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Veröffentlicht am 31.01.2025 00:07

Ein Pflegekind aufnehmen: Antworten auf 9 wichtige Fragen

In den eigenen Kreis aufnehmen: Auch Jugendliche brauchen Menschen, die sich um sie kümmern, wenn ihre Herkunftsfamilie es - auch zeitweise - nicht schafft. (Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn)
In den eigenen Kreis aufnehmen: Auch Jugendliche brauchen Menschen, die sich um sie kümmern, wenn ihre Herkunftsfamilie es - auch zeitweise - nicht schafft. (Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn)
In den eigenen Kreis aufnehmen: Auch Jugendliche brauchen Menschen, die sich um sie kümmern, wenn ihre Herkunftsfamilie es - auch zeitweise - nicht schafft. (Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn)

Wenn Kinder oder Jugendliche in schwierigen Situationen vorübergehend oder dauerhaft nicht bei ihren leiblichen Eltern leben können, sind Pflegefamilien oder Pflegeeltern gefragt. Für die kann es eine schöne und bereichernde Aufgabe sein, bei der sie auch selbst unterstützt werden. Doch wie ist funktioniert das, und welche Schritte sind dafür nötig? Fragen und Antworten.

An wen wende ich mich, wenn ich ein Pflegekind aufnehmen möchte?

Die erste Anlaufstelle ist meist das Jugendamt am Wohnort. „Interessierte können sich alternativ an Jugendhilfeträger wenden“, sagt Rahma Ataie. Er ist Leiter des Fachbereichs Pflegefamilien des St. Elisabeth-Vereins in Marburg, der Pflegefamilien unterstützt. Solche Jugendhilfeträger sind beispielsweise das Deutsche Rote Kreuz oder der Paritätische Wohlfahrtsverband.

Welche Voraussetzungen muss ich erfüllen? Gibt es einen Test?

Wichtigste Voraussetzung ist die Freude am Zusammenleben mit Kindern und die Fähigkeit, ihnen Zuneigung, Verständnis, Zeit und viel Geduld entgegenbringen zu können, so der PFAD Bundesverband Pflege und Adoption. 

Und „ja, es findet eine Art Eignungsprüfung statt“, sagt Maike Förster, Fachberaterin für die Pflegekinderhilfe beim LVR-Landesjugendamt Rheinland. Hierbei führen geschulte Mitarbeitende von Jugendämtern oder Jugendhilfeträgern Einzelgespräche mit den interessierten Familien. Sie besuchen sie auch zu Hause, um die Umgebung anzuschauen und zu prüfen, ob genügend Platz für das Kind da ist.

Pflegeeltern-Bewerber müssen sowohl ein Gesundheits- als auch ein Führungszeugnis vorlegen. Außerdem nehmen angehende Pflegeeltern verpflichtend an vorbereitenden Seminaren teil. Diese Schulungen bereiten sie auch auf den Umgang mit Kindern vor, die vielleicht schwierige Erfahrungen gemacht haben oder traumatisiert sind. „Diese Art Eignungsprüfung kann bis zu sechs Monate dauern“, erklärt Förster.

Welche Gründe könnten dazu führen, dass ich kein Pflegekind aufnehmen darf? 

Wenn sich im Laufe des Verfahrens bei Mitarbeitenden von Jugendämtern oder Jugendhilfeeinrichtungen Skepsis einstellt, ob Bewerber geeignet sind, ein Pflegekind aufzunehmen, wird das offen angesprochen. „Das Prozedere ist in jeder Phase absolut transparent“, so Rahma Ataie.

Laut Maike Förster können folgende Gründe zu einer Absage führen:

  • Gesundheitliche Probleme der Pflegepersonen
  • Familiäre Spannungen oder instabile Beziehungen
  • Unzureichender Wohnraum für ein Pflegekind
  • Diskriminierende oder fremdenfeindliche Einstellungen
  • Geringe psychische Belastbarkeit
  • Negative Eintragungen im Führungszeugnis, die auf eine Gefährdung des Kindes hindeuten könnten

Darf ich auch als Single ein Pflegekind aufnehmen?

Die Lebensform spielt keine Rolle. „Sowohl Alleinstehende als auch Paare können ein Pflegekind aufnehmen“, sagt Ataie. Ob Interessierte hetero- oder homosexuell sind, ist ebenfalls unerheblich. Pflegepersonen, die ein Baby oder ein Kleinkind aufnehmen, sollten nicht älter als 45 bis 50 Jahre sein.

Wer als Pflegeperson berufstätig ist, muss den Job nicht aufgeben – aber möglicherweise die Wochenarbeitszeit reduzieren, um sich um das Pflegekind kümmern zu können.

Was ist der Unterschied zwischen einem Pflege- und einem Adoptivkind?

Pflegeeltern kümmern sich im Alltag um das Kind und treffen Entscheidungen des täglichen Lebens. „Das Sorgerecht bleibt bei Pflegekindern jedoch häufig bei den leiblichen Eltern“, so Maike Förster. Pflegekinder behalten meist ihren ursprünglichen Nachnamen und haben oft weiterhin Kontakt zu ihren leiblichen Familien. 

