Christoph Strauß und Sebastian Hahn vom SV Virnsberg brennen für den Schießsport. Sie haben ein Konzept entwickelt, um Wettkämpfe von Sportschützen live ins Internet zu übertragen.
„Das Schützenwesen hat ein Riesenproblem: Es ist eine olympische Sportart, aber kein Mensch weiß, wie’s funktioniert“, bedauert Christoph Strauß (34), Vorsitzender des SV Virnsberg. Gemeinsam mit seinem Vereinskameraden und ehemaligen Schulfreund Sebastian Hahn (33) will er das Interesse am Sportschießen fördern.
Der Weihenzeller Sebastian Hahn ist selbst mehrfacher Europameister und hat schon zu Schulzeiten mit seiner Mannschaft einen Weltmeistertitel errungen. „Sebastian war im Nationalkader und entsprechend erfolgreich“, erzählt Strauß. „Als er Weltmeister geworden ist, war am Montag in der Schule trotzdem die Tischtennis-Kreisklasse mehr im Gespräch.“ Erst wenn der scheinbar statische Sport auch für Nicht-Schützen zum Erlebnis wird, steigt die Wertschätzung, glaubt er.
Live-Übertragungen von Wettbewerben – bei anderen Sportarten längst Standard – seien beim Schießen eher die Ausnahme, klagt Strauß. „Das Schützenwesen ist wie die katholische Kirche: Alle 1000 Jahre ändert sich mal was.“ Die „1000 Jahre“ sind beim SV Virnsberg inzwischen vorüber. Seit 2018 hat der Verein eine elektronische Schießanlage, fast 45.000 Euro kostete die Umrüstung. Damals fragten sich die beiden Freunde: „Wie können wir unseren Sport näher an die Leute heranbringen?“ Denn nur wer sich öffentlichkeitswirksam präsentiert, gewinnt auch Vereinsmitglieder dazu, sind sie überzeugt.
Hahn, im Beruf Elektroingenieur und Informatiker, sowie der Mathematiker Strauß machten sich an die Umsetzung. Tausende von Stunden steckten sie in ihr Projekt, finanziert wurde es über Mitgliedsbeiträge, Zuschüsse und Aktionen im Verein. Nachdem Kameras platziert worden waren, konnten Ergebnisse und Bilder aus dem Schießstand als Livestream, als Video in Echtzeit, auf der Internetplattform Youtube zur Verfügung gestellt werden – inklusive Schussbildern.
Hat mein Konkurrent gerade ins Schwarze getroffen? Welche früheren Wettbewerbe konnte der Schütze für sich entscheiden? Und wer hat aktuell die besten Chancen auf den Sieg? Mit moderner Technik ist es möglich, dem Zuschauer all diese Infos in Echtzeit zu präsentieren. Bis in die 1950er Jahre reichen die statistischen Daten zurück, die Strauß und Hahn eingepflegt haben.
Zu Beginn war nicht jeder Schütze begeistert davon, dass Kameras den entscheidenden Schuss einfangen, gibt Strauß zu. Auch vom Verband gab es Gegenwind. „Es ging so weit, dass manche gedroht haben, bei Wettbewerben nicht anzutreten.“ Sie argumentierten mit dem Datenschutz. „Wir haben das aber rechtlich prüfen lassen“, versichert er. Über Sportveranstaltungen dürfe frei berichtet werden. Ein Schild an der Tür zum Schießstand weist auf die Kameras hin.
Die Chancen der Live-Videos erkannten viele erst, als wegen Corona reihenweise Präsenzwettbewerbe abgesagt wurden. Plötzlich stieg das Interesse an betrugssicheren Fernwettkämpfen. Der Durchbruch kam, als der Bundesligist SV Petersaurach anfragte, ob man im gut ausgestatteten Virnsberger Schießstand eine Fernwettkampfliga ausrichten dürfe. Inzwischen werden die Virnsberger nicht nur von Vereinen aus Deutschland, sondern sogar aus Österreich, Italien oder Holland nach ihren Erfahrungen gefragt. Ihr Wissen teilen sie gern – und das ganz ohne Profit.
Auch wenn mittlerweile wieder Präsenzwettbewerbe durchgeführt werden, ist die Übertragung ins Internet nicht mehr wegzudenken. Gerade gegnerische Mannschaften schickten bei Wettbewerben schon mal den Link zum Video nach Hause, berichtet Strauß. So können die Vereinskameraden virtuell dabei sein.
Einen der Wettkämpfe verfolgten 95 Zuschauer gleichzeitig live im Internet. „Das hört sich jetzt nicht nach viel an“, sagt er. Aber Schießwettkämpfe seien nicht mit Fußball vergleichbar. „Hier stehen normalerweise keine 30 oder 40 Zuschauer. Insofern ist die Zahl für uns ein großer Erfolg.“
Im November 2021 wurden Christoph Strauß und Sebastian Hahn für ihr Engagement mit dem Sportpreis Mittelfranken ausgezeichnet. Dass sie auch für den Deutschen Engagementpreis, eine Auszeichnung für bürgerschaftlichen Einsatz, nominiert wurden, erfuhren die beiden mit Verspätung – die E-Mail war im Spam-Ordner gelandet. Letztendlich entschied sich die Jury zwar für andere Projekte, aber die Motivation war schließlich, den Schießsport bekannter zu machen, versichert Sebastian Hahn: „Wir haben es ja nicht gemacht, um einen Preis zu gewinnen.“