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Veröffentlicht am 28.07.2024 09:36, aktualisiert am 28.07.2024 09:52

Druck steigt bei Meeresbodenbehörde - Chef wird gewählt

Manganknollen auf dem Meeresboden der Clarion-Clipperton-Zone (Foto: Rov Kiel 6000/Geomar/dpa)
Manganknollen auf dem Meeresboden der Clarion-Clipperton-Zone (Foto: Rov Kiel 6000/Geomar/dpa)
Manganknollen auf dem Meeresboden der Clarion-Clipperton-Zone (Foto: Rov Kiel 6000/Geomar/dpa)

Nach drei Jahren ergebnisloser internationaler Gespräche über eine Regulierung des Tiefseebergbaus wird es allmählich ernst. Bei der Generalversammlung der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA), von Montag bis Freitag in Kingston, will unter anderem Deutschland auf eine Grundsatzregelung zum Schutz der Meeresumwelt drängen, bevor es zu spät ist. Trotz der Bedenken zahlreicher Experten hat der Konzern The Metals Company (TMC) angekündigt, einen Antrag für ein Tiefseebergbau-Projekt noch in diesem Jahr zu stellen.

Im Jahr 2026 will TMC dann im Pazifik mit dem kommerziellen Abbau von Rohstoffen am Boden der Tiefsee beginnen. Weil es noch immer kein Regelwerk gibt, ist unklar, wie mit einem solchen Antrag umgegangen würde. Eine wichtige Rolle könnte dabei der ISA-Generalsekretär spielen - über das Amt soll am Ende der fünftägigen Generalversammlung abgestimmt werden.

Kritik am Generalsekretär

Der Amtsinhaber Michael Lodge, der sich für eine dritte vierjährige Amtszeit bewirbt, steht nach Ansicht mancher Mitgliedstaaten der Industrie zu nahe. Nach einem Bericht der „New York Times“ wirft ihm ein früherer Mitarbeiter vor, Gelder missbraucht zu haben. Der Brite soll demnach zudem seiner Gegenkandidatin, der brasilianischen Ozeanographin Leticia Carvalho, eine Stelle bei der ISA im Tausch gegen ihren Rückzug von der Wahl angeboten habe. Lodge weist alle Vorwürfe zurück.

Mindestens 27 Staaten fordern ein Verbot, ein Moratorium oder eine sogenannte vorsorgliche Pause für den Tiefseebergbau. Bei der Generalversammlung wollen sie eine Grundsatzregelung zur Diskussion bringen, damit keine Anträge bearbeitet werden, bis mehr über die Umweltfolgen bekannt ist.

Manganknollen sind das Objekt der Begierde

Beim Tiefseebergbau geht es vor allem um den Abbau sogenannter Manganknollen auf dem Boden der sogenannten Hohen See, wo kein Staat die Hoheit hat, sondern nach dem UN-Seerechtsübereinkommen (Unclos) die ISA zuständig ist. Die Metals Company - die sich den Inselstaat Nauru als Sponsor ins Boot geholt hat - will in der Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) im Pazifik zwischen Mexiko und Hawaii aktiv werden. Der Meeresboden liegt dort 4.000 bis 6.000 Meter unter der Oberfläche.

Manganknollen entstehen über Millionen Jahre und enthalten Rohstoffe wie Mangan, Kobalt, Kupfer und Nickel, die in der Herstellung von Batterien etwa für Elektroautos verwendet werden könnten. TMC beschreibt die Manganknollen als „Batterien in einem Stein“, die man nur vom Meeresboden aufsaugen müsse. Das sei viel weniger umweltschädlich als der Bergbau an Land.

Ökosysteme gefährdet

Untersuchungen zeigen jedoch ernste Gefahren für die Ökosysteme der Tiefsee, etwa durch Sedimentwolken und Lärm. „Der Großteil des Lebensraums auf dem Meeresboden wird zerstört werden“, sagt die Meeresbiologin Diva Amon aus Trinidad in einem Briefing der Tiefseeschutz-Organisation Deep Sea Conservation Coalition (DSCC). Die Erholungszeit sei so lang, dass es sich um einen geologischen und nicht menschlichen Maßstab handle.

Über das zu erwartende Ausmaß der Zerstörung lässt sich derzeit nur spekulieren, da die Tiefsee - das größte Ökosystem der Welt - noch wenig erforscht ist. 2023 hatte ein Forschungsteam im Fachblatt „Current Biology“ geschätzt, dass in der Clarion-Clipperton-Zone 5.580 Tierarten leben - 90 Prozent davon seien bislang unbeschrieben. Und erst vor einer Woche berichtete ein Forschungsteam im Fachjournal „Nature Geoscience“ von der überraschenden Entdeckung, dass Manganknollen Sauerstoff erzeugen können.

„Mineralien aus der Tiefsee zu nutzen, um die Klimakrise zu lösen, ist wie Rauchen, um Stress zu verringern“, meint Amon. Vielmehr könne der Tiefseebergbau die Krise verschlimmern, indem er die wichtige Funktion des Meeres störe, Kohlenstoff zu binden und Hitze aufzunehmen.

Nach Ansicht einiger Experten ist der Tiefseebergbau für die Energiewende gar nicht nötig. Wegen der technologischen Entwicklung in der Batterieherstellung hin zum Lithium-Eisenphosphat-Akkumulator würden die in Manganknollen enthaltenen Metalle immer weniger gebraucht, betont Victor Vescovo, ein Entdecker aus den USA, in dem DSCC-Briefing. Tiefseebergbau sei auch deshalb nicht profitabel, weil die Kosten und technischen Risiken unterschätzt würden.

Greenpeace: Führungswechsel bei ISA nötig

Dennoch ist bald mit dem Antrag der Metals Company zu rechnen. Die ISA müsse ihrer Verpflichtung zum Schutz der Biodiversität in der Tiefsee nachkommen, meint Greenpeace-Meeresexpertin Daniela Herrmann. „Dafür sind eine neue Leitung und die unter anderem von Deutschland vorgeschlagene allgemeine Grundsatzregelung zum Schutz der Meeresumwelt dringend notwendig.“ Generalsekretär Lodge sei nicht vertrauenswürdig.

© dpa-infocom, dpa:240728-930-186527/2


Von dpa
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