Bei einer Adoption hingegen übernehmen die Adoptiveltern das volle Sorgerecht. Das Kind wird rechtlich Teil der Adoptivfamilie. Außerdem nehmen die Kinder den Nachnamen der Adoptiveltern an.

Gibt es für Pflegefamilien einen finanziellen Ausgleich?

In der Regel schließen Pflegeeltern und das Jugendamt einen schriftlichen Pflegevertrag, der die Rechte und Pflichten der Vertragspartner enthält. Das Jugendamt zahlt für das Kind ein steuerfreies Pflegegeld an die Pflegeeltern. Die Höhe des Pflegegeldes variiert je nach Bundesland und Kommune. Es staffelt sich nach Altersgruppen und soll die Versorgung des Kindes sicherstellen. Interessierte sollten sich beim zuständigen Jugendamt über die genauen Beträge informieren.

Das Land Hessen beispielsweise empfiehlt Jugendämtern und Jugendhilfeträgern folgende Pauschalbeträge: für Kinder unter sechs Jahren 1.151 Euro monatlich, für Kinder von sechs bis unter zwölf Jahren 1.284 Euro sowie für Kinder und Jugendliche von zwölf bis unter 18 Jahren 1.445 Euro monatlich.

Zusätzlich kann man zu besonderen Anlässen bei der wirtschaftlichen Jugendhilfe des zuständigen Jugendamtes Beihilfen und Zuschüsse beantragen.

In welchen Fällen werden Pflegefamilien überhaupt gebraucht?

Pflegefamilien werden benötigt, wenn Kinder vorübergehend oder dauerhaft nicht bei ihren leiblichen Eltern leben können. Gründe dafür können Erkrankungen oder persönliche Krisen der Eltern, schwierige familiäre Situationen wie Gewalt, Missbrauch oder Vernachlässigung in der Herkunftsfamilie sein. „Denkbar ist aber auch, dass etwa eine Alleinerziehende für eine OP ins Krankenhaus und anschließend in die Reha muss und aus diesem Grund ein Kind vorübergehend in eine Pflegefamilie kommt“, so Ataie. 

Für welchen Zeitraum kommt ein Pflegekind meist in eine Pflegefamilie?

Das lässt sich pauschal nicht sagen – in Pflegefamilien kann ein Kind für einen befristeten Zeitraum oder auf Dauer aufwachsen. Es kommt immer auf den Einzelfall an, so Fachberaterin Förster. „Manche Kinder sind ein paar Monate in einer Pflegefamilie, andere bis zu ihrer Volljährigkeit.“ Es besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass die Herkunftsfamilie die Erziehung des Kindes oder Jugendlichen wieder selbst übernimmt, wenn sich die Bedingungen dort verbessert haben.

Haben Pflegefamilien eine Anlaufstelle, wo sie sich beraten lassen können, falls es Probleme mit dem Pflegekind gibt?

Sie haben einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung durch Ihr Jugendamt, nicht nur vor der Aufnahme des Kindes, sondern auch während der Pflege. „Pflegeeltern haben eine feste Ansprechperson beim Jugendamt oder beim Jugendhilfeträger, an die sie sich bei Problemen wenden können“, so Förster. 

Unabhängig davon besucht die Fachberatung regelmäßig die Pflegefamilie und bespricht mit allen die Lage und was vielleicht zu tun ist. So gibt es für Pflegeeltern spezielle Fortbildungen für unterschiedliche Bedarfsfälle, die Teilnahme kann verpflichtend sein, damit man sich gut um das Kind kümmern kann. „Man muss bereit sein, zum Wohl des Kindes Neues zu lernen“, sagt Ataie. Auch Regionalgruppen, in denen sich Pflegeeltern bei Treffen untereinander austauschen und unterstützen, können hilfreich sein.

Gut zu wissen: 

Der Bedarf an Pflegeeltern ist groß, „Immer mehr Kinder jeden Alters, die keinen einfachen Start hatten, benötigen Familienanschluss mit liebevoller Zuneigung, Schutz, Stabilität und Aufmerksamkeit“, so der PFAD. „Um möglichst die richtige Familie für jedes familienbedürftige Kind zu finden ist es gut, wenn die Jugendämter möglichst viele unterschiedliche Bewerberfamilien zur Auswahl zu haben“ - also geeignete Personen unabhängig von Alter, Familienstand, Ausbildung, Nationalität oder Herkunft. Ob man bereits Kinder hat oder nicht, sei auch nicht entscheidend. 

Pflegefamilien mit Migrationshintergrund sollten einen unbefristeten Aufenthalt in Deutschland haben und die deutsche Sprache beherrschen. Einzelpersonen müssen über ein stabiles soziales Netzwerk verfügen. Für ältere Kinder und Jugendliche können auch schon ältere Bewerber mit Erziehungserfahrungen genau die Richtigen sein, so der Verband.

Wer interessiert, aber unsicher ist: Viele Kommunen und TRäger bieten auch regelmäßig Informationsveranstaltungen an, die über die Voraussetzungen, den Ablauf und die Unterstützungsangebote informieren.

© dpa-infocom, dpa:250130-930-360973/1


Von dpa
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