Schon weit vor dem Ziel ließ sich Laura Philipp auf der berühmten Promenade des Anglais feiern. Sie ballte die Fäuste, sie genoss mit Freudentränen, voller Emotionen und der deutschen Fahne in der Hand die letzten Meter zum größten Triumph ihrer Karriere. Im Konfettiregen von Nizza für die neue Ironman-Weltmeisterin schrie die 37 Jahre alte Heidelbergerin fast ungläubig ihre Freude heraus und schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf. „Ich bin einfach sprachlos gerade“, sagte sie im Ziel: „Das ist einfach das beste Gefühl der Welt.“
Es wurde ein Rennen, in dem sie nach der Startabsage von Weltmeisterin Lucy Charles-Barclay und einem frühen bitteren Defekt-K.o. von Mitfavoritin Anne Haug ablieferte und der immer noch hochkarätigen Konkurrenz keine Chance ließ. „Es ist nicht alles glattgelaufen, ich habe einige Dinge verloren wie die Brille und so weiter. Aber am Ende geht es darum durchzuziehen, wenn es richtig weh tut. Das ist mir heute gelungen“, sagte sie und kündigte schon mal eine krachende WM-Party an mit allen, die ihr geholfen hätten.
Philipp verwies nach einer unwiderstehlichen Powervorstellung über 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen in 8:45:15 Stunden die ehemalige und erneute Vizeweltmeisterin Kat Matthews auf den zweiten Platz. Über acht Minuten lag sie zurück. Dritte wurde die Hawaii-Gewinnerin von 2022, Chelsea Sodaro, aus den USA - fast 20 Minuten langsamer als Philipp.
Haug nach einem Reifen-Drama und Charles-Barclay wegen einer Verletzung wurden Zeuginnen einer grandiosen Leistung von Philipp, die erst mit 24 Jahren richtig Schwimmen lernte und nun die zweite deutsche Profi-Triathletin ist, die den Ironman-WM-Titel holte. 2019 war es Haug gelungen. Vor einem Jahr hatte Philiipp in Hawaii es zum ersten Mal aufs Podest geschafft, nur Charles-Barclay und Haug waren schneller gewesen.
Die Britin musste nicht mal 24 Stunden vor dem Start um 7.15 Uhr in das rund 21 warme Wasser an der Côte d'Azur ihre Teilnahme absagen: Muskuläre Probleme. Und dann das Drama um Haug.
Zusammen mit Philipp schwamm die 41-jährige Bayreutherin in einer Verfolgergruppe. Wegen der doch noch mal gesunkenen Temperatur durften auch die Profi-Frauen Neoprenanzüge tragen - immer ein Vorteil für die etwas Schwächeren im Wasser. Rund vier Minuten nach der Spitze stiegen sie aus dem Mittelmeer. Voll im Soll.
Haug, die beste Läuferin im Feld, rannte durch die lange Wechselzone zum Beutel mit dem Equipment fürs Rad. Praktisch zeitgleich stieg sie mit Philipp auf ihre - wie bei allen - bis ins letzte Detail abgestimmte Zeitfahrmaschine. Doch dann stoppt Haug nach wenigen hundert Metern.
„Ich habe keine Pumpe mehr, nichts“, sagte sie völlig verzweifelt und versuchte, einen Silikonschlauch sogar mit dem Mund aufzublasen „Ich bin irgendwo drüber gefahren, der Reifen ist total hin.“
Alle Versuche, den Defekt am Hinterrad zu beheben, blieben vergeblich. „Es war nicht reparabel“, sagte sie wenig später und schilderte, was genau passiert war: „Ich war dabei, meine Schuhe anzuziehen, habe auf der Straße aber auch gar nichts gesehen, es war eine super schön gefegte Straße und auf einmal hat es peng gemacht. Dann ist der Reifen explodiert“, schilderte sie.
Einen Zentimeter lang sei der Schnitt etwa gewesen. Zu viel, um mit dem beschädigten Mantel wieder auf die Strecke zu fahren. „Nach 25 Minuten kam dann auch kein Mechaniker. Da blieb mir nichts andere übrig. Wir sind halt einfach Selbstversorger auf der Strecke. Man hat aber keinen neuen Mantel dabei.“
Haugs bittere Minuten am Straßenrand bekam Philipp nicht mehr mit, sie war bereits im Aufholmodus. Auf einem langen Anstieg schnappte sie sich eine nach der anderen, von Position 13 beim Radstart war sie kurz vor der Hälfte der 90 Kilometer in der Spitze angekommen. Es entwickelte sich danach vor allem ein Duell mit Matthews. Auf eine Tempoverschärfung Philipps auf einer weiteren Steigung antwortete die Britin mit einer rasanten Abfahrt, zusammen ging es in die zweite Wechselzone.
Etwas hektisch wirkte die Deutsche dort, ließ ein paar Sachen liegen und rannte ein paar Meter hinter Matthews los. Doch wie schon auf dem Rad, wo sie sich vom Verlust einer Verpflegungsflasche nicht irritieren ließ und kurz vor Schluss in einer Kurve geistesgegenwärtig auf einen Bordstein auswich, wirkte sie jederzeit kontrolliert, ruhig und fokussiert auf ihre eigene Leistung.
Nach etwas mehr als zehn Kilometern und damit der ersten von vier Runden zog sie davon. „Das muss jetzt noch nach Hause gebracht werden“, sagte ihr Trainer und Ehemann Philipp Seipp rund 15 Kilometer vor Schluss.
Sie habe sich immer wieder gesagt, „heute ist dein Tag, heute ist dein Tag“, erzählte Laura Philipp im ZDF. Und sie brachte es nach Hause und ins Ziel, wo sie von Seipp auch noch das verdiente WM-Küsschen bekam. „Laura hat heute alles zusammengebracht“, lobte er: „Richtig cool, ich bin mega stolz drauf.“
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