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Veröffentlicht am 10.10.2025 12:02

Balanceakt E-Scooter: Sicherheit statt Risiko

E-Scooter spalten die Gemüter: Die einen nervt es, dass sie auf dem Gehweg rumstehen – die anderen finden sie ungemein praktisch, um schnell voranzukommen. (Foto: Christian Charisius/dpa/dpa-tmn)
E-Scooter spalten die Gemüter: Die einen nervt es, dass sie auf dem Gehweg rumstehen – die anderen finden sie ungemein praktisch, um schnell voranzukommen. (Foto: Christian Charisius/dpa/dpa-tmn)
E-Scooter spalten die Gemüter: Die einen nervt es, dass sie auf dem Gehweg rumstehen – die anderen finden sie ungemein praktisch, um schnell voranzukommen. (Foto: Christian Charisius/dpa/dpa-tmn)

Sie kennen E-Scooter? Ach, die elektrischen Tretroller, die uns helfen, die letzte Meile zwischen Öffis und Arbeit flink und umweltfreundlich zurückzulegen? Ach, die Höllenmaschinen, auf denen Jugendliche, gern im Doppelpack, johlend kippelnd den Bürgersteig unsicher machen? Ja, diese Gefährte können die Gemüter spalten.

Wie auch immer Sie zu den Rollern stehen, Fakt ist: Die Zahl der E-Scooter-Unfälle, bei denen Menschen verletzt oder getötet wurden, ist im vergangenen Jahr gestiegen. Laut Statistischem Bundesamt registrierte die Polizei 2024 in Deutschland 11.944 E-Scooter-Unfälle mit Personenschaden - das waren 26,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor (9.425 Unfälle). 

Vielfach sind es Unfälle ohne Fremdbeteiligung. „Bei keinem anderen Verkehrsmittel ist die Alleinunfallquote so hoch“, sagt Unfallforscher Siegfried Brockmann von der Björn Steiger Stiftung. Gerade erst hat er eine neue Untersuchung zum Thema vorgestellt: Fast jeder zweite Unfall mit Getöteten und Schwerverletzten war demnach ein Alleinunfall (45,3 Prozent).

Wie sich die Gefahr verringern lässt

Doch woran liegt das und was können E-Scooter-Fahrer tun, um das individuelle Risiko zu senken? Die Gefahr liegt erst einmal in der Natur der Sache – die Stabilität des Fahrzeugs sei extrem komplex, so Brockmann. Oder anders ausgedrückt: Meist fahren sich die einspurigen E-Scooter sehr wackelig.

„Natürlich liegt das an den kleinen Rädern“, sagt Brockmann, der größere Räder mit elf oder zwölf Zoll fordert. Auch die hohe Lenkstange trägt zu dem wackligen Fahrverhalten bei. „Nehmen wir das jetzt erst mal als gegeben hin. Umso wichtiger ist aber, dass ich auf alle Hindernisse im Straßenraum achten muss“, sagt er.

Zu den Hindernissen zählen Bordsteine, auch abgesenkte. „Wenn man meint, man könnte da mit dem E-Scooter einfach mal rauf- und runter brettern, dann geht das schief. Die Dinger sind dann sofort instabil und lassen sich auch nicht mehr aufhalten“, erläutert der Unfallforscher.

Sein wichtigster Tipp sei: „Im Hinterkopf haben, dass die E-Scooter einfach instabil sind“, sagt Brockmann. „Und alles, was im Weg ist - wie Wurzelwerk, irgendwelche größeren Sachen, eben auch Bordsteine und ähnliche Dinge - kann unmittelbar zum Sturz führen und tut das eben oft auch.“

Ganz sicher wäre: Don’t drink and drive

„Das Zweite ist, dass wir sehr, sehr viele Sturzunfälle im Zusammenhang mit Alkohol haben“, sagt Brockmann. Alkoholunfälle treten dabei fast ausschließlich - in 95 Prozent der Fälle - im Zusammenhang mit Alleinunfällen auf. „Bei allen anderen Unfällen spielt das Alkoholthema beim Scooter gar keine Rolle.“

Die Ursache hängt unmittelbar mit dem ersten Punkt zusammen: Die Instabilität des Rollers im Griff zu haben, wird im betrunkenen Zustand noch schwieriger. Dazu kommt, dass man dann vielleicht auch noch enthemmter fährt. Eine gefährliche Kombination.

