Partys, Kino, Shoppen, Freunde treffen - vor fünf Jahren war es damit erst mal vorbei. Der Grund: nie dagewesene Beschränkungen des sozialen Lebens zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Was ist davon in Bayern heute noch zu spüren?
Ins Ausland verreisen oder sich mit Freunden treffen? Damals alles schwierig. Wem die heimischen Wände zu eng wurden, der entfloh in Parks und Wälder, an Seen und in die Berge - soweit es die Einschränkungen zulassen. Im Winter waren Skitourenausrüstungen und Schneeschuhe gefragt wie lange nicht mehr. Auch ältere gebrauchte Modelle waren im Nu verkauft. Dafür durften zeitweise keine Skilifte fahren, für die Betreiber eine herbe Einbuße. Stattdessen musste man nun an so manchen Talstationen in den Alpen fürs Parken zahlen. Bis zu 15 Euro wurden verlangt - auch wenn es nur um eine Stunde geht.
Ein gutes Geschäft, das viele nach der Pandemie weiterführen. Damals teils von Hand kassiert stehen vielerorts inzwischen Parkautomaten. Vor allem im Winter wird weiter abkassiert: Wer keine Liftkarte kauft, ist wie damals mit bis zu 15 Euro dabei.
Neben den Kitas gingen auch Schulen vorübergehend in den Lockdown, gefolgt von einer langen Phase des Wechsel- und Distanzunterrichts. Seitdem ist Schule viel digitaler geworden - ein Vorteil. Doch es gibt auch negative Folgen. Kindern und Jugendlichen machte die Trennung von Freunden zu schaffen, zumal auch Treffen in Sport- und anderen Vereinen lange verboten waren.
Viele vereinsamten, andere standen unter hohem Stress etwa durch beengte Wohnverhältnisse. Durch den Distanzunterricht verlor ein Teil der Schülerinnen und Schüler den Anschluss an den Lernstoff, große Lücken entstanden.
Die Auswirkungen sind bis heute in Form von psychischen Erkrankungen und Entwicklungsstörungen zu spüren. Bei seelischen Leiden seien Essstörungen wie Magersucht, Depressionen und Angststörungen am häufigsten, fasst Christine Freitag vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) zusammen. Vor allem bei Jüngeren seien Entwicklungsstörungen wie eine reduzierte Feinmotorik sowie geringere Sprach- und Konzentrationsfähigkeit einschneidend.
Dem im Dezember vorgelegten zweiten bayerischen Psychiatriebericht zufolge hat etwa jeder vierte Heranwachsende psychische Auffälligkeiten. Dazu trügen neben Corona auch familiäre oder soziale Bedingungen sowie Belastungen etwa durch den Krieg in der Ukraine bei.
Der Lockdown und die damit verbundenen Einschränkungen beschäftigen die Justiz in Bayern bis heute. Allein der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München zählt rund 1.250 Verfahren, die sich mit dem Lockdown befassen. Davon sind nach Angaben eines Gerichtssprechers 800 Eil- und 450 Hauptsacheverfahren. Der erste sogenannte Normenkontrollantrag, der die Rechtmäßigkeit überprüfen sollte, ging den Angaben zufolge schon am 25. März 2020 ein, nur fünf Tage nach dem Lockdown-Start. 51 der Hauptsacheverfahren laufen nach VGH-Angaben heute noch, alle anderen seien erledigt.
Und das ist nur die Spitze des Eisbergs: Zu den genannten 1.250 kommen noch unzählige Verfahren an den einzelnen Verwaltungsgerichten und weitere, die sich nicht konkret mit den Ausgangsbeschränkungen, sondern anderen Auflagen befasst. Auch Bußgeldbescheide nach Verstößen sind beispielsweise in diese Zahlen nicht eingeschlossen.
Plötzlich waren Fachbegriffe wie Inzidenz in aller Munde und die täglich veröffentlichten Zahlen entschieden über Freiheit oder Einschränkungen für bestimmte Regionen. Eine wichtige Informationsquelle: das Abwasser. Die Konzentration verschiedener Erreger lässt Rückschlüsse auf die Entwicklung der Infektionszahlen zu.
Inzwischen wird über das Abwasser die Ausbreitung mehrerer Atemwegserkrankungen überwacht. An bis zu 30 Messstellen in Bayern werden Influenza-, RS- und Corona-Viren gemessen. Weitere Säule des Frühwarnsystems für Infektionskrankheiten in Bayern ist die wöchentliche Untersuchung von Abstrichen in knapp 200 Praxen bei Menschen mit Atemwegsinfektionen.
Das Monitoring könnte theoretisch ausgeweitet werden, erklärte der Virologe Oliver Keppler vom Klinikum der Ludwigs-Maximilian-Universität in München im Dezember. Im Labor seien problemlos mehr als ein Dutzend verschiedene virale Erreger in Abwasserproben messbar.
Und nach der Pandemie ist vor der Pandemie. Der Infektiologe Christoph Spinner vom Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München sagt, worauf es ankommt: auf Frühwarnsysteme, Überwachungsprogramme für bekannte und unbekannte Erreger sowie internationale Zusammenarbeit und Wissensaustausch. Nötig seien auch eine entschlossene und wirksame Reaktion sowie die Entwicklung von Impfstoffen und Arzneimitteln.
Arbeiten von zu Hause aus - was früher für viele noch undenkbar war, wurde durch Corona zur Selbstverständlichkeit. Bis heute nutzen viele gerne dieses Angebot, auch wenn so manche Firmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder im Büro sehen wollen, manche gar jeden Tag. Das Bayerische Landesamt für Statistik meldete, dass 2023 im Freistaat rund 1,5 Millionen Beschäftigte mindestens einen Tag in der Woche von zu Hause aus arbeiteten, etwa ein Viertel.
Rückläufig ist dagegen die Zahl derjenigen, die täglich im Homeoffice sind. Nach Angaben des Ifo-Instituts in München wird Homeoffice zudem in Stellenanzeigen deutlich häufiger als Option angeboten.
Lebensmittelgeschäfte durften öffnen, Buchläden, Kleidungsgeschäfte und andere Läden blieben zu. Für Händler eine heftige Erfahrung, trotz staatlicher Hilfen. Viele Geschäfte seien immer noch in Schieflage, sagt Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern. Die Hoffnung auf eine Rückkehr der Kauflust nach der Pandemie zerschlug sich, auch wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Hohe Energiepreise, Inflation und Verunsicherung sorgte dafür, dass die Menschen ihr Geld zusammenhielten, meint Ohlmann.
Positiv dagegen: viele Händlerinnen und Händler erkannten die Chancen des Internets. „Da sind viele aus dem Dornröschenschlaf erwacht“, beschreibt es Ohlmann. Die einen bieten ihre Waren im eigenen Webshop an, andere nutzen große Marktplätze. Und auch im Geschäft vor Ort wird es immer digitaler, beim bargeldlosen Bezahlen. „Das ging ab wie eine Rakete“, so Ohlmann.
„Ohne uns wirds still!“ Mit diesem Ruf wehrte sich die Kulturbranche gegen die Schließungen. Statt Kinos boomten Streaminganbieter. Opern, Theater oder Konzertanbieter suchten nach Wegen, ihr Publikum übers Internet zu erreichen. Manche nutzten den Stillstand für Renovierungsarbeiten. Doch finanziell war es ein Desaster, vor allem für die freie Szene. Seitdem gilt in der Kultur eine neue Zeitrechnung: vor und nach Corona.
Inzwischen nähern sich viele Institutionen bei den Besucherzahlen wieder dem Vor-Corona-Stand an. Aber eine Sorge ist geblieben: nicht als systemrelevant eingestuft zu werden, sondern als beliebiger Freizeitspaß, wie Christine Schmid-Egger von Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern sagt. Dabei seien das gesellschaftlich wichtige Bildungseinrichtungen.
Doch in Zeiten knapper Kassen ist die Versuchung groß, bei Kunst, Musik, Theater oder Kino zu sparen. „Wenn wir die Kultur abschaffen, wird die Welt nicht besser“, sagte dazu unlängst der Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, Vladimir Jurowski. „Es muss Wege geben, die Kultur zu erhalten, aber natürlich werden wir alle ein paar Cent irgendwo einsparen müssen.“
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