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Veröffentlicht am 28.04.2025 17:55

Verband: Strompreiszone-Teilung lohnt sich wirtschaftlich

Die Aufteilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen wird seit einigen Jahren diskutiert, weil die Energiewende zu einem Ungleichgewicht der Stromversorgung geführt hat. (Archivfoto) (Foto: Thomas Warnack/dpa)
Die Aufteilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen wird seit einigen Jahren diskutiert, weil die Energiewende zu einem Ungleichgewicht der Stromversorgung geführt hat. (Archivfoto) (Foto: Thomas Warnack/dpa)
Die Aufteilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen wird seit einigen Jahren diskutiert, weil die Energiewende zu einem Ungleichgewicht der Stromversorgung geführt hat. (Archivfoto) (Foto: Thomas Warnack/dpa)

Eine Aufsplittung der deutschen Strompreiszone würde sich einer Analyse des europäischen Netzbetreiberverbands Entso-E zufolge wirtschaftlich lohnen. Diese Einschätzung stößt in Bayern auf breite Kritik, und zwar von Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), den Landtagsfraktionen von CSU und Grünen sowie beim Bayerischen Industrie- und Handelskammertag (BIHK). 

Der Studie zufolge würde eine Teilung der sich bislang über ganz Deutschland und Luxemburg erstreckenden Strompreiszone in fünf kleine Zonen die höchste wirtschaftliche Effizienz mit Kostenvorteilen von 339 Millionen Euro bringen. 

Starke Einschränkungen

Die Autoren verweisen jedoch ausdrücklich auf große Unsicherheiten der Annahmen, veraltete Daten und das Nicht-Betrachten einiger Aspekte in der Analyse. Die Autoren geben weiterhin zu bedenken, dass manche Verbraucher durch eine Aufteilung möglicherweise mehr zahlen müssten. 

Eine Gebotszone - auch Strompreiszone - ist ein geografisches Gebiet innerhalb des Strommarktes, in dem Strom gekauft und verkauft werden kann. Innerhalb einer Preiszone bildet sich der Großhandelspreis aus Angebot und Nachfrage. Analysiert wurde nun die Aufteilung der deutsch-luxemburgischen Strompreiszone in zwei, drei, vier und fünf einzelne Zonen. 

Debatte läuft schon lange

Die Aufteilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen wird seit einigen Jahren diskutiert, weil die Energiewende zu einem Ungleichgewicht der Stromversorgung geführt hat: In Süddeutschland mit seinen großen Industriestandorten reicht die Stromproduktion nicht mehr, um den Bedarf zu decken, im Norden wird mehr Strom produziert als verbraucht. Durch eine geografische Aufteilung des Marktes rechnen einige mit einem Sinken der Strompreise im Norden und einem Anstieg im Süden. 

Deutschland hat nun laut der EU-Verordnung über den Elektrizitätsbinnenmarkt sechs Monate Zeit, auf die Studie zu reagieren. Im Koalitionsvertrag der designierten Bundesregierung aus SPD und Union heißt es: „Wir halten an einer einheitlichen Stromgebotszone fest.“ 

Protest aus Bayern

Hubert Aiwanger sagte mit Blick auf die Studie, die deutsche Wirtschaft brauche weiterhin die einheitliche Strompreiszone. Jede andere Debatte werde zu großer Verunsicherung bei allen Akteuren führen und der Wirtschaft in Süd wie Nord gleichermaßen schaden. „Der Windstrom im Norden wird an Wert verlieren und der Strom im Süden wird teurer. Das nutzt niemandem.“ 

Vielmehr müsste der Netzausbau vorangetrieben werden, so Aiwanger. „Das ist die wirksamste Antwort auf Engpässe.“ Bei einer Aufspaltung wäre der Umsetzungsaufwand immens und der Nutzen zweifelhaft. „Der Koalitionsvertrag spricht eine deutliche Sprache: Deutschland soll eine einheitliche Strompreiszone bleiben. Wer das infrage stellt, handelt gegen die Interessen unseres Landes.“ 

Als „skandalös und kurzsichtig“ bezeichnete der CSU-Fraktionsvorsitzende Klaus Holetschek die Empfehlung der Studie. Eine Trennung Bayerns von den anderen Regionen Deutschlands dürfte im Freistaat für höhere Strompreise und Wettbewerbsnachteile für die Unternehmen sorgen. „Besonders absurd: Die erforderlichen Vorbereitungen würden sich über drei bis fünf Jahre hinziehen. Bereits ab 2027 werden aber der SüdOstLink und ein Jahr später der SüdLink dafür sorgen, dass Strom aus Überkapazitäten in Nord- und Ostdeutschland einfach nach Bayern transportiert werden kann. Damit hat sich das Problem ohnehin erledigt“, sagte Holetschek. Der energiepolitische Sprecher der Landtags-Grünen, Martin Stümpfig, kritisierte den Vorschlag zur Aufteilung Deutschlands in Strompreiszonen als nicht sinnvoll, „da bis zur Etablierung dieser neuen Systematik die HGÜ-Trassen fertiggestellt sind und der Engpass in größeren Umfang beseitigt ist“. Weiter sagte Stümpfig: „Diese Engpassbeseitigung hätten wir viel früher haben können“ und warf der bayerischen Staatsregierung eine Blockade-Haltung beim Netzausbau vor. Erforderlich seien jetzt mehr Tempo beim Ausbau der Windenergie, die schnelle Umsetzung eines Masterplans für Stromnetze und intelligente Speicher in Bayern. 

Industrie spricht sich dagegen aus

In einer gemeinsamen Stellungnahme nennen der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft und der Verband der Automobilindustrie eine Aufteilung des deutschen Strommarktes „weder sinnvoll noch verhältnismäßig“. Eine Aufsplittung in mehrere Preiszonen würde „zu massiven Unsicherheiten für die Industrie führen und zudem das Investitionsklima für erneuerbare Energien erheblich eintrüben – ohne dass den erheblichen Risiken und signifikanten Kosten nennenswerte ökonomische Vorteile gegenüberstünden“, teilten sie mit. 

BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl warnte vor einer Fünfteilung der deutschen Strompreiszone. Eine künstlich geschaffene Zonenteilung würde die Energiekosten in Bayern und ganz Süddeutschland steigen lassen und die wirtschaftliche Krise verschärfen. Zudem zeige die Erfahrung anderer Länder, dass die Aufteilung in verschiedene Strompreiszonen nicht den Erneuerbaren Energien einen Schub verleiht, sondern durch den jahrelangen Umbau der Stromgebiete massive Unsicherheit drohe und notwendige Investitionen in Erneuerbare Energie und den Netzausbau auf der Strecke blieben. 

Auch der europäische Windenergieverband WindEurope sieht die Vorschläge kritisch. „Es mag Argumente dafür geben, bestehende Gebotszonen auf den Strommärkten aufzuteilen“, sagte Geschäftsführer Giles Dickson. „Aber das würde die Unsicherheit über die künftigen Einnahmen von Kraftwerken erhöhen. Und das würde die Investitionen in neue erneuerbare Energien untergraben.“ Der Ausbau der erneuerbaren Energien habe im Moment oberste Priorität, dafür brauche es größtmögliche Sicherheit. 

Der Verband kommunaler Unternehmen lehnt eine Aufteilung entschieden ab. „Eine Spaltung hätte schwerwiegende wirtschaftliche und energiepolitische Folgen und würde die angestrebte Energiewende gefährden“, teilte Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing mit.

© dpa-infocom, dpa:250428-930-474816/1


Von dpa
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