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Veröffentlicht am 09.09.2022 11:14

Abstimmungseklat: Deutschlands Katholiken ringen um Reformen

Bischof Franz-Josef Bode, Thomas Söding, Irme Stetter-Karp und Bischof Georg Bätzing. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)
Bischof Franz-Josef Bode, Thomas Söding, Irme Stetter-Karp und Bischof Georg Bätzing. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)
Bischof Franz-Josef Bode, Thomas Söding, Irme Stetter-Karp und Bischof Georg Bätzing. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Trotz der Blockade reformskeptischer Bischöfe bei einer Abstimmung auf der Synodalversammlung der deutschen Katholiken geben sich die Befürworter weitreichender Veränderungen kämpferisch. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, denkt nach eigenen Worten nicht an Rücktritt. „Ich überlasse das Feld nicht denen, die sich nicht bewegen wollen“, sagte er am Freitag in Frankfurt am Main. Er betonte erneut den „ungeheuren Veränderungsdruck“ für die katholische Kirche. „Es kann nur nach vorne gehen.“

Ermutigendes Signal war für die Mehrheit der Versammelten eine deutliche Mehrheit für den sogenannten Grundtext zu Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche: Er stieß in der allgemeinen Abstimmung auf fast 92 Prozent Zustimmung, bei den Bischöfen stimmten 45 dem Text zu bei zehn Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen. Priesterinnen oder gar Bischöfinnen wird es in Deutschland dennoch erst mal nicht geben - der Text ist ein Vorschlag auch an den Vatikan und die Weltkirche, die bisherigen Lehraussagen noch einmal zu überprüfen.

Und noch zwei weitere wichtige Texte fanden am Abend ähnlich deutliche Mehrheiten auch der Bischöfe: Darin ging es um die kirchliche Neubewertung von Homosexualität, die lange als Sünde verdammt worden war, und um die Grundordnung des kirchlichen Dienstes. Dem Papst werde empfohlen, lehramtlich eine Präzisierung und Neubewertung der Homosexualität vorzunehmen, heißt es in einem sogenannten Handlungstext, für den auch 40 der Bischöfe bei acht Gegenstimmen und acht Enthaltungen stimmten. Außerdem: „Die Loyalität zur katholischen Kirche darf nicht an der persönlichen Lebensform, insbesondere der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität, bemessen werden.“

Auf der vierten Synodalversammlung war am Donnerstagabend die Abstimmung über einen Text, der eine Liberalisierung der kirchlichen Sexualmoral anstrebte, noch an der fehlenden Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischöfe gescheitert. Er stieß zwar in der allgemeinen Abstimmung auf 82 Prozent Zustimmung - aber nur 33 Bischöfe stimmten für den Text bei 21 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen.

Bätzing sagte, wenn ein Text „ein so überragendes Votum der Gesamtversammlung findet und nicht die Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischöfe, dann fällt etwas auseinander, das nicht auseinanderfallen darf“. In seinem eigenen Bistum, Limburg, will er den Text gleichwohl einbringen.

„Dieser Prozess des Synodalen Wegs darf nicht scheitern, denn darauf beruht die Hoffnung so vieler Menschen in Deutschland - und das schulden wir den Betroffenen sexueller Gewalt“, betonte Bätzing nach einer nächtlichen Krisensitzung der Bischöfe mit Blick auf den deutschen katholischen Reformprozess, der Synodaler Weg genannt wird. Allerdings: „Wenn sich zeigt, dass wichtige Grundtexte vertagt werden, ist eine Gefahr des Scheiterns gegeben.“

Mahnende Worte gab es auch von der Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp. Auf dem Synodalen Weg sei die „Veränderungsbereitschaft aller Beteiligten ausschlaggebend“, sagte sie.

Am Freitagnachmittag ging es in der Debatte um einen Text über den Zugang von Frauen zu sakramentalen Ämtern. Stetter-Karp sagte, dieses Thema sei ihr besonders wichtig. Die Lage nach der Abstimmungsniederlage für den Text zur Sexualmoral bezeichnete sie als schmerzlich. „Die deutschen Bischöfe sind in ihrer Gesamtheit dem gegebenen Vertrauen nicht gerecht geworden“, sagte sie und warnte vor „fatalen Konsequenzen“, sollte der Reformprozess scheitern.

Er fürchte um das Ansehen der Kirche, sollte auch die Annahme des Frauentextes scheitern, mahnte der Aachener Bischof Helmut Dieser. Andere Bischöfe, die für die Annahme des Textes warben, gestanden einen Lernprozess ein. Die Theologin Julia Knop sagte an die Adresse derjenigen Bischöfe gewandt, die mit Verweis auf die kirchliche Lehrmeinung den Text ablehnen wollten, als Katholikin sei sie „wütend, dass dogmatische Selbstbeschneidungen wichtiger sind als Menschenwürde.“

Der Essener Weihbischof Ludger Schepers warb mit „Geht nicht - gibt's nicht“ für die Annahme des Frauentextes und für den Mut, „das Unmögliche zu denken“.

Kritik gab es am Umgang der Kirche mit den Opfern des sexuellen Missbrauchs. Der Schutz der Institution Kirche und seiner Würdenträger werde über die Versorgung und Unterstützung der Opfer gestellt, kritisierte der Sprecher des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz, Johannes Norpoth. Er erinnerte daran, dass es der Missbrauchsskandal gewesen sei, der den Synodalen Weg als Reformprozess überhaupt erst ausgelöst habe.

Missbrauchsbetroffene könnten sich zudem nicht ausreichend bei der Aufarbeitung beteiligen. Auch werde das Leid der Menschen nicht genügend mit den Entschädigungszahlungen anerkannt. Rund zwei Drittel der Entschädigungssummen liegen laut Norpoth im Bereich von 20 000 Euro oder weniger. „Damit wird vieles deutlich, aber sicher keine wertschätzende Haltung den Opfern von sexuellem Missbrauch gegenüber, die ihr Leben lang daran zu tragen haben.“

© dpa-infocom, dpa:220909-99-691989/6

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