Szene einer gutbürgerlichen, langjährigen Ehe: Hans und Rita sehen gerade ein Bildungsprogramm, als ihr Fernseher den Geist aufgibt. Dabei essen sie am Couchtisch zu Abend - Hühnchenteile aus der Tüte. Beide sind kurz vor der Rente und viel zu sagen haben sie einander nicht mehr.
Die deutschen Schauspiel-Stars Ulrich Tukur und Anke Engelke übernehmen im Beziehungsdrama „Dann passiert das Leben“ die Rollen dieses Paars. Der Film erzählt von alten Beziehungs-Gewohnheiten und möglichen Neuanfängen, von Stillstand, Ritualen und dem Versuch, im Alter noch einmal etwas zu verändern.
Im Interview der Deutschen Presse-Agentur zeigten sich Tukur und Engelke von diesen Themen persönlich berührt. So sagte Tukur (68): „Ich hatte das geteilte Vergnügen, so etwas noch intensiver erlebt zu haben – zu Hause bei meinen Eltern. Ich kenn' das, wenn Menschen ein Leben miteinander verbracht haben, alt geworden sind und sich nicht mehr für einander anstrengen. Vielleicht auch nicht mehr die Kraft dazu haben“, sagte der „Tatort“-Schauspieler beim Filmfest Hamburg.
Tukur ist in zweiter Ehe mit der Fotografin Katharina John verheiratet. Seine Kollegin Anke Engelke (59) sagt: „Ich habe alle Modelle von Ehe und Lebensgemeinschaft um mich herum. Ich analysiere das natürlich und denke, warum klappt es hier gut und dort aber nicht.“
In vielen Beziehungen erkenne sie dann, dass die Kommunikation, der Austausch fehlten - allein schon die Frage „Wie geht es dir gerade?“, sagt die in Köln wohnende 59-Jährige.
Im Mittelpunkt des Films „Dann passiert das Leben“ steht ein Ehepaar, das nach vielen gemeinsamen Jahren in einer stillen Routine erstarrt ist. Hans, kurz vor der Pensionierung als Schuldirektor, wirkt in seinem eigenen Zuhause fast wie ein Besucher, während Rita den Alltag bestimmt und jede Veränderung mit Misstrauen betrachtet.
Das Paar lebt in einem versponnenen Einfamilienhaus im Wald. Längst ausgezogen ist der einzige Sohn Tom (Lukas Rüppel), die Eltern hören wenig von ihm.
Doch kleine Brüche im Gewohnten - neue Fliesen im Bad, die Erinnerung an alte Konflikte, die Distanz zum erwachsenen Sohn - bringen Verdrängtes wieder an die Oberfläche. Zwischen ihnen entsteht eine Leere, in der sich die Frage stellt, ob sie noch ein Paar sind oder nur zwei Menschen, die zufällig zusammenleben.
Der Regisseurin Neele Leana Vollmar scheint das Projekt besonders am Herzen zu liegen. Einen hervorragenden Ruf hat sich die 46-jährige Filmemacherin mit klugen und humorvollen Jugendfilmen wie „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ (2014) geschaffen. Ihr Coming-of-Age-Drama „Auerhaus“ (2019), zu dem sie ebenfalls das Skript verfasste, errang Preise.
Doch trotz der starken Themen wirkt „Dann passiert das Leben“ als Filmkunstwerk eher kraftlos. Überdeutlich symbolträchtige Bilder und Klischees tragen dazu bei, dass sich Hans’ und Ritas Geschichte - die sich sichtbar an ein gereiftes Publikum richtet - etwas verliert.
Trotz Ereignissen, die gewisse Wendungen herbeiführen - ein schrecklicher Unfall, die Ankündigung der Geburt eines Enkels - fällt es schwer, dauerhaft mitzufühlen oder neue Erkenntnisse zu gewinnen. Selbst die beiden Hauptdarsteller vermögen mit ihrem Charisma kaum dagegen anzuspielen. Vollmar zeigt einen melancholischen Ehealltag, der ein bisschen Durchhaltevermögen abverlangt.
Doch die Themen sind anschlussfähig. Wie geht es eigentlich den beiden Hauptdarstellern beim Gedanken an die eigene Rente - wenn auch eher unüblich bei Schauspielern? „Für mich gar kein schrecklicher Gedanke“, sagte Engelke. „Ich freue mich immer auf alles, was kommt. Bin zum Beispiel ein Familienmensch - und wünschte mir dann mehr Zeit für die Familie. Und da ich auch Museumspädagogik studiert habe, würde ich wohl in Museen abhängen.“
Tukur dagegen „fänd's furchtbar.“ Der in Süditalien lebende Akteur erklärt: „Ich arbeite wahnsinnig gern, bin gern in Bewegung. Wenn man sich aber nur über seinen Beruf definiert und nichts anderes im Fundament hat, ist man als arbeitsloser Rentner natürlich in Not.“ Er selbst habe das große Glück, dass er die Musik nie aufgegeben habe. „Es macht mir großen Spaß, auch für mich allein Klavier zu spielen. Und ich habe ein vier Hektar großes Anwesen, betreibe Landbau – Wein und Oliven.“
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