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Veröffentlicht am 22.03.2024 19:08

Dutzende Tote in Moskau - IS reklamiert Anschlag für sich

Nach dem Angriff auf eine Veranstaltungshalle in der Region Moskau hat der russische Inlandsgeheimdienst FSB laut Agentur Interfax Tote und Verletzte bestätigt. (Foto: Sergei Vedyashkin/Moscow News Agency/AP/dpa)
Nach dem Angriff auf eine Veranstaltungshalle in der Region Moskau hat der russische Inlandsgeheimdienst FSB laut Agentur Interfax Tote und Verletzte bestätigt. (Foto: Sergei Vedyashkin/Moscow News Agency/AP/dpa)
Nach dem Angriff auf eine Veranstaltungshalle in der Region Moskau hat der russische Inlandsgeheimdienst FSB laut Agentur Interfax Tote und Verletzte bestätigt. (Foto: Sergei Vedyashkin/Moscow News Agency/AP/dpa)

Moskau (dpa) - Die Terrormiliz Islamischer Staat hat den Anschlag auf das Veranstaltungszentrum bei Moskau mit Dutzenden Toten und Verletzten für sich reklamiert. Das meldet das IS-Sprachrohr Amak im Internet unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen. Nach den Angreifern wird gefahndet.

Spezialeinheiten der russischen Nationalgarde sind an der Crocus City Hall in der Stadt Krasnogorsk im Einsatz. Gesucht werde nach den Verbrechern, teilen die Einsatzkräfte mit. Zudem werden Personen in Sicherheit gebracht.

Um wie viele Angreifer es sich handelte, ist nicht bekannt. Russlands zentrales Ermittlungskomitee nahm ein Verfahren wegen eines mutmaßlichen „Terrorakts“ auf, wie die Behörde im Nachrichtendienst Telegram mitteilt.

Das ist passiert

Zuvor hatte es nach Behördenangaben Schüsse und Explosionen in der Veranstaltungshalle gegeben. Unbekannte in Kleidung in Tarnfarben hätten die Crocus City Hall kurz vor Beginn eines Konzerts gestürmt und das Feuer eröffnet, teilte die russische Generalstaatsanwaltschaft mit. Nach Behördenangaben sind mehr als 60 Menschen getötet worden. Das meldete die Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf das Staatliche Ermittlungskomitee Russlands. Zuvor war von mehr als 40 Toten gesprochen worden. Zudem seien ersten Erkenntnissen zufolge mehr als 100 Menschen verletzt worden, wurde die Behörde von der russischen Nachrichtenagentur Interfax zitiert. Das örtliche Gesundheitsministerium sprach zuletzt von 145 Menschen, die in Krankenhäuser gebracht worden seien.

Westliche Botschaften hatten zuletzt vor Terroranschlägen in Moskau gewarnt. Der Kreml hatte dies als Provokation des Westens bezeichnet.

Das russische Zivilschutzministerium teilte mit, dass das Gebäude, in dem auch eine Konzerthalle mit Tausenden Sitzplätzen ist, auf einer Fläche von 13.000 Quadratmetern in Flammen stehe. Bisher gelinge es nicht, das Feuer zu löschen. Auch Löschhubschrauber sind im Einsatz. An dem Gebäude sind lodernde Flammen zu sehen und eine riesige Rauchwolke. Das Dach soll eingestürzt sein. Dutzende Rettungswagen sind im Einsatz und viele Busse, um Menschen in Sicherheit zu bringen. Die Lage ist unübersichtlich.

In der Crocus City Hall gibt es mehrere Veranstaltungssäle, die auch für Messen genutzt werden. Es ist eine der beliebtesten Freizeitstätten für die Moskauer und die Menschen im Umland der russischen Hauptstadt. Immer wieder sind dort auch Stars aufgetreten. Am Abend hätte es ein Konzert der russischen Rockband Piknik geben sollen.

Putin „seit der ersten Minute“ informiert

Russlands Präsident Wladimir Putin hat sich nach Kremlangaben „seit der ersten Minute“ über die Geschehnisse informieren lassen. Er erhalte über die entsprechenden Dienste ständig alle wichtigen Informationen über das Geschehen und die eingeleiteten Maßnahmen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge.

Die Chefin des Föderationsrats, dem Oberhaus des russischen Parlaments, Valentina Matwijenko, drohte den Drahtziehern des Anschlags mit Vergeltung. „Diejenigen, die hinter diesem fürchterlichen Verbrechen stehen, werden die verdiente und unausweichliche Strafe dafür erhalten“, schrieb sie auf ihrem Telegram-Kanal. Der Staat werde zugleich alles tun, um den Hinterbliebenen zu helfen, kündigte sie an.

