Alexandra Popp lag mit dem Gesicht zum Rasen und heulte nach dem Abpfiff hemmungslos. Danach ließ sich die Kapitänin der deutschen Fußballerinnen lange von Horst Hrubesch umarmen. „Natürlich sind wir brutal glücklich“, schilderte Popp später mit einem breiten Lächeln das Gefühl der gesamten Mannschaft. Beim Wort „brutal“ betonte sie jeden einzelnen Buchstaben.
Mit dem Gewinn der Bronzemedaille durch den 1:0 (0:0)-Sieg gegen Weltmeister Spanien bereiteten Popp und Co. Hrubesch bei den Olympischen Spielen einen rauschenden Abschied zum Ende seiner zweiten Amtszeit als Interimscoach. Heldin eines am Ende dramatischen Spiels in Lyon war - wieder einmal - Torfrau Ann-Katrin Berger.
Die 33-Jährige hielt in der neunten Minute der Nachspielzeit einen Foulelfmeter von Spaniens Spielführerin Alexia Putellas. Sie habe sich auf dieses Duell nicht wirklich fokussieren können, gab Berger unumwunden zu: „Wie gesagt: Ich war einfach komplett leer.“ Sie parierte den halbhoch geschossenen Elfmeter dennoch famos und sprach von einem „unfassbar schönen Gefühl“
Die Torwart-Heldin hatte schon im Viertelfinale gegen Kanada mit ihren Paraden und einem selbst verwandelten Versuch im Elfmeterschießen für den Sieg der DFB-Auswahl gesorgt. Gegen Spanien avancierte neben Berger noch Giulia Gwinn zur Matchwinnerin. Sie erzielte mit einem Foulstrafstoß in der 65. Minute den entscheidenden Treffer.
„Wir haben nochmal alle Körner rausgehauen, die noch in uns waren“, sagte die Bayern-Spielerin. Nach dem „kurzen Schreckmoment“ am Ende sei die Erleichterung im Team riesengroß, so die 25-Jährige: „Alle sind zu Boden gesunken, die Tränen sind geflossen. Es ist einfach eine Achterbahn der Gefühle.“
Wie Popp, Berger und Gwinn drückte der scheidende Trainer Hrubesch auch Abwehrchefin Marina Hegering an seine Brust. Die Wolfsburgerin hatte sich angeschlagen durchs Turnier geschleppt und eine erneut glänzende Leistung gebracht. „Es war pure Erleichterung“, sagte Hegering. „Ich habe erst mal fünf Minuten geweint. Ich hätte keine Verlängerung mehr spielen können.“
Nach drei kräftezehrenden Turnierwochen zeigten die DFB-Frauen in der prallen Nachmittagssonne bei 32 Grad noch einmal eine Energieleistung und dürfen nun zur Medaillenzeremonie nach Paris reisen. Nach dem Finale am Samstag zwischen den USA und Brasilien im Prinzenpark werden dort auch die Drittplatzierten geehrt.
Schon 2000, 2004 und 2008 hatte die DFB-Auswahl jeweils Bronze gewonnen. 2016 in Rio gab es Gold, damals hatte Hrubesch mit den Männern Silber geholt. Nun wird der 73-Jährige wie schon länger beschlossen von Christian Wück abgelöst. „Es gibt auf jeden Fall Abschiedsgeschenke“, kündigte Gwinn an, „aber das größte Geschenk haben wir uns alle gemeinsam gemacht“.
Unter den nur etwa 8000 Zuschauern waren auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf und die am Knie operierte Mittelfeldspielerin Lena Oberdorf mit Krücken. „Sie haben es sich wirklich verdient, dass sie morgen auf dem Treppchen stehen“, sagte Neuendorf.
Mit Rückkehrerin Popp, die beim 0:1 gegen die USA im Halbfinale wegen eines Infekts gefehlt hatte, erstmals beim olympischen Turnier im Sturmzentrum und einer offensiven Gwinn auf der Außenbahn waren die DFB-Frauen schwungvoll gestartet. Sie ließen die Spanierinnen in der ersten halben Stunde nur selten ihren Kombinationsfußball aufziehen. Mittelstürmerin Lea Schüller (Entzündung der Patellasehne) meldete sich zwar zurück, saß aber erst mal auf der Bank.
Mit energischer und aufmerksamer Defensivarbeit schränkten Hegering und ihre Mitspielerinnen die Kreise der aktuellen Weltfußballerin Aitana Bonmatí zunächst ein. Dann aber wurde Spanien immer stärker. Torhüterin Berger hatte zweimal Riesenglück: Bei Teresa Abelleiras Heber landete der Ball auf der Oberkante der Latte. Auch Bonmatí traf nur die Latte, der Nachschuss von Jennifer Hermoso wurde von Janina Minge gerade noch zur Ecke abgewehrt.
Mit vereinten Kräften und Fortune brachte die deutsche Auswahl den Vorsprung über die Zeit - trotz der Hektik am Ende. Auch Hrubesch musste noch zittern, am Ende aber jubelte auch er. Das HSV-Idol hat die Fußball-Frauen nach dem WM-Debakel in Australien im vergangenen Jahr wieder an die Weltspitze herangeführt.
Unter seinem Nachfolger Wück, der am 25. Oktober in Wembley sein Debüt gegen England gibt, werden sich die deutschen Frauen schnell weiterentwickeln müssen. Im nächsten Jahr steht die Europameisterschaft in der Schweiz an. Möglicherweise gibt es vorher einen größeren Umbruch. Popp ließ in Lyon offen, ob sie ihre internationale Karriere fortsetzt.
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