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Veröffentlicht am 25.12.2023 05:02

Zwischen Wipfeln und Weiß: Baumhausurlaub im Winter

Die Lerkhytta schmiegt sich an den Waldrand und scheint in den Baumwipfeln zu schweben. Drinnen bullert schon ein gußeiserner Ofen. (Foto: Dörte Nohrden/dpa-tmn)
Die Lerkhytta schmiegt sich an den Waldrand und scheint in den Baumwipfeln zu schweben. Drinnen bullert schon ein gußeiserner Ofen. (Foto: Dörte Nohrden/dpa-tmn)
Die Lerkhytta schmiegt sich an den Waldrand und scheint in den Baumwipfeln zu schweben. Drinnen bullert schon ein gußeiserner Ofen. (Foto: Dörte Nohrden/dpa-tmn)

„Stooo“, rufe ich den vier Kraftpaketen wiederholt zu. In rasantem Tempo ziehen mich die Huskys auf zwei Kufen durch die klirrend kalte Winterlandschaft.

Sto lautet das norwegische Kommando für „Stand“. Ich dehne es so lang, bis die Brille vom Atem beschlägt, während der rechte Fuß immer wieder nach der breiten Mattenbremse zwischen den Kufen sucht. Denn die flinken Pfoten wollen nur eines: rennen!

Anne Moberg fährt mit ihrem Gespann gelassen voraus - und gibt das Signal für eine Rechtskurve. Wie zuvor in den Trockenübungen gelernt, gilt es, das Körpergewicht erst leicht nach links und in der Kurve schließlich nach rechts zu verlagern. Der Geist ist fokussiert, die Oberschenkelmuskulatur brennt.

Doch die Kufen glitschen seitlich weg, der Schlitten ist nicht mehr zu halten. Ich lande bäuchlings im knietiefen Schnee seitlich der Spur. Zwischen Schreck, Adrenalin und Lachen meldet sich sofort das schlechte Gewissen.

Die gerade erst eingebläute goldene Regel lautet: niemals den Schlitten loslassen! Das Vierergespann spurtet ungebremst davon.

Ein Tiefpunkt dieser Reise - die auch ihre Höhepunkte haben wird, buchstäblich.

Heißer Gløgg zum Händewärmen

Zum Glück ist Schlittenhundführerin Anne zur Stelle. Sie stoppt die ausgebüchsten Hunde. Ich stapfe hinterher, klopfe den Schnee von Mütze und Overall. „Keine Sorge, es ist normal, dass man mal fällt“, ruft Anne, muss aber schmunzeln.

Anne ist neben ihrem Beruf als Personalberaterin in einem Krankenhaus Besitzerin von 22 Huskys und brennt für dieses Hobby. Die Leidenschaft überträgt sich auf Urlauber, die Touren bei ihr buchen können.

Wir genießen die letzten Passagen durch den Märchenwald, weichen Ästen schneebedeckter Tannen aus. Der zuvor strahlend blaue Himmel macht derweil Platz für ein zartes Rosa, das in wenigen Minuten von einer sternenklaren Nacht verschluckt werden wird.

Das Basislager ist wieder erreicht: ein offener hölzerner Schuppen inmitten der Natur. Annes Partner Trond Johansen weiß, wie sehr sich Gäste nach kilometerlangen Ausflügen über die wärmende Feuerschale freuen. Auf einem Grill rösten Hot-Dog-Würstchen, Gløgg köchelt in schwarzen Kesseln. Verfrorene Hände umklammern dampfende Becher, gefüllt mit dem fruchtig-weihnachtlichen Gewürztrank.

Während Anne noch an diesem Abend zu einer hundert Kilometer langen Trainingstour aufbrechen wird - denn ihr nächstes Huskyrennen steht an - zieht es die Gäste zurück in Ferienhütten der besonderen Art hier bei Brumunddal, gute zwei Autostunden nördlich von Oslo.

Unerwarteter Komfort in luftiger Höhe

Vom Lager bis dahin geht es wenige Kilometer durch die hügelige Winterlandschaft, dann ist die einsam gelegene Lerkhytta, die Lärchenhütte, erreicht. Sie schmiegt sich an den Waldrand und scheint in den Baumwipfeln zu schweben. Der Blick schweift mehrere Meter in die Höhe.

Flammen roter Stumpfkerzen flackern in Laternen und leuchten den Weg zum Aufgang. 25 Stufen geht es hinauf ins hölzerne Domizil. Es thront auf mächtigen Baumstämmen und ist halb umgeben von einer großen Terrasse - inmitten hinaufragender Lärchen und Fichten.

Droben verlangt der gefräßige, gusseiserne Ofen nach neuem Feuerholz - und wird in der bevorstehenden, eisigkalten Winternacht Wärme spenden. Die rustikal-urige Lerkhytta bietet unerwarteten Komfort: Kühlschrank, Gasherd, elektrisches Licht, sogar warmes Wasser fließt dank Generator und Durchlauferhitzer aus Hahn und Dusche. Lammfelle, Decken und Kissen zieren die gemütliche Sitzecke.

Der Blick aus den Federbetten im Alkoven ist magisch. In der Ferne leuchten die Lichter einsamer Höfe. In die Stille der Nacht mischt sich das Knistern des Ofens, hier und dort ein Knarzen und Kratzen, ein Rascheln, ein fernes Hundebellen.

Wildlife hautnah

Am Morgen geht der erste Blick erneut aus den Fenstern gen Osten. Dicke Schneeflocken rieseln zu Myriaden aus einem bleiern grauen Himmel. Weißer Flaum legt sich in immer neuen Schichten auf den zugefrorenen See, auf die Terrasse, die Treppe. Äste biegen sich unter dem Gewicht des Schnees.

Rund um das Domizil erwacht die Natur mehr und mehr zum Leben. Eichhörnchen springen und klettern durch die Bäume, liefern sich Verfolgungsjagden, sodass Schnee von Nadelzweigen stiebt. Sind Menschen in der Hütte zu Gast, wittern die Waldtiere ihre Chance auf Futter.

Flugs in Winterstiefel und Daunenjacke gehüllt, soll ihnen dieser Wunsch erfüllt werden. Sogar Wintervögel flattern herbei. Tannen- und Kohlmeisen lassen sich direkt auf der ausgestreckten Hand nieder, schauen mit geneigtem Kopf drein - und fliegen samt Sonnenblumenkernen davon.

„Diese unmittelbar hautnahen Naturerlebnisse sind der Grund, weshalb ich die Hütten auf Höhe der Wipfel bauen wollte“, erzählt Frode Schei, als er neues Feuerholz und Mahlzeiten für die nächsten Tage vorbeibringt. Aus der Feder des ehemaligen Forstingenieurs stammen mittlerweile sieben individuelle Baumwipfelhütten in dieser Region.

Erste Übernachtungslizenz für Baumwipfelhütten

Seine erste Hütte, die Furuhytte (Kiefernhütte), zimmerte er 2006 mithilfe befreundeter Handwerker. Sie wurde Norwegens erstes Baumhaus mit einer Lizenz für Übernachtungsgäste. Vor allem Norweger quartieren sich ein, „aber zunehmend besuchen uns auch internationale Gäste, sogar aus Asien oder Neuseeland“.

Frode und seine Partnerin Ann-Marie Jahr kümmern sich gemeinsam um die Vermietung und - auf Wunsch - auch um das kulinarische Wohl ihrer Gäste. Hierzu verwenden sie fast ausschließlich regionale Produkte. Selbstgemachte Blaubeer- oder Preiselbeermarmeladen schmecken nach der Sonne des vergangenen norwegischen Sommers, der traditionelle Eintopf Elghakk wiederum nach dem Fleisch freilebender Elche aus der Region.

Der Stapel ihrer prall gefüllten Gästebücher misst stolze 1,20 Meter. Kein Wunder, die naturnahen Erlebnisse rund um die Baumwipfelhütten schaffen unvergessliche Urlaubserinnerungen - und ungeahnten Muskelkater.

Huskytouren und Tretschlittenabenteuer, Schneeschuhwanderungen, Schnee schippen und freche Eichhörnchen füttern - beste Zutaten für norwegisches Winterglück und das hier gelebte Friluftsliv: Leben in der freien Natur, das sich mit einem Baumhaus als Refugium auch bei Kälte gut anfühlt.

Reiseinformationen:

Reiseziel: Die Baumwipfelhütten liegen östlich des Mjøsa Sees, nahe des Städtchens Brumunddal im südlicheren Teil Norwegens in der Kommune Ringsaker.

Anreise und Formalitäten: Mit dem Auto ist die Anreise etwa über die Fährverbindungen vom dänischen Hirtshals nach Larvik möglich. Flugreisende kommen über den Flughafen Oslo-Gardermoen. Von dort per Zug nach Brumunddal, weiter mit dem Taxi. Alternativ mit einem Mietwagen ab Flughafen.

Übernachtung: Baumwipfelhütten wie beschrieben können Besucher buchen unter www.tretopphytter.no. Auch in anderen Gegenden Norwegens werden Baumwipfelhäuser vermietet. Eine Übersicht bietet Visit Norway.

Hundeschlittentour: Anne Moberg und Trond Johansen erreicht man über die Facebook-Seite von Alaska Husky Turglede oder per E-Mail: alaskahusky.turglede@gmail.com. Wer es ruhiger angehen möchte, bucht eine Pferdeschlittenkutschfahrt samt Fackeln entlang tief verschneiter Wege beim Åsli Ridesenter.

Weitere Infos: Tourismusinformation Innovation Norway

© dpa-infocom, dpa:231221-99-376607/2


Von dpa
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