Kiew und USA bestreiten Verbindungen

Vertreter Kiews wiesen den Verdacht einer ukrainischen Verwicklung zurück. „Die Ukraine steht in absolut keiner Beziehung zu den Vorgängen“, betonte Mychajlo Podoljak, Berater von Präsidentenbürochef Andrij Jermak, in einer Videobotschaft bei Telegram. Sein Land stehe mit Russland und der russischen Armee in einem Krieg und werde diese mit „entschiedenen Offensivhandlungen“ zerschlagen. Gleichzeitig hob er hervor: „Die Ukraine hat im Unterschied zur Russischen Föderation niemals terroristische Methoden der Kriegsführung, Terrorismus als solchen angewandt.“ Für eine Beteiligung russischer Sicherheitskräfte an solchen Aktionen gebe es hingegen Präzedenzfälle in der jüngeren Vergangenheit, sagte er.

Die USA mahnten in einer ersten Reaktion ebenfalls an, keinen Zusammenhang mit der Ukraine herzustellen. „Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Ukraine oder Ukrainer mit den Schüssen zu tun hatten“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, in Washington. Man könne noch nicht viel zu den Details mitteilen, rate aber zu diesem frühen Zeitpunkt eindringlich von der Annahme ab, dass es eine Verbindung zur Ukraine gebe. Das US-Außenministerium riet amerikanischen Staatsbürgern vor Ort, große Menschenansammlungen zu meiden.

Terrorexperte: IS-Bekennerschreiben echt

Der Terrorexperte Peter Neumann vom King's College in London hält das Bekennerschreiben der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zum Anschlag bei Moskau für echt. Das bestätigte Neumann auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. „Die Bekennernachricht lief über alle offiziellen IS-Kanäle. Ich und meine Kollegen können das 100%ig bestätigen“, schrieb Neumann zudem auf X (vormals Twitter).

Der aus Deutschland stammende Wissenschaftler warnte auch vor Falschnachrichten, die auf russischen Telegram-Kanälen kursierten mit der Behauptung, die IS-Mitteilung sei gefälscht. Es gebe „bereits massenweise Fake-News - vermutlich, um das Narrativ zu spinnen, die Ukraine sei für Anschlag verantwortlich“, schrieb Neumann.

Dass der IS den Anschlag für sich reklamiert, ohne tatsächlich dahinterzustecken, hält Neumann für sehr unwahrscheinlich. Das Bekennerschreiben alleine sei noch kein hundertprozentig zuverlässiger Hinweis, aber in Verbindung mit den anderen Indizien halte er es „für ziemlich sicher, dass es was mit dem IS zu tun hat“, sagte der Professor für Security Studies der dpa. Er wies unter anderem darauf hin, dass die US-Botschaft in Moskau bereits Anfang März vor der Gefahr eines Anschlags in Russland gewarnt hatte.

Reaktionen aus dem Ausland

Die Europäische Union verurteilte den Angriff. Die EU sei schockiert und entsetzt, schrieb EU-Kommissionssprecher Peter Stano auf der Plattform X (früher Twitter). Die EU verurteile jegliche Angriffe auf Zivilisten. „Unsere Gedanken sind bei allen betroffenen russischen Bürgern.“

Das Auswärtige Amt schrieb auf X von einem „furchtbaren Angriff auf unschuldige Menschen“. Die Hintergründe müssten rasch aufgeklärt werden. „Unser tiefes Mitgefühl gilt den Familien der Opfer“, hieß es weiter. Auch Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sprach ebenfalls auf X von einem „feigen Angriff auf Menschen, die einfach nur Musik hören wollten“.

Auch UN-Generalsekretär António Guterres hat den Anschlag verurteilt. Den betroffenen Familien und den Menschen in Russland sowie der Regierung sprach der UN-Chef sein „tiefes Beileid“ aus, wie es in einer Mitteilung hieß. Den Verletzten wünschte Guterres eine rasche Genesung.

So reagiert Moskau

Als Konsequenz des Anschlags bleiben am Wochenende alle Theater und Museen in Moskau geschlossen, darunter weltberühmte wie die Tretjakow-Galerie und das Puschkin-Museum. Zuvor hatte der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin gesagt, dass alle Großveranstaltungen in Europas größter Stadt abgesagt seien. Auch im Moskauer Umland sagten die Behörden Massenveranstaltungen ab.

2002 hatten tschetschenische Bewaffnete 850 Menschen in einem Musical-Theater in ihre Gewalt gebracht. Am vierten Tag des Dramas betäubte der Inlandsgeheimdienst die Geiselnehmer und die Geiseln mit einem Gas. Die Terroristen wurden erschossen. 135 Geiseln kamen ums Leben, die meisten von ihnen durch unzureichende medizinische Versorgung.

© dpa-infocom, dpa:240322-99-434604/23


Von dpa
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