dass es, glaube ich, gar nicht in den Köpfen aller Sportler drinnen ist.“
An der Eisbachwelle wird seit den 1980er Jahren gesurft. „Das ganze Jahr, Tag und Nacht. Und es ist der erste tödliche Unfall“, sagt Fasel. Es habe einzelne Fälle gegeben, in denen sich die Leash verhakt habe; sie seien aber immer glimpflich ausgegangen.
„Wir wünschen uns, dass die Welle wieder öffnet, dass jeder kommen kann, wann er will, surfen kann, so lang er will, kostenlos für alle“, drückt Fasel den Wunsch der Szene aus. Die Hoffnung sei, dass dies weiter in Eigenverantwortung möglich sein werde - und dass die Sportler diese Eigenverantwortung wahrnehmen, etwa durch die Auswahl des Equipments. Und: „Wir wünschen uns natürlich, dass es nie wieder tödliche Unfälle gibt.“
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