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Veröffentlicht am 20.05.2025 10:45, aktualisiert am 20.05.2025 12:46

BKA: Politisch motivierte Kriminalität steigt um 40 Prozent

Zum ersten Mal wird die Statistik zur politisch motivierten Kriminalität von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) vorgestellt. Erhoben wurden die Daten dafür vor seinem Amtsantritt. (Foto: Michael Kappeler/dpa)
Zum ersten Mal wird die Statistik zur politisch motivierten Kriminalität von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) vorgestellt. Erhoben wurden die Daten dafür vor seinem Amtsantritt. (Foto: Michael Kappeler/dpa)
Zum ersten Mal wird die Statistik zur politisch motivierten Kriminalität von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) vorgestellt. Erhoben wurden die Daten dafür vor seinem Amtsantritt. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Die Zahl der politisch motivierten Straftaten ist im vergangenen Jahr so stark angestiegen wie nie zuvor seit Einführung der bundesweiten Statistik 2001. Wie der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, bei der Veröffentlichung der Fallzahlen für 2024 berichtete, wurden in Deutschland im vergangenen Jahr mehr als 84.000 politisch motivierte Straftaten verübt - ein negativer Rekord. Rund jede zweite dieser Taten ordnete die Polizei zuletzt dem rechten Spektrum zu. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte, notwendig zur Eindämmung politisch motivierter Kriminalität sei eine gemeinsame „Sicherheitsoffensive von Bund und Ländern“.

Im Vergleich zu 2023 stieg die Zahl der polizeibekannten Delikte mit politischem Motiv um rund 40 Prozent. Das Bundeskriminalamt sieht unter anderem Wahlen und den Nahost-Konflikt als Ursachen für die Zunahme politisch motivierter Straftaten. 

Neben der Europawahl im Juni gab es 2024 Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sowie die Teilwiederholung der Bundestagswahl in Berlin. Zudem warf die vorgezogene Bundestagswahl ihre Schatten voraus. 

Rechts motivierte Straftaten 

Am stärksten war der Anstieg 2024 bei den Straftaten, die mutmaßlich rechts motiviert waren. Ihre Zahl stieg im Vergleich zum Vorjahr laut Polizeistatistik von 28.945 Straftaten auf 42.788 Delikte. „Die größte Gefahr für die Demokratie geht vom Rechtsextremismus aus“, sagte der Bundesinnenminister auf Nachfrage und wiederholte damit eine Einschätzung seiner Vorgängerin Nancy Faeser (SPD). 

Der beste Weg, um die Parteien an den politischen Rändern zu schwächen, sei die Lösung der Probleme, die Bürgerinnen und Bürger bewegten, antwortete er auf eine Frage nach einem möglichen Verbotsverfahren gegen die AfD. Die Debatte über ein solches Verbot sei „kontraproduktiv“. 

Auch unter den 4.107 Gewalttaten mit politischem Motiv im vergangenen Jahr ist der Anteil jener, die laut Polizei einen rechten Hintergrund haben, mit rund 36 Prozent besonders hoch. 975 Gewalttaten - knapp 24 Prozent - entfielen auf den Bereich „ausländische Ideologie“. 762 Gewalttaten - knapp 19 Prozent - rechnete die Polizei dem linken Spektrum zu.

Zunahme auch bei „Hasskriminalität“

Wenn die Umstände der Tat oder die Einstellung des Täters Anhaltspunkte liefern, dass er aufgrund von Vorurteilen - etwa bezogen auf ethnische Herkunft, Religionszugehörigkeit oder Geschlecht - gehandelt hat, spricht die Polizei von sogenannter Hasskriminalität. In 19.481 Fällen sahen die Polizeibeamten „Fremdenfeindlichkeit“ als Motiv.

Straftaten im Kontext des Krieges in Nahost

In 6.236 Fällen wurde in der Eingangsstatistik der Polizei ein mutmaßlich antisemitisches Motiv aktenkundig. Von den insgesamt 7.328 politisch motivierten Straftaten, die die Polizei den Unterthemenfeldern „Israel“ und „Palästina“ zugeordnet hat, sah sie in 2.832 Fällen eine antisemitische Tatmotivation. Ein großer Teil der 793 politisch motivierten Gewaltstraftaten, die im Kontext des Nahost-Konflikts polizeibekannt wurden, stand in Zusammenhang mit Demonstrationen und Protestaktionen. Das lässt sich an der Art der Delikte erkennen - darunter 111 Fälle von Landfriedensbruch und 385 Widerstandsdelikte. 

Antisemitische Delikte

„Der steigende Antisemitismus macht uns größte Sorgen“, sagte Dobrindt. Seine Antwort darauf sei: „Mehr Kompetenzen für die Polizei und mehr Konsequenzen für die Straftäter“. Er sprach sich unter anderem für mehr Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten, Strafverschärfungen und erleichterte Ausweisungen bei einer Verurteilung wegen einer antisemitischen Straftat aus. 

Von den 6.236 antisemitischen Straftaten im vergangenen Jahr gingen laut Statistik 3.016 Taten auf das Konto mutmaßlich rechter Täter. Dass die Zahl der rechts motivierten antisemitischen Delikte gegenüber dem Vorjahr praktisch unverändert blieb, hat damit zu tun, dass seit Anfang 2024 antisemitische Taten mit unklarem Motiv nicht mehr automatisch dem rechten Spektrum zugeschlagen werden, sondern unter „sonstige Zuordnung“ gezählt werden.

Links motivierte Straftaten

Die Zahl der links motivierten Straftaten nahm im vergangenen Jahr um rund 28 Prozent auf 9.971 Delikte zu. Die Gewalttaten mit linkem Hintergrund nahm dagegen ab, um knapp 17 Prozent auf 762 Taten. Münch sieht hier auch ein Ergebnis von Ermittlungs- und Fahndungserfolgen in den vergangenen Jahren.

Entsetzen und Ruf nach Konsequenzen

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, sagte: „Wir müssen Extremismus in Deutschland besser bekämpfen. Die Polizei allein schafft das nicht.“ Erforderlich seien insbesondere Maßnahmen, um den Anstieg der politisch motivierten Gewalt zu stoppen und die „Radikalisierung über das Smartphone“.

Verantwortlich für den Anstieg rechter Gewalt sei einerseits die AfD, die Hass gegen Migranten, Juden und Andersdenkende schüre, sagte der Vorsitzende der Partei Die Linke, Jan van Aken. Andererseits leisteten hier auch die Parteien der Mitte einen Beitrag, weil diese „aus Angst vor der AfD Teile ihrer Positionen übernehmen“.

Der Deutsche Richterbund (DRB) warnte davor, bei der Bekämpfung von Gewalt, Hetze und Hasskriminalität allein auf Gesetzesänderungen zu setzen. „Schärfere Strafgesetze allein werden wenig bewirken, solange eklatanten Personallücken eine effektive Strafverfolgung ausbremsen“, sagte DRB-Bundesgeschäftsführer, Sven Rebehn. Die Ermittlungsbehörden schöben aktuell fast eine Million unerledigte Fälle vor sich her, bundesweit fehlten mehr als 2.000 Staatsanwälte und Strafrichter.

© dpa-infocom, dpa:250520-930-566507/2


Von dpa
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