Während die Spieler des FC Chelsea bei strahlendem Sonnenschein in Abu Dhabi ihre Trainingseinheiten absolvierten, isolierte sich Thomas Tuchel noch bei Nieselregen im kalten London.
Nach seinem positiven Corona-Test ist immer noch unklar, wann der Chelsea-Trainer seiner Mannschaft in die Vereinigten Arabischen Emirate folgen kann. „Hoffentlich noch in dieser Woche“, heißt es beim Champions-League-Sieger, wo derzeit Tuchels Assistenten Arno Michels und Zsolt Löw das Training leiten.
Dass Welttrainer Tuchel schon am Mittwoch bei Chelseas Auftakt zur FIFA-Club-WM dabei ist, ist unwahrscheinlich, aber zum Finale könnte es klappen. Im Halbfinale (17.30 Uhr/Sport1) treffen die Blues zunächst auf Al Hilal. Der saudische Fußballclub hat 2021 zum vierten Mal die asiatische Champions League gewonnen und ist zum zweiten Mal bei der Club-WM. Für Chelsea ist das sonnige Turnier eine willkommene Ablenkung vom kräftezehrenden Fußball-Alltag im grauen England, wo es derzeit nicht nur sportlich etwas holprig läuft für die Londoner.
Nach nur zwei Siegen aus den letzten acht Premier-League-Spielen ist das Meisterschaftsrennen für Chelsea so gut wie gelaufen. Zehn Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Manchester City und noch dazu ein Spiel mehr absolviert hat der Tabellendritte, der zu Saisonbeginn noch als Titelfavorit gehandelt wurde. In der Liga geht es für Chelsea also nur noch darum, die Champions-League-Qualifikation zu sichern.
Im FA Cup mühte sich das Team gegen Drittligist Plymouth Argyle erst in der Verlängerung zu einem knappen 2:1-Sieg. Weder Rekordtransfer Romelu Lukaku noch den deutschen Offensivstars Kai Havertz und Timo Werner gelang ein Tor. Die Abwehrspieler César Azpilicueta und Marcos Alonso mussten es richten. Im Achtelfinale wartet nun Luton Town. Der Club spielt als Zweitligist immerhin eine Klasse höher als Plymouth.
Chelsea muss sich also deutlich steigern, um nach zwei verlorenen Endspielen (2020 gegen Arsenal und 2012 gegen Leicester City) erneut das Pokalfinale zu erreichen. Zudem empfängt Tuchel mit seinem Team in zwei Wochen den OSC Lille zum Achtelfinalhinspiel der Champions League. Kurz darauf bestreiten die Blues das Ligapokal-Finale gegen den FC Liverpool - ein unbedeutende Trophäe, aber ein Prestige-Duell.
Ausgerechnet Lukaku, der im Sommer für die vereinsinterne Rekordsumme von rund 115 Millionen Euro zurück an die Stamford Bridge geholt wurde, droht für Tuchel zum Problemfall zu werden. Der Belgier trifft kaum noch und kritisierte Tuchel in einem heiklen Interview mit Sky Italia. Er entschuldigte sich zwar, doch das Verhältnis zum Coach gilt als schwierig. Und der Stürmerstar wirkt seltsam deplatziert.
Aus ganz anderen Gründen dürfte Antonio Rüdiger seinem Trainer Sorgen bereiten. Der deutsche Nationalspieler ist unter Tuchel in der Form seines Lebens. Das weckt Begehrlichkeiten der Konkurrenz. Im Sommer wäre der 28-Jährige ablösefrei zu haben. Die Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung in London kamen laut britischen Medien wegen Rüdigers Gehaltsforderungen bisher zu keinem Ergebnis.
Negativschlagzeilen machte Chelsea, als bekannt wurde, dass der Verein vier ehemaligen Jugendspielern eine Entschädigung zahlt. Sie sollen in den 1990er Jahren von ihren Trainern rassistisch beleidigt und körperlich attackiert worden sein. Um eine langwierige Anhörung vor dem High Court zu vermeiden, bei der prominente Namen wie Sir Geoff Hurst, Glenn Hoddle und David James aussagen sollten, regelte der Club die Angelegenheit außergerichtlich.
So dürfte die Club-WM, für die zwei Ligaspiele verschoben werden, dem FC Chelsea sehr gelegen kommen. Fernab der Heimat können die Blues für positivere Schlagzeilen sorgen, wenn sie im Finale am Samstag den Titel holen. Egal ob gegen Al-Ahly aus Ägypten oder Palmeiras aus Sao Paulo - Chelsea, eventuell mit Rückkehrer und Afrika-Cup-Sieger Edouard Mendy im Tor, ist in Abu Dhabi der klare Favorit. Und die erste Trophäe der Saison könnte einen Stimmungsumschwung einleiten.
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