Glühende Hitze, Trockenheit und Sandstürme plagen die Bewohner im Grenzgebiet von Afghanistan und dem Iran. Wasser ist in den Provinzen zeitweise so knapp, dass es mit Tankwagen in die Dörfer gebracht wird. Nun wurde die Region Ende Mai Schauplatz eines blutigen Scharmützels. Ein Schusswechsel verwandelte die Grenzregion in ein Schlachtfeld. Nur wenige Tage zuvor hatte Irans Präsident Ebrahim Raisi den Taliban im Streit um das Wasser eines wichtigen Grenzflusses gedroht.
Unweit der Grenzposten liegt das Biosphärenreservat des Hamun-Sees. Alte Fotos des Ökosystems mit glitzernder Wasseroberfläche und Flamingos erinnern an die Schönheit des einst drittgrößten Sees im Iran. Heute zeigen Bilder der Gegend vertrocknete Fische und verlassene Boote. Inmitten des Sees liegen sagenumwobene Ruinen, in denen einst ein deutscher Archäologe über das alte Persien forschte.
Ein Grund für die Trockenheit: das Wasser des mehr als 1000 Kilometer langen Flusses Helmand im Nachbarland Afghanistan, das im Hamun-See mündet, wird auf afghanischer Seite gestaut. „Viele Jahre lang profitierten die Menschen im Norden der Provinz vom Helmand-Wasser und betrieben Ackerbau, Fischerei und Viehzucht“, sagt der iranische Abgeordnete Mohammed Sargasi. Viele Bewohner seien inzwischen weggezogen.
Ein Abkommen aus dem Jahr 1973 soll die Nutzung des Helmand-Wassers regeln. Im Zuge der Erderwärmung ist aber auch Afghanistan von Trockenheit betroffen. „Wir haben nicht einmal genug Wasser zum Trinken“, klagt ein Bewohner der Provinz Nimrus. Das 2021 fertiggestellte Staudamm-Prestigeprojekt versorgt die Provinz mit Strom und dient der Bewässerung der Landwirtschaft.
Lena Partzsch, Professorin für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin, sieht aber auch Potenzial für Kooperation. „Wenn Wasserkriege eintreten, ist es eher eine selbst erfüllende Prophezeihung“, warnt die Umweltforscherin. „Ich bin nicht pessimistisch, weil ich denke, dass Wasser in erster Linie eine Ressource ist, die Kooperation fördert“, bekräftigt sie.
Ein Zeichen dafür sei, dass die Taliban im Streit um den Helmand bereits vergangenes Jahr im Iran waren. „Es wäre wichtig, dass ein Raum geschaffen wird für Verhandlungen und Institutionen, anstatt in Rüstung zu investieren“, sagt Partzsch. Klimawandel, veränderte Wasservorkommen - daran müssen wir uns anpassen, sagt Partzsch. „Nicht nur technisch, sondern im Einklang von Mensch und Natur.“
Auch ein afghanischer Wasserexperte hofft auf mehr Kooperation. „In Sistan und Belutschistan ist die Verdunstungsrate hoch“, sagt Nadschibullah Sadid. Denkbar wäre eine Zusammenarbeit vor allem im Bereich der Landwirtschaft. „Es ist sinnvoll, dass man dort anbaut, wo es funktioniert. Wasserverschwendung muss verhindert werden.“
Welche Sprengkraft das Thema Wasser entwickeln kann, zeigt sich auch in Nordostafrika: Äthiopiens Staudamm, der nach seiner Fertigstellung 2024 oder 2025 der größte Afrikas werden soll, lässt den Regionalnachbarn Ägypten um seine Wasserversorgung aus dem Nil und um die heimische Landwirtschaft fürchten. Der Streit darum, wie der Stausee zu füllen sein wird und wie viel Wasser künftig den Nil herabfließen wird, bewegte sich zumindest verbal schon mehrfach in Richtung einer möglichen militärischen Eskalation. Ägypten deckt mehr als 90 Prozent seines Wasserbedarfs aus dem Fluss.
Der anfangs versöhnlicher klingende ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi scheint in dem jahrelangen Streit langsam auch die Geduld zu verlieren. Aus Sicht Kairos verweigert sich Äthiopien einer Vermittlung und spielt auf Zeit. „Lasst uns keinen Punkt erreichen, an dem (die Brüder in Äthiopien) einen Tropfen des ägyptischen Wassers anrühren, denn alle Optionen sind auf dem Tisch“, sagte Al-Sisi. „Undenkbare Instabilität in der Region“ könnte sonst folgen.
Der Machtkampf im ebenfalls betroffenen Sudan - zwischen Ägypten und Äthiopien - macht die Vermittlung noch komplizierter. Dort ringen seit April der Präsident mit der Armee und der einstige Vizepräsident mit der RSF-Miliz (Rapid Support Forces) um die Führung. Bei der unübersichtlichen Lage in Khartum ist eine Dreier-Einigung im Gezerre mit Kairo und Addis Abeba so gut wie unmöglich.
Auch zwischen den von Wassermangel und Trockenheit bedrohten Ländern Indien und Pakistan schwelt ein Streit um mehrere gemeinsame Flüsse. Der bekannteste von ihnen ist der Indus - der wichtigste Strom Pakistans, der in Tibet entspringt und durch den indischen Teil der Region Kaschmir fließt. Seit mehr als 60 Jahren existiert ein von der Weltbank vermitteltes Kooperationsabkommen. Die beiden Atommächte haben wegen anderer Konflikte bereits mehrere Kriege miteinander geführt. Das Abkommen galt vielen Experten als Hoffnungsschimmer und seltener Konsens zwischen den verfeindeten Nationen.
Doch im Januar forderte Indien plötzlich eine Änderung des Abkommens. Im Zentrum des Streits stehen wieder einmal große Staudamm-Projekte. Pakistan sieht in den indischen Wasserkraftprojekten in der Kaschmirregion ein Problem für seine Wasserversorgung. „Das Abkommen war eine großartige Vereinbarung in den Sechzigerjahren“, sagt ein Regierungsvertreter in Islamabad. Schließlich habe es Kriege und politische Spannungen überlebt. Heute gebe es neue Herausforderungen. Indien hingegen wirft dem Nachbarland Kompromisslosigkeit vor.
Pervaiz Amir, Klimaexperte in Pakistan, fordert ein rasches Umdenken. „In Anbetracht der Tatsache, dass alle Gletscher in den nördlichen Regionen Pakistans und Indiens bis zum Ende dieses Jahrhunderts verschwinden werden, wenn sie weiterhin im gleichen Tempo schmelzen, und dass sie die Hauptquelle für das Wasser in den Flüssen sind, müssen Pakistan und Indien jetzt miteinander reden“, sagt Amir. „Es ist ein rein technisches Problem, das aber das Potenzial hat, in Zukunft einen Konflikt oder sogar einen Krieg auszulösen.“
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