Warum das Heimwerken uns so guttut | FLZ.de | Stage

arrow_back_rounded
Lesefortschritt
Veröffentlicht am 12.04.2022 04:17

Warum das Heimwerken uns so guttut

Wenn man im Haus oder in der Wohnung werkelt, ist man - anders als am Arbeitsplatz - sein eigener Herr. (Foto: Christin Klose/dpa-tmn)
Wenn man im Haus oder in der Wohnung werkelt, ist man - anders als am Arbeitsplatz - sein eigener Herr. (Foto: Christin Klose/dpa-tmn)
Wenn man im Haus oder in der Wohnung werkelt, ist man - anders als am Arbeitsplatz - sein eigener Herr. (Foto: Christin Klose/dpa-tmn)

Wer vor allem mit dem Kopf arbeitet, dem tut körperliche Tätigkeit nach Feierabend oder am Wochenende oft gut. Und selbst wer beruflich körperlich anstrengende Arbeiten verrichtet, der kann noch Freude daran haben, sein Haus selbst umzubauen.

Weil Heimwerken verschiedene menschliche Bedürfnisse erfüllt, erklärt der Psychologe Ludwig Andrione im Interview. Und er nennt Tipps, wie man vermeidet, dass die Freizeit-Tätigkeit in Stress ausartet.

Wir müssen hier grundsätzlich unterscheiden zwischen Erwerbsarbeit und sonstiger Arbeit. Manchmal ist die Erwerbsarbeit nicht gerade das, was uns so wahnsinnig Spaß macht und erfüllt. Man erlebt bei der Arbeit nicht immer Sinn - und das ist auch nicht unbedingt nötig. Man kann einen Job machen, der einfach ein Job ist. Dann findet man Sinn vielleicht woanders, etwa im Heimwerken.

Dazu kommen menschliche Grundbedürfnisse, etwa Autonomie. Selbst wenn man einer Arbeit nachgeht, bei der man körperlich etwas tut, also vielleicht Motoren zusammenschraubt, hat man da oft wenig Autonomie. Das ist ganz anders bei der Heimarbeit.

In einer Erwerbsarbeit kommt manchmal das Feedback „Hey, das hat nicht so gut geklappt“. Wenn man aber zu Hause etwa einen Schrank repariert, erlebt man dabei sicherlich seine Kompetenz. Man erlebt, was man so kann. Man ist sein eigener Herr und schafft etwas. Dinge, die bleiben.

Das kann auch noch eine gewisse Verbindung zu seinem Umfeld aufbauen, auch vielleicht zu seinen Lieben. Und damit sind wir schon beim dritten Grundbedürfnis, das hier wichtig ist: bei der Verbundenheit.

Man sollte nicht unbedingt die superschweren Aufgaben annehmen. Nicht die, bei denen man schon vorher abschätzen kann, dass das ziemlich schwer wird. Also etwa ein Schiff im Vorgarten zu bauen.

Klar, es kommt auf die Fähigkeiten an. Es gibt Menschen, die vollbringen wunderbare und unglaubliche Dinge. Das will ich nicht abtun. Aber für die meisten von uns ist so ein Schiffsbau eher unrealistisch. Genauso sind aber zu leichte Aufgaben auch nicht unbedingt das Richtige. Man sollte sich also eher mittelschwere Aufgaben suchen, an denen man auch ein bisschen wachsen kann.

Hier ist es wahrscheinlich gut, wenn man eine gute Planung hat. Um auch für sich selbst Ressourcen zu schaffen.

So ein Umbau etwa ähnelt ja auch schon sehr einer Erwerbsarbeit, auch wenn man ihn natürlich in der Freizeit macht und es irgendwie mehr oder weniger zum Spaß ist. Denn selbst wenn Sie richtig Lust darauf haben und Sie zum Beispiel zum Ausgleich zu Ihrer Tätigkeit im Topmanagement, die nur mit dem Kopf stattfindet, zu Hause die Tapete abkratzen und mit Mörtel arbeiten wollen, kann das anstrengend sein - und zu viel werden.

Daher macht es Sinn, ähnlich wie in der Erwerbsarbeit, sich einen Plan zu machen und möglichst kleinschrittige Aufgaben zu setzen. Aufgaben, die Sie auch realistisch an einem Tag schaffen können. Denn wir neigen dazu, uns immer zu wenig Zeit für Aufgaben zu geben.

Ein Beispiel: Ich will eine Wand neu gestalten. Dann schaue ich mir Schritt für Schritt an, was getan werden muss: Wie mache ich den Putz an, was brauche ich dafür? Ich mache mir also eine ganz kleinteilige To-do-Liste mit realistischen Zeitvorgaben.

Wenn man dann merkt, es wird doch zu stressig und man schafft nicht mehr alles am gleichen Tag, dann sollte man zu sich sagen können: „Das ist so in Ordnung. Es ist in Ordnung, ein paar Sachen nach hinten zu verschieben. Denn es ist ja meine Freizeit.“

Ludwig Andrione aus der Metropolregion München ist Psychologe mit Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie, Eignungsdiagnostik und Trainings. Er ist Gründer der Fachgruppe New Work im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen, die sich unter anderem mit dem Thema Sinn bei der Arbeit beschäftigt.

© dpa-infocom, dpa:220411-99-882942/2

north