Also zweiter Tipp: Keinen Alkohol trinken, wenn man Scooter fährt.„Das große Problem ist, dass gerade die Leih-Scooter natürlich gerne da herumstehen, wo man nach ein paar Bierchen irgendwo rauskommt und nach Hause will“, sagt Brockmann.

Schon geringe Mengen Alkohol können einen gefährlichen Einfluss haben: „Bis 0,2 Promille, egal mit was für einem Fahrzeug, sehen wir keine Einschränkungen in der Fahrtüchtigkeit“, sagt Brockmann. „Aber wenn ich jetzt, sagen wir mal, einen halben Liter Bier trinke, dann ist das eben kein Gläschen mehr und dann ist es zu viel.“ Also bleibt man besser komplett nüchtern.

Denn es gelten bei E-Scooter dieselben Alkoholbestimmungen wie etwa im Auto – man kann schon mit 0,3 Promille eine Straftat begehen, wenn man Ausfallerscheinungen wie etwa Schlangenlinien beim Fahren zeigt.

Übung macht den Meister – aber wie denn bloß?

„Bei meinem eigenen Fahrzeug kenne ich die Schwächen irgendwann“, sagt Brockmann. „Wenn ich das täglich benutze, dann weiß ich, wenn ich über eine Wurzel fahre, dann fängt es vielleicht vorn an zu eiern und dann kann ich mit dem Gefährt irgendwann umgehen“, sagt Brockmann. Aber wenn man nur gelegentlich oder selten auf Leih-Roller zurückgreift, sind das fremde Gefährte. „Dann bin ich vielleicht auch völlig überrascht von dem, was passiert“.

Wer regelmäßiger fährt – vielleicht noch auf dem eigenen Scooter – lernt logischerweise das Fahrverhalten immer besser kennen. Also lieber auch mal einen Scooter von einer Verleihfirma einfach nur zum Üben ausleihen?

„Ja, das ist eine gute Idee, halte ich nur nicht für besonders realistisch, weil ich glaube, dass es relativ spontane Gedanken sind, die man beim Ausleihen hat“, sagt Brockmann. Und die nun wiederum hingen auch nicht davon ab, welchen man am besten finde, sondern welche App man auf dem Handy habe und welcher Roller von welchem Anbieter gerade in der Nähe stehe.

Helm ist gut - doch er schützt nicht alle gefährdeten Stellen

Und ist ein Helm sinnvoll, obwohl er nicht vorgeschrieben ist? Ja. Laut der Studie der Steiger Stiftung machten Kopfverletzungen rund 50 Prozent aller Verletzungen aus. Doch es gibt ein großes Aber: „Das hört sich jetzt erst mal viel an, aber davon waren nur ganz wenige schwer“, sagt Brockmann. Und die meisten Kopfverletzungen befanden sich im unteren Gesichtsbereich. Dort betraf es in der Regel etwa Augenknochen und den Kiefer. „Das sind ja Bereiche, die der Fahrradhelm nicht schützt“, sagt Brockmann.

Es könne aber nicht schaden, einen zu tragen, was vor allem bei einem eigenen Scooter auch praktikabel ist. „Denn im Einzelfall, wenn man mit dem Hinterkopf aufschlägt, wird er doch nützlich sein.“

Kein Fall für zwei 

Zu zweit E-Scooter fahren, wie es oft zu sehen ist, ist nicht ohne Grund verboten. „Wenn ich ohnehin schon ein instabiles Fahrzeug habe, da ist das ausgesprochen gefährlich“, sagt Brockmann. Wenn der Hintermann irgendeine Bewegung macht, gehe sofort das ganze Fahrzeug in diese Richtung. Als Fahrender rechnet man damit oft nicht.

Zusammengefasst: Wenn man möglichst umsichtig rollert, die Fahrbahn stets auf Unwegsames scannt, nüchtern bleibt und sich an die Verkehrsregeln hält, ist die Fahrt auf dem E-Scooter am sichersten.

© dpa-infocom, dpa:251010-930-146011/1


Von dpa
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