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Veröffentlicht am 16.04.2025 11:05

100 Tage nach dem Inferno - ein langer Weg für Los Angeles

Die Aufbauarbeiten nach den Flächenbränden im Januar werden lange dauern. (Archivbild)  (Foto: Noah Berger/AP/dpa)
Die Aufbauarbeiten nach den Flächenbränden im Januar werden lange dauern. (Archivbild) (Foto: Noah Berger/AP/dpa)
Die Aufbauarbeiten nach den Flächenbränden im Januar werden lange dauern. (Archivbild) (Foto: Noah Berger/AP/dpa)

Die ersten Berichte über ein Feuer in den Hügeln von Pacific Palisades am 7. Januar treffen am Vormittag ein. Blitzschnell entsteht am Westrand von Los Angeles ein Katastrophen-Szenario. Bei heftigen Santa-Ana-Winden breiten sich die Flammen rasant aus, bis zu den Stränden von Malibu. In panischer Eile flüchten Anwohner aus ihren Häusern, auf verstopften Straßen lassen einige ihre Autos zurück und bringen sich zu Fuß in Sicherheit. Am Abend bricht ein weiteres Großfeuer in Altadena, am Ostrand des Bezirks Los Angeles, aus. Gegen die Starkwinde kommen Löschflugzeuge nicht mehr an. Tausende Gebäude brennen gleich in der ersten Nacht ab. 

Tödliche Bilanz

Evakuierungen zwingen zeitweise 200.000 Menschen aus ihren Häusern. Erschöpfte Feuerwehrleute kämpfen wochenlang gegen das Inferno. Erst Ende Januar sind die Großbrände unter Kontrolle. Die verheerenden „Eaton“- und „Palisades“-Feuer machen ganze Wohnviertel dem Erdboden gleich. Mehr als 16.000 Gebäude brennen ab, 30 Menschen sterben. Noch Anfang April werden menschliche Überreste in einer Brandzone in Altadena gefunden. In der jüngeren Geschichte Kaliforniens wurde diese Opferzahl nur von dem „Camp Fire“ übertroffen, das 2018 in der Ortschaft Paradise 85 Menschenleben forderte. 

Der Wille zum Wiederaufbau

„In ganz kurzer Zeit war das ein Flammenmeer“, erzählt der 84-jährige Eric Braeden, Star der US-Seifenoper „The Young and the Restless“ („Schatten der Leidenschaft“) über die Flucht mit seiner Frau aus ihrer Villa in Pacific Palisades. „So sah Nachkriegsdeutschland aus“, sagt der 1941 bei Kiel geborene Hollywood-Schauspieler über die zerstörten Nachbarschaften. 

Der Beginn der Zerstörung ist nun 100 Tage her. Die verheerenden Brände sind längst aus den Schlagzeilen raus, doch die Betroffenen sind von Normalität noch weit entfernt. Braedens Haus am Rand eines Canyons ist völlig zerstört. „Das ist nun eine Vollbeschäftigung mit der Versicherung und mit der Räumung der Trümmer“, sagt der Schauspieler. Doch er möchte an Ort und Stelle wieder aufbauen. Schon vor 40 Jahren habe er sich in diese Gegend verliebt. 

Villa Aurora weiterhin nicht nutzbar

In der Nachbarschaft liegen auch Deutschlands Kultur-Immobilien Villa Aurora und das Thomas Mann House - beide kamen zum Glück glimpflich davon. Gewöhnlich wohnen hier Stipendiaten, es finden Veranstaltungen statt. Doch das wird noch eine Weile dauern. 

Die Nachbarhäuser der Villa Aurora sind bis auf die Grundmauern abgebrannt. In der näheren Umgebung würden nur 57 Prozent der Häuser nach dem Palisades-Feuer noch stehen, erzählt Claudia Gordon, Direktorin der Villa Aurora. Die Flammen kamen ganz nah an das Exil-Wohnhaus des Schriftstellers Lion Feuchtwanger (1884-1958) und seiner Frau Marta (1891-1987) heran. Der steil abfallende Garten brannte ab, der Hang ist mit einer Folie überdeckt, auch zum Schutz bei Regenfällen und vor Erdrutschen. 

Rauch und Asche drang während des Feuerinfernos in die Räume, grauer Staub legte sich auf Bücherregale, Möbel und Wände, möglicherweise auch toxische Stoffe. Seit Monaten wird mit Versicherungen und Firmen zur Instandsetzung verhandelt. Sie hätten in Bezug auf Gutachten und Reinigungsarbeiten große Fortschritte gemacht, aber belastbare Daten fehlten noch, teilte Gordon auf Anfrage der dpa mit. Frühestens im Herbst könnte die Villa Aurora ihr Residenzprogramm wieder aufnehmen. Sie hoffen aber, dass Thomas Mann House bereits im Sommer wiederzueröffnen. Zwischenzeitlich geht die Programmarbeit aber weiter, etwa Online oder mit Veranstaltungen an anderen Einrichtungen, etwa dem Goethe-Institut. 

„Wie eine Fahrt durch ein Set von einem Katastrophenfilm“ habe sich anfangs der Weg durch die zerstörten Nachbarschaften angefühlt, sagt Gordon. Noch immer sind die am schwersten betroffenen Gebiete abgesperrt, nur für Anwohner oder Hilfsteams zugänglich. 

Aufräumarbeiten werden lange dauern

Die Trümmer in den verwüsteten Straßenzügen wegzuräumen könnte nach Schätzung des kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom sechs bis neun Monate dauern. Die Bürgermeisterin von Los Angeles, Karen Bass, stellte einen raschen Wiederaufbau in Aussicht. Den Betroffenen sagte sie zu, bürokratische Hürden abzubauen. 

In einer Rekordzeit von nur 70 Tagen hätten sie den Brandschutt von 1300 Grundstücken entsorgt, teilte das Gouverneursbüro Mitte März mit. Die Stadt gab auch schon grünes Licht für den Wiederaufbau der ersten Häuser in Pacific Palisades. Auch die teilweise noch gesperrte Küstenstraße Pacific Coast Highway werde „Monate dem Zeitplan voraus“ bereits Ende Mai wieder für alle befahrbar sein, kündigte der Demokrat Gavin Newsom vor wenigen Tagen an, rechtzeitig für die Urlaubssaison.

An einigen der berühmten kalifornischen Strände, auch im Surferparadies Malibu, würde immer noch Asche anspülen, berichtete die „Los Angeles Times“. Doch die Behörden hätten nach Tests Entwarnung gegeben - dies sei für Schwimmer, Surfer und Strandgänger nicht weiter gefährlich. 

Wie sind die Feuer entstanden? 

Eine offizielle Erklärung für die Entstehung der beiden Flächenbrände steht weiterhin aus. Laut der Feuerbehörde werden die Ursachen noch untersucht. Doch es gibt schon Schuldzuweisungen. Bürgermeisterin Bass hatte im Februar die Chefin der örtlichen Feuerwehrbehörde entlassen. Sie hätte nicht sofort genug Feuerwehrleute mobilisiert, als die Brände ausbrachen, war eine Begründung für den Rauswurf. 

Klagen gegen Stadt und Wasserversorger

Mehrere Bewohner von Pacific Palisades gehen mit Klagen gegen die Stadt Los Angeles und die Wasserbehörde vor. Ein Vorwurf dreht sich um ein großes Wasserreservoir, das wegen Reparaturen schon länger leer war, als die Brände wüteten. Der Bezirk Los Angeles wiederum reichte eine Klage auf Schadenersatz gegen den örtlichen Stromversorger Southern California Edison (SCE) ein. Demnach sollen Berichte von Augenzeugen, aber auch Fotos und Videos von Überwachungskameras auf defekte Hochspannungsleitungen hindeuten. 

Wer kommt dafür auf?

Gouverneur Newsom hat im Februar den US-Kongress um Hilfsgelder in Höhe von knapp 40 Milliarden Dollar gebeten. Die Flächenbrände könnten zu der bisher teuersten US-Naturkatastrophe werden, mahnte der Demokrat. So schlagen etwa die Immobilienverluste, die Kosten für die Aufräumarbeiten und ein Rückgang der Wirtschaftsleistung zu Buche. In Kalifornien wird zudem ein drastischer Anstieg von Versicherungsprämien befürchtet. US-Präsident Donald Trump hatte sich Ende Januar selbst ein Bild von der Zerstörung gemacht und Unterstützung angesichts der Feuerkatastrophe zugesagt. Zugleich machte Trump Gouverneur Newsom wiederholt auch für das Ausmaß der Brände in dem Bundesstaat verantwortlich. Das Tauziehen um Gelder dürfte weitergehen.

© dpa-infocom, dpa:250416-930-443875/1


Von dpa
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