An ein deutsches Handball-Wunder glaubt keiner mehr. Der SC Magdeburg hat die Meisterschale fest im Griff. Vor dem letzten Auswärtsspiel der Bördestädter am Donnerstag bei den Rhein Neckar Löwen (20.30 Uhr/Dyn) ist der Vorsprung von vier Punkten und 84 Toren auf die Füchse Berlin so groß, dass er nicht mehr einzuholen ist. Das sagen zumindest alle Experten.
Und auch der sonst so besonnene und zurückhaltende SCM-Trainer Bennet Wiegert ließ sich nach dem knapp gewonnen Heimspiel am Sonntag gegen den SC DHfK Leipzig dazu hinreißen, die Feierlichkeiten beginnen zu lassen. „Ich muss mal schauen, wie wir die Woche strukturieren und Seriosität reinbringen. Die Jungs sollen das jetzt erst einmal richtig genießen und feiern“, sagte Wiegert der Magdeburger „Volksstimme“.
Der SC Magdeburg ist momentan das Nonplusultra in der Bundesliga, in Europa und wohl auch in der ganzen Handballwelt. Der Club könnte nun etwas schaffen, das sehr selten ist: das Quadrupel. Den Weltpokal hat der Club in der Tasche, den DHB-Pokal auch, die Meisterschale bekommt er am Sonntag nach dem letzten Spiel gegen die HSG Wetzlar. Jetzt fehlt nur noch der Pott für den Champions League-Sieg. Im Final Four in Köln am 8. Juni treffen die Magdeburger zunächst auf Aalborg AB und hoffen darauf, am 9. Juni den Titel verteidigen zu können.
Deshalb kommt dem Team die frühe Meisterschaftsentscheidung sehr gelegen. „Wir können uns jetzt ganz auf die Champions League konzentrieren, haben keinen Druck mehr. Jetzt gehen wir all in, wollen alles“, sagte Nationalspieler Lukas Mertens nach dem Leipzig-Spiel. Trainer Wiegert ist sich aber sicher, dass er und seine Kollegen auch die beiden letzten Bundesliga-Partien siegreich gestalten wollen. „Ich werde jetzt keinen Druck aufbauen. Aber wir wissen, dass die Jungs auch dieses Spiel gewinnen wollen“, sagte der Erfolgscoach.
Gut möglich, dass er seinen großen Stars wie Felix Claar, Omar Ingi Magnusson und Gisli Kristjansson eine Verschnaufpause gönnt und dafür ein paar Bankdrückern Zeit gibt, sich zu präsentieren. Denn auch dort steckt viel Potenzial: Welcher Trainer kann es sich schon leisten, Nationalspieler wie Philipp Weber oder Michael Damgaard kaum einzusetzen.
Wiegert ist der Macher des SCM-Erfolgs. Stück für Stück hat er im Laufe der vergangenen Jahre sein Team zusammengestellt, gezielt Spieler verpflichtet, die von ihren Qualitäten und vor allem menschlich in sein Konzept passen. So kann er einen Handball spielen lassen, dem derzeit kaum ein Gegner gewachsen ist. Es ist eine Mannschaft, die sich auch von Rückschlägen nicht aus der Ruhe bringen lässt. Die Unruhe, die nach dem Dopingfall Nikola Portner im Umfeld entstand, überspielte die Mannschaft grandios, holte den DHB-Pokal und zog ins Champions League-Final-Four-Turnier ein.
Sollte der Schweizer Torhüter tatsächlich gesperrt werden - seine Erklärfrist endet am 30. Mai - wird sich Wiegert genau überlegen, ob er Nationaltorhüter Andreas Wolf an die Elbe lotst. Der steht noch in Kielce unter Vertrag. Die Polen sollen dem Vernehmen nach 1,2 Millionen Euro Ablöse verlangen - eine Summe, die im Handball zumindest unüblich ist. Und sie würde etwa ein Zehntel des SCM-Etats bedeuten. Beim sehr sparsam und überlegt wirtschaftenden SC Magdeburg wird man genau rechnen. Aber vielleicht ergeben sich durch die Erfolge zusätzliche Einnahmequellen, die einen solchen Transfer ermöglichen.
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