Die Helden seiner Zeichentrickfilme sind häufig Kinder mit Kulleraugen und ihre Welt ist voller Poesie. Doch seine Meisterwerke zeigen oft auch Gewalt, Umweltzerstörung, Bomben und den Krieg der Menschheit gegen die Natur. Hayao Miyazaki gilt als der Großmeister des Anime, des japanischen Trickfilms. Arte widmet ihm ein Porträt. „Miyazaki - Die Natur im Blick“ läuft am 20. Dezember um 22.45 Uhr auf dem deutsch-französischen Sender.
Miyazaki war 56 Jahre alt, als er 1997 mit dem Natur-Epos „Prinzessin Mononoke“ seinen ersten Welterfolg feierte. Der abendfüllende Film handelt -stark verkürzt - von einem Urwald, seinen Geistern und seinen Tiergöttern, die von den Rodungen für eine Eisenhütte bedroht sind.
„Prinzessin Mononoke“ gilt als einer der letzten großen Zeichentrickfilme, die ohne Computertechnik produziert wurden. Als Miyazaki schon Jahre mitten in dem Mammutprojekt steckte, hatte er sich noch kein Ende für die Handlung ausgedacht.
Viele der Meisterwerke Miyazakis wie etwa auch der oscargekrönte Film „Chihiros Reise ins Zauberland“ (2001) bestechen durch ihre poetische Atmosphäre, ihre liebenswerten Figuren und stimmige Musik. Doch in Wirklichkeit geht es um die drängenden Probleme der Menschheit: Konsumwahn, Umweltverschmutzung oder Gier nach Rohstoffen. „Ponyo“ (2008) handelt nicht zuletzt von der Ignoranz gegenüber dem Klimawandel.
„Es heißt seit einer Weile, Ghibli mache schöne Wohlfühlfilme“, sagt Miyazaki in einem Interview über sein Filmstudio. „Darum muss ich einen Film machen, der diese Erwartungen enttäuscht. Wenn wir mit unseren Filmen nicht die großen Probleme der Zeit angehen, können wir es auch gleich lassen. Ich frage mich, wie man das Chaos, mit dem wir heutzutage konfrontiert sind, ignorieren und immer noch Filme machen kann, als würde alles fröhlich weitergehen.“
Mit Ausschnitten aus Miyazakis Filmen und seltenem, teilweise unveröffentlichtem Archivmaterial taucht die Dokumentation in das Leben und Werk des japanischen Anime-Meisters ein. Regisseur Léo Favier schafft mit gekonnt ausgewählten Schnittbildern hervorragende Bezüge zwischen der echten Welt und dem Zeichentrick-Kosmos. Ausschnitte aus mehreren großen Studio-Ghibli-Klassikern bekommen plötzlich einen ganz anderen Kontext.
Miyazaki wurde 1941 während des Zweiten Weltkriegs in Tokio geboren und erlebte als kleines Kind die Bombardierungen der Amerikaner. Seine Familie besaß eine Fabrik, in der Teile für das Jagdflugzeug Mitsubishi Zero hergestellt wurden. Die „Zero“ gilt heute als das wichtigste Sinnbild des Pazifikkrieges. Ähnliche Oldtimer-Maschinen kommen immer wieder in den Animes Miyazakis vor. Das Studio Ghibli ist nach einer italienischen Propellermaschine der 1930er benannt.
Miyazakis Mutter war schwer krank. Der kleine Hayao wuchs im zerstörten Nachkriegsjapan auf und entdeckte früh seine Leidenschaft für Mangas. Mit 17 Jahren beschloss er, sein Leben dem Zeichentrickfilm zu widmen, da er in dieser magischen Kunst eine Möglichkeit sah, die Dämonen zu besiegen, die ihn seit jeher quälten.
Viele seiner oft autobiografischen Werke zeugen von der tiefen Besorgnis des Filmemachers über den Zustand der Welt. „Ich habe geglaubt, die Welt verändern zu können. Aber nichts ändert sich“, sagt er in der Doku. „Auch wenn ich es gern glaube. So ist das Filmemachen eben.“ Ein trauriges Fazit eines weltklugen Genies.
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