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Veröffentlicht am 30.07.2022 07:47

Dobrindt: AKW-Laufzeitverlängerung um fünf Jahre ist denkbar

Der Atomausstieg ist für Ende 2022 geplant. Doch die Bundesregierung steht zunehmend unter Druck, diesen zu verschieben. (Foto: Armin Weigel/dpa)
Der Atomausstieg ist für Ende 2022 geplant. Doch die Bundesregierung steht zunehmend unter Druck, diesen zu verschieben. (Foto: Armin Weigel/dpa)
Der Atomausstieg ist für Ende 2022 geplant. Doch die Bundesregierung steht zunehmend unter Druck, diesen zu verschieben. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Die CSU will in der Debatte über längere Laufzeiten von Atomkraftwerken den Druck erhöhen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hält verlängerte Laufzeiten von Kernkraftwerken in Deutschland um mehrere Jahre für möglich. Auch andere Politiker von Union und von FDP forderten bereits deutlich längere Laufzeiten und nicht nur für einige Monate, um kurzfristig mögliche Stromengpässe im Winter zu überbrücken.

Dobrindt forderte in der „Welt am Sonntag“ eine Entscheidung zur „Vernunft-Energie“. Mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin sagte er: „Wir werden uns noch lange Zeit Putins brutalem Versuch, den Westen durch Energieterror zu destabilisieren, ausgesetzt sehen. In dieser Lage sind Laufzeitverlängerungen für die Kernkraft von mindestens weiteren fünf Jahren denkbar.“

Aktuell sind noch drei Atomkraftwerke in Deutschland am Netz: Emsland in Niedersachsen, Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg. Sie sollen laut Gesetzeslage aber Ende 2022 abgeschaltet werden. Diskutiert wird unter anderem, sie in einem sogenannten Streckbetrieb einige Monate länger laufen zu lassen. Das schließen auch Grünen-Politiker nicht aus, verweisen aber auf einen neuen Stresstest zur Stromversorgung, den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angeordnet hat.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ mit Blick auf Isar 2: „Wenn der Stresstest ergibt, dass Bayern tatsächlich ein ernsthaftes Strom- bzw. Netzproblem haben könnte, dann werden wir diese Situation und die dann bestehenden Optionen bewerten.“

Längst wird aber auch über die Wiederinbetriebnahme von bereits stillgelegten AKW debattiert. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder sagte der „Süddeutschen Zeitung“: „Stillgelegte Kraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen, ist mit höherem Aufwand verbunden. Aber möglich ist es. Es ist auch kein Problem, Material für Brennstäbe über Kanada zu organisieren.“ Es gehe einzig um die Frage, wie lange die Kernkraft in der Krise gebraucht werde. „Wir wollen sicher keine Ewigkeitsgarantie“, betonte der CSU-Chef. Er sagte auch: „Mir würde jetzt erst mal reichen, wenn die drei bestehenden Werke am Netz bleiben.“

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann nannte es „offenkundig“, worum es Söder, CDU-Chef Friedrich Merz und Politikern der FDP eigentlich gehe: „Die Rücknahme des Atomausstiegs.“ Die Atomkraft sei eine „gefährliche und teure Hochrisikotechnologie“. Dagegen müsse man auf Energieeinsparung, Effizienz und den Ausbau der erneuerbaren Energien setzen. Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital betonte ebenfalls mit Hinweis auf die Risiken: „CSU und CDU agieren unseriös, wenn sie so tun, als könne man die Reaktoren einfach weiterlaufen lassen und sogar bereits abgeschaltete AKW wieder in Betrieb nehmen.“ Fakt sei, dass seit Jahren vorgeschriebene Sicherheitsüberprüfungen der AKW fehlten.

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin forderte in Richtung CSU, mehr Strom einzusparen. „Wir haben ein regionales Problem, und zwar in Bayern“, sagte der frühere Umweltminister dem „Tagesspiegel“. „Dass im Winter die bayerischen Alpen mit Schneekanonen beschneit werden, muss auf den Prüfstand. Wir haben in Bayern ein gigantisches Stromsparpotenzial, das weit über dem liegt, was Isar 2 liefern könnte.“

Söder entgegnete, Bayern liege mit 53 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien erheblich über dem Bundesdurchschnitt. Der CSU-Chef verwies zudem auf den Norden und sprach sich dafür aus, die Nutzung einheimischer Gasressourcen durch die Fracking-Methode zu prüfen. „Vor allem in Niedersachsen gibt es nach Ansicht von Experten große Erdgasfelder“, sagte Söder. Niedersachsens Wirtschaftsminister und CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 9. Oktober, Bernd Althusmann, der sich bei NDR Info für längere AKW-Laufzeiten aussprach, hatte sich aber vor wenigen Tagen ablehnend zum Fracking geäußert und auf das aktuelle gesetzliche Verbot verwiesen.

Der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, Wolfram König, lehnt verlängerte Laufzeiten von Atomkraftwerken in Deutschland ab. König sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“: „Der mühsam errungene gesellschaftliche Konsens würde auch grundsätzlich infrage gestellt werden.“ Nach der Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 hatte der Bundestag den Atomausstieg bis 2022 beschlossen. SPD und Grüne unterstützen den Kurs der Koalition von CDU/CSU und FDP. Acht Atomkraftwerke wurden sofort stillgelegt, die übrigen neun folgen stufenweise bis 2022.

Weiter ungelöst ist die Frage über ein Endlager für hoch radioaktive AKW-Abfälle. 2031 soll der am besten geeignete Standort gefunden sein, der Bundestag entscheidet darüber. Ab 2050 sollen Behälter mit strahlendem Abfall unterirdisch eingelagert werden. König vermisst Fortschritte bei der Endlagersuche und hält das Ziel 2031 „für nicht mehr realistisch“.

Zur Klärung der Grünen-Position zu längeren Laufzeiten hält Ex-Umweltminister Trittin notfalls einen Parteitag für nötig. „Wenn man ernsthaft eine Änderung des Atomgesetzes wollte, wird das ohne Parteitag nicht gehen“, sagte Trittin dem „Tagesspiegel“. Trittin betonte, auch ein sogenannter Streckbetrieb sei eine Laufzeitverlängerung. Dafür müsse das Atomgesetz geändert werden. „Das werden wir nicht anfassen“, zeigte sich Trittin überzeugt. Denn die FDP hoffe ansonsten, mit der Union zusammen alles Mögliche da neu rein zu verhandeln, meinte er.

© dpa-infocom, dpa:220730-99-210429/